Der Taikun kehrte wider Erwarten schnell aus Miako zurück. Man sagte, er sei dort sehr schlecht, ohne alle seinem Range ge- bührenden Rücksichten empfangen worden; der Fürst von Nangato stehe zwar, nach einem Versuche sich des Mikado zu bemächtigen, bei diesem nicht mehr in Gnaden und müsse vom Hofe entfernt bleiben, doch hätte die fremdenfeindliche Politik dort festen Fuss gefasst; der Erbkaiser habe abermals die baldige Schliessung von Yokuhama befohlen, und den Prinzen von Ftutsbasi, -- den Vice-Siogun -- zum Gouverneur von Osaka und obersten Befehlshaber der Küstenver- theidigung ernannt. Alles dieses war nur Gerücht; dass sich aber in der auswärtigen Politik nichts geändert hatte, merkte man an den fortgesetzten Beschränkungen des Handels und dem ewigen Refrain der Beamten auf alle dagegen erhobenen Beschwerden: die Räumung von Yokuhama sei unvermeidlich. Als Termin dieser Maassregel wurde die Rückkehr der japanischen Gesandtschaft aus Europa be- zeichnet. Die Regierung rüstete zwar mächtig und erhielt aus Amerika eine Menge gezogener Geschütze, aber ihre Ohnmacht und Haltungs- losigkeit blieb dieselbe; die Phrase von der Schliessung Yokuhama's verlor alle Bedeutung, da man dem Reichsrath keine energische Handlung zutraute. Die Fremden waren nichts destoweniger auf alle Eventualitäten vorbereitet und verfügten über hinreichende Streitkräfte, um der Gewalt die Spitze zu bieten. Die meisten eng- lischen und ein Theil der französischen Schiffe blieben den ganzen Winter vor Yokuhama. Im Frühjahr trafen noch drei holländische Corvetten ein, welche die Regierung im Haag zum speciellen Schutze ihrer japanischen Handelsinteressen ausrüstete und der Medusa zu Hülfe schickte. Der englische Gesandte, welchem die Königin Victoria die Ritterwürde verliehen hatte, verschrieb, im März auf seinen Posten zurückkehrend, aus Hongkong das zu seiner Verfügung ge- stellte zwanzigste englische Linienregiment, Admiral Kuper ein Bataillon Seesoldaten. Ein Theil dieser Truppen, welche im Juni eintrafen, bivouakirte auf den Höhen um Yokuhama. Zu derselben Zeit kehrte auch Admiral Jaures auf der Semiramis von einer Kreuzfahrt an den chinesischen Küsten dahin zurück, und so war denn um die Mitte des Jahres 1864 eine allen Eventualitäten gewachsene Streitmacht zu Lande und zur See in der Nähe der Hauptstadt versammelt.
Sir Rutherford Alcock gab seinen Willen, handelnd in die Verhältnisse einzugreifen und wo möglich Einfluss auf die innere Politik des Landes zu üben, gleich nach seiner Rückkehr durch
Die Lage im Sommer 1864. Anh. II.
Der Taïkūn kehrte wider Erwarten schnell aus Miako zurück. Man sagte, er sei dort sehr schlecht, ohne alle seinem Range ge- bührenden Rücksichten empfangen worden; der Fürst von Naṅgato stehe zwar, nach einem Versuche sich des Mikado zu bemächtigen, bei diesem nicht mehr in Gnaden und müsse vom Hofe entfernt bleiben, doch hätte die fremdenfeindliche Politik dort festen Fuss gefasst; der Erbkaiser habe abermals die baldige Schliessung von Yokuhama befohlen, und den Prinzen von Ftutsbaši, — den Vice-Siogun — zum Gouverneur von Osaka und obersten Befehlshaber der Küstenver- theidigung ernannt. Alles dieses war nur Gerücht; dass sich aber in der auswärtigen Politik nichts geändert hatte, merkte man an den fortgesetzten Beschränkungen des Handels und dem ewigen Refrain der Beamten auf alle dagegen erhobenen Beschwerden: die Räumung von Yokuhama sei unvermeidlich. Als Termin dieser Maassregel wurde die Rückkehr der japanischen Gesandtschaft aus Europa be- zeichnet. Die Regierung rüstete zwar mächtig und erhielt aus Amerika eine Menge gezogener Geschütze, aber ihre Ohnmacht und Haltungs- losigkeit blieb dieselbe; die Phrase von der Schliessung Yokuhama’s verlor alle Bedeutung, da man dem Reichsrath keine energische Handlung zutraute. Die Fremden waren nichts destoweniger auf alle Eventualitäten vorbereitet und verfügten über hinreichende Streitkräfte, um der Gewalt die Spitze zu bieten. Die meisten eng- lischen und ein Theil der französischen Schiffe blieben den ganzen Winter vor Yokuhama. Im Frühjahr trafen noch drei holländische Corvetten ein, welche die Regierung im Haag zum speciellen Schutze ihrer japanischen Handelsinteressen ausrüstete und der Medusa zu Hülfe schickte. Der englische Gesandte, welchem die Königin Victoria die Ritterwürde verliehen hatte, verschrieb, im März auf seinen Posten zurückkehrend, aus Hoṅgkoṅg das zu seiner Verfügung ge- stellte zwanzigste englische Linienregiment, Admiral Kuper ein Bataillon Seesoldaten. Ein Theil dieser Truppen, welche im Juni eintrafen, bivouakirte auf den Höhen um Yokuhama. Zu derselben Zeit kehrte auch Admiral Jaurès auf der Semiramis von einer Kreuzfahrt an den chinesischen Küsten dahin zurück, und so war denn um die Mitte des Jahres 1864 eine allen Eventualitäten gewachsene Streitmacht zu Lande und zur See in der Nähe der Hauptstadt versammelt.
