seinen Verfall aber beschleunigt, und jetzt scheint es ohne gewalt- same Katastrophe unrühmlich zusammensinken zu sollen.
Eine Feuersbrunst, die drei Tage lang in Osaka wüthete, wurde in Zusammenhang mit den politischen Vorgängen gebracht, ebenso der Brand des Taikun-Palastes in Yeddo am 25. December. Es hiess, dass der zum "Vice-Taikun" ernannte Ftutsbasi, Prinz von Mito, ihn in die Luft gesprengt, der Kaiser aber mit dem Leben entronnen sei. Die Beamten sagten nichts, aber die Stimmung wurde schwüler. Mit dem Handel von Yokuhama, dem besten Barometer der politischen Lage, ging es rückwärts. Man hörte jetzt sogar bei den japanischen Kaufleuten die Aeusserung laut werden, dass die Unzufriedenheit des Volkes wesentlich in dem Verfahren der Regierung begründet sei, welche allen Vortheil des Handels an sich reisse. Dass sie eine freie Handelspolitik nicht fassen konnte, welche Volk und Obrigkeit zugleich bereichert, ist nicht zu verwundern; aber die Regierung von Yeddo steckte gradezu allen Nutzen aus dem Verkauf der Landeserzeugnisse in die Tasche und liess das Volk die ganze Last der durch starke Ausfuhr hervorgerufenen Theuerung tragen. Sie kannte nur zwei Wege: eigennützige Beschränkung des Fremdenverkehrs oder völlige Aus- schliessung. Die Räumung von Yokuhama wurde auf einer Conferenz bei dem englischen Geschäftsträger am 4. Januar 1864 wieder zur Sprache gebracht. Die Bunyo's bestanden darauf, dass die Ver- träge nur als Versuche gemeint und unhaltbar wären; das Volk sei ihnen entgegen und eine Aenderung nothwendig, welche die Ge- sandtschaft in Europa erwirken solle. Herr Neale bedeutete sie, dass er in der Zwischenzeit über Aufrechthaltung der Vertragsrechte wachen und nöthigenfalls Repressalien brauchen würde. Er klagte die Regierung offen der Vorenthaltung grosser Massen von Seide an, welche, für den Markt von Yokuhama bestimmt, schon lange in Yeddo lagerten; die Bunyo's leugneten das aber feierlichst und schoben Alles auf die Feindlichkeit des Volkes, die Furcht der Kaufleute vor den Loninen, deren Fanatismus schon viele zum Opfer geworden wären. -- Sonderbarer Weise bewilligte die Regierung grade jetzt, wo sie die Räumung von Yokuhama so dringend betrieb, wichtige Zollermässigungen18), die schon 1862 beantragt, aber bis
18) Den höchsten Zollsatz, 35 Procent des declarirten Werthes, zahlten bis dahin Weine und Liqueure. Für diesen Artikel, ferner für Maschinen und Maschinentheile, Glaswaaren, Droguen und Medicinen, Eisen in Stäben und Blöcken, Eisenblech,
Anh. II. Feuersbrünste. Handelspolitik.
seinen Verfall aber beschleunigt, und jetzt scheint es ohne gewalt- same Katastrophe unrühmlich zusammensinken zu sollen.
