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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Anh. II. Der General-Consul von Rehfues in Japan.

Grade in die bewegte Zeit von der ersten Rückkehr des
Taikun aus Miako Anfang August 1863 bis zu seiner zweiten Reise
dahin im Februar 1864, in der die Japaner sich so dringend um die
Räumung von Yokuhama bemühten, fällt die Anwesenheit des Ge-
neral-Consuls von Rehfues, der mit Seiner Majestät Corvette Gazelle
aus China herübergekommen war, um die Ratifications-Instrumente
des preussischen Vertrages auszuwechseln. Der Taikun wollte sich
mit aller Gewalt der Verträge entledigen und sollte jetzt noch einen
ratificiren! Es war der ungünstigste Moment in der ganzen Ent-
wickelung. Glücklicherweise hatte aber der Consul von Brandt sich
durch eifrige Studien und den lebendigen Verkehr mit japanischen
Dolmetschern in den wenigen Monaten seiner Anwesenheit -- seit
dem Herbst 1862 -- ein so richtiges Urtheil über die politische Lage
und den Charakter der japanischen Würdenträger zu bilden ver-
mocht, dass er den einzuschlagenden Weg klar vor sich sah, und
unbeirrt von allen Spiegelfechtereien und künstlichen Hindernissen
mit sicherem Bewusstsein das vorgesteckte Ziel verfolgen konnte.
Mit seiner und des Legations-Secretärs von Radowitz Unterstützung
wusste Herr von Rehfues durch festes Auftreten und die beharrliche
Durchführung consequenter, wohlberechneter Maassregeln denjenigen
Druck auf die japanischen Behörden auszuüben, durch welchen
allein die passive Hartnäckigkeit einer haltungslosen, nach allen
Richtungen ausweichenden, jeder Negation, aber keines festen Ent-
schlusses fähigen Politik zu überwinden ist.

Als Herr von Rehfues Anfang August mit der Gazelle vor
Yokuhama eintraf, war das völkerrechtswidrige Decret vom 24. Juni
1863, die Schliessung der japanischen Häfen betreffend, noch nicht
widerrufen. Von einem diplomatischen Verkehr nach europäischen
Begriffen konnte deshalb streng genommen keine Rede sein. Der
General-Consul wartete zunächst die Rückkehr des englischen Ge-
schwaders aus dem Golf von Kagosima ab, von dessen Erfolgen
man sich einige Wirkung auf die japanische Regierung versprach,
und kündigte, da sich diese Erwartung nicht rechtfertigte, dem
Gorodzio Anfang September einfach an, dass er zur Ratification des
preussischen Vertrages nach Japan gekommen sei, -- erhielt aber keine
Antwort. Die Regierung schickte zu seiner amtlichen Begrüssung
am 10. September einige Bunyo's der auswärtigen Angelegenheiten
nach Yokuhama, die keine geschäftlichen Mittheilungen zu machen
hatten. Er zeigte ihr dann seinen Entschluss an, sich die Antwort

Anh. II. Der General-Consul von Rehfues in Japan.

Grade in die bewegte Zeit von der ersten Rückkehr des
Taïkūn aus Miako Anfang August 1863 bis zu seiner zweiten Reise
dahin im Februar 1864, in der die Japaner sich so dringend um die
Räumung von Yokuhama bemühten, fällt die Anwesenheit des Ge-
neral-Consuls von Rehfues, der mit Seiner Majestät Corvette Gazelle
aus China herübergekommen war, um die Ratifications-Instrumente
des preussischen Vertrages auszuwechseln. Der Taïkūn wollte sich
mit aller Gewalt der Verträge entledigen und sollte jetzt noch einen
ratificiren! Es war der ungünstigste Moment in der ganzen Ent-
wickelung. Glücklicherweise hatte aber der Consul von Brandt sich
durch eifrige Studien und den lebendigen Verkehr mit japanischen
Dolmetschern in den wenigen Monaten seiner Anwesenheit — seit
dem Herbst 1862 — ein so richtiges Urtheil über die politische Lage
und den Charakter der japanischen Würdenträger zu bilden ver-
mocht, dass er den einzuschlagenden Weg klar vor sich sah, und
unbeirrt von allen Spiegelfechtereien und künstlichen Hindernissen
mit sicherem Bewusstsein das vorgesteckte Ziel verfolgen konnte.
Mit seiner und des Legations-Secretärs von Radowitz Unterstützung
wusste Herr von Rehfues durch festes Auftreten und die beharrliche
Durchführung consequenter, wohlberechneter Maassregeln denjenigen
Druck auf die japanischen Behörden auszuüben, durch welchen
allein die passive Hartnäckigkeit einer haltungslosen, nach allen
Richtungen ausweichenden, jeder Negation, aber keines festen Ent-
schlusses fähigen Politik zu überwinden ist.