Sir Rutherford Alcock gab seinen Willen, handelnd in die Verhältnisse einzugreifen und wo möglich Einfluss auf die innere Politik des Landes zu üben, gleich nach seiner Rückkehr durch
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[326/0346]
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Der Taïkūn kehrte wider Erwarten schnell aus Miako zurück.
Man sagte, er sei dort sehr schlecht, ohne alle seinem Range ge-
bührenden Rücksichten empfangen worden; der Fürst von Naṅgato
stehe zwar, nach einem Versuche sich des Mikado zu bemächtigen, bei
diesem nicht mehr in Gnaden und müsse vom Hofe entfernt bleiben,
doch hätte die fremdenfeindliche Politik dort festen Fuss gefasst;
der Erbkaiser habe abermals die baldige Schliessung von Yokuhama
befohlen, und den Prinzen von Ftutsbaši, — den Vice-Siogun — zum
Gouverneur von Osaka und obersten Befehlshaber der Küstenver-
theidigung ernannt. Alles dieses war nur Gerücht; dass sich aber
in der auswärtigen Politik nichts geändert hatte, merkte man an den
fortgesetzten Beschränkungen des Handels und dem ewigen Refrain
der Beamten auf alle dagegen erhobenen Beschwerden: die Räumung
von Yokuhama sei unvermeidlich. Als Termin dieser Maassregel
wurde die Rückkehr der japanischen Gesandtschaft aus Europa be-
zeichnet. Die Regierung rüstete zwar mächtig und erhielt aus Amerika
eine Menge gezogener Geschütze, aber ihre Ohnmacht und Haltungs-
losigkeit blieb dieselbe; die Phrase von der Schliessung Yokuhama’s
verlor alle Bedeutung, da man dem Reichsrath keine energische
Handlung zutraute. Die Fremden waren nichts destoweniger auf
alle Eventualitäten vorbereitet und verfügten über hinreichende
Streitkräfte, um der Gewalt die Spitze zu bieten. Die meisten eng-
lischen und ein Theil der französischen Schiffe blieben den ganzen
Winter vor Yokuhama. Im Frühjahr trafen noch drei holländische
Corvetten ein, welche die Regierung im Haag zum speciellen Schutze
ihrer japanischen Handelsinteressen ausrüstete und der Medusa zu
Hülfe schickte. Der englische Gesandte, welchem die Königin Victoria
die Ritterwürde verliehen hatte, verschrieb, im März auf seinen
Posten zurückkehrend, aus Hoṅgkoṅg das zu seiner Verfügung ge-
stellte zwanzigste englische Linienregiment, Admiral Kuper ein Bataillon
Seesoldaten. Ein Theil dieser Truppen, welche im Juni eintrafen,
bivouakirte auf den Höhen um Yokuhama. Zu derselben Zeit kehrte
auch Admiral Jaurès auf der Semiramis von einer Kreuzfahrt an den
chinesischen Küsten dahin zurück, und so war denn um die Mitte
des Jahres 1864 eine allen Eventualitäten gewachsene Streitmacht
zu Lande und zur See in der Nähe der Hauptstadt versammelt.
Sir Rutherford Alcock gab seinen Willen, handelnd in die
Verhältnisse einzugreifen und wo möglich Einfluss auf die innere
Politik des Landes zu üben, gleich nach seiner Rückkehr durch
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/346>, abgerufen am 22.11.2024.
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