Eine Feuersbrunst, die drei Tage lang in Osaka wüthete, wurde in Zusammenhang mit den politischen Vorgängen gebracht, ebenso der Brand des Taïkūn-Palastes in Yeddo am 25. December. Es hiess, dass der zum »Vice-Taïkūn« ernannte Ftutsbaši, Prinz von Mito, ihn in die Luft gesprengt, der Kaiser aber mit dem Leben entronnen sei. Die Beamten sagten nichts, aber die Stimmung wurde schwüler. Mit dem Handel von Yokuhama, dem besten Barometer der politischen Lage, ging es rückwärts. Man hörte jetzt sogar bei den japanischen Kaufleuten die Aeusserung laut werden, dass die Unzufriedenheit des Volkes wesentlich in dem Verfahren der Regierung begründet sei, welche allen Vortheil des Handels an sich reisse. Dass sie eine freie Handelspolitik nicht fassen konnte, welche Volk und Obrigkeit zugleich bereichert, ist nicht zu verwundern; aber die Regierung von Yeddo steckte gradezu allen Nutzen aus dem Verkauf der Landeserzeugnisse in die Tasche und liess das Volk die ganze Last der durch starke Ausfuhr hervorgerufenen Theuerung tragen. Sie kannte nur zwei Wege: eigennützige Beschränkung des Fremdenverkehrs oder völlige Aus- schliessung. Die Räumung von Yokuhama wurde auf einer Conferenz bei dem englischen Geschäftsträger am 4. Januar 1864 wieder zur Sprache gebracht. Die Bunyo’s bestanden darauf, dass die Ver- träge nur als Versuche gemeint und unhaltbar wären; das Volk sei ihnen entgegen und eine Aenderung nothwendig, welche die Ge- sandtschaft in Europa erwirken solle. Herr Neale bedeutete sie, dass er in der Zwischenzeit über Aufrechthaltung der Vertragsrechte wachen und nöthigenfalls Repressalien brauchen würde. Er klagte die Regierung offen der Vorenthaltung grosser Massen von Seide an, welche, für den Markt von Yokuhama bestimmt, schon lange in Yeddo lagerten; die Bunyo’s leugneten das aber feierlichst und schoben Alles auf die Feindlichkeit des Volkes, die Furcht der Kaufleute vor den Loninen, deren Fanatismus schon viele zum Opfer geworden wären. — Sonderbarer Weise bewilligte die Regierung grade jetzt, wo sie die Räumung von Yokuhama so dringend betrieb, wichtige Zollermässigungen18), die schon 1862 beantragt, aber bis
18) Den höchsten Zollsatz, 35 Procent des declarirten Werthes, zahlten bis dahin Weine und Liqueure. Für diesen Artikel, ferner für Maschinen und Maschinentheile, Glaswaaren, Droguen und Medicinen, Eisen in Stäben und Blöcken, Eisenblech,
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Anh. II. Feuersbrünste. Handelspolitik.
seinen Verfall aber beschleunigt, und jetzt scheint es ohne gewalt-
same Katastrophe unrühmlich zusammensinken zu sollen.
Eine Feuersbrunst, die drei Tage lang in Osaka wüthete,
wurde in Zusammenhang mit den politischen Vorgängen gebracht,
ebenso der Brand des Taïkūn-Palastes in Yeddo am 25. December.
Es hiess, dass der zum »Vice-Taïkūn« ernannte Ftutsbaši, Prinz
von Mito, ihn in die Luft gesprengt, der Kaiser aber mit dem Leben
entronnen sei. Die Beamten sagten nichts, aber die Stimmung
wurde schwüler. Mit dem Handel von Yokuhama, dem besten
Barometer der politischen Lage, ging es rückwärts. Man hörte
jetzt sogar bei den japanischen Kaufleuten die Aeusserung laut
werden, dass die Unzufriedenheit des Volkes wesentlich in dem
Verfahren der Regierung begründet sei, welche allen Vortheil des
Handels an sich reisse. Dass sie eine freie Handelspolitik nicht
fassen konnte, welche Volk und Obrigkeit zugleich bereichert, ist
nicht zu verwundern; aber die Regierung von Yeddo steckte gradezu
allen Nutzen aus dem Verkauf der Landeserzeugnisse in die Tasche
und liess das Volk die ganze Last der durch starke Ausfuhr
hervorgerufenen Theuerung tragen. Sie kannte nur zwei Wege:
eigennützige Beschränkung des Fremdenverkehrs oder völlige Aus-
schliessung. Die Räumung von Yokuhama wurde auf einer Conferenz
bei dem englischen Geschäftsträger am 4. Januar 1864 wieder zur
Sprache gebracht. Die Bunyo’s bestanden darauf, dass die Ver-
träge nur als Versuche gemeint und unhaltbar wären; das Volk sei
ihnen entgegen und eine Aenderung nothwendig, welche die Ge-
sandtschaft in Europa erwirken solle. Herr Neale bedeutete sie,
dass er in der Zwischenzeit über Aufrechthaltung der Vertragsrechte
wachen und nöthigenfalls Repressalien brauchen würde. Er klagte
die Regierung offen der Vorenthaltung grosser Massen von Seide
an, welche, für den Markt von Yokuhama bestimmt, schon lange
in Yeddo lagerten; die Bunyo’s leugneten das aber feierlichst und
schoben Alles auf die Feindlichkeit des Volkes, die Furcht der
Kaufleute vor den Loninen, deren Fanatismus schon viele zum Opfer
geworden wären. — Sonderbarer Weise bewilligte die Regierung grade
jetzt, wo sie die Räumung von Yokuhama so dringend betrieb,
wichtige Zollermässigungen 18), die schon 1862 beantragt, aber bis
18) Den höchsten Zollsatz, 35 Procent des declarirten Werthes, zahlten bis dahin
Weine und Liqueure. Für diesen Artikel, ferner für Maschinen