Als Herr von Rehfues Anfang August mit der Gazelle vor
Yokuhama eintraf, war das völkerrechtswidrige Decret vom 24. Juni
1863, die Schliessung der japanischen Häfen betreffend, noch nicht
widerrufen. Von einem diplomatischen Verkehr nach europäischen
Begriffen konnte deshalb streng genommen keine Rede sein. Der
General-Consul wartete zunächst die Rückkehr des englischen Ge-
schwaders aus dem Golf von Kagosima ab, von dessen Erfolgen
man sich einige Wirkung auf die japanische Regierung versprach,
und kündigte, da sich diese Erwartung nicht rechtfertigte, dem
Gorodžio Anfang September einfach an, dass er zur Ratification des
preussischen Vertrages nach Japan gekommen sei, — erhielt aber keine
Antwort. Die Regierung schickte zu seiner amtlichen Begrüssung
am 10. September einige Bunyo’s der auswärtigen Angelegenheiten
nach Yokuhama, die keine geschäftlichen Mittheilungen zu machen
hatten. Er zeigte ihr dann seinen Entschluss an, sich die Antwort

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[317/0337] Anh. II. Der General-Consul von Rehfues in Japan. Grade in die bewegte Zeit von der ersten Rückkehr des Taïkūn aus Miako Anfang August 1863 bis zu seiner zweiten Reise dahin im Februar 1864, in der die Japaner sich so dringend um die Räumung von Yokuhama bemühten, fällt die Anwesenheit des Ge- neral-Consuls von Rehfues, der mit Seiner Majestät Corvette Gazelle aus China herübergekommen war, um die Ratifications-Instrumente des preussischen Vertrages auszuwechseln. Der Taïkūn wollte sich mit aller Gewalt der Verträge entledigen und sollte jetzt noch einen ratificiren! Es war der ungünstigste Moment in der ganzen Ent- wickelung. Glücklicherweise hatte aber der Consul von Brandt sich durch eifrige Studien und den lebendigen Verkehr mit japanischen Dolmetschern in den wenigen Monaten seiner Anwesenheit — seit dem Herbst 1862 — ein so richtiges Urtheil über die politische Lage und den Charakter der japanischen Würdenträger zu bilden ver- mocht, dass er den einzuschlagenden Weg klar vor sich sah, und unbeirrt von allen Spiegelfechtereien und künstlichen Hindernissen mit sicherem Bewusstsein das vorgesteckte Ziel verfolgen konnte. Mit seiner und des Legations-Secretärs von Radowitz Unterstützung wusste Herr von Rehfues durch festes Auftreten und die beharrliche Durchführung consequenter, wohlberechneter Maassregeln denjenigen Druck auf die japanischen Behörden auszuüben, durch welchen allein die passive Hartnäckigkeit einer haltungslosen, nach allen Richtungen ausweichenden, jeder Negation, aber keines festen Ent- schlusses fähigen Politik zu überwinden ist. Als Herr von Rehfues Anfang August mit der Gazelle vor Yokuhama eintraf, war das völkerrechtswidrige Decret vom 24. Juni 1863, die Schliessung der japanischen Häfen betreffend, noch nicht widerrufen. Von einem diplomatischen Verkehr nach europäischen Begriffen konnte deshalb streng genommen keine Rede sein. Der General-Consul wartete zunächst die Rückkehr des englischen Ge- schwaders aus dem Golf von Kagosima ab, von dessen Erfolgen man sich einige Wirkung auf die japanische Regierung versprach, und kündigte, da sich diese Erwartung nicht rechtfertigte, dem Gorodžio Anfang September einfach an, dass er zur Ratification des preussischen Vertrages nach Japan gekommen sei, — erhielt aber keine Antwort. Die Regierung schickte zu seiner amtlichen Begrüssung am 10. September einige Bunyo’s der auswärtigen Angelegenheiten nach Yokuhama, die keine geschäftlichen Mittheilungen zu machen hatten. Er zeigte ihr dann seinen Entschluss an, sich die Antwort

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/337>, abgerufen am 25.11.2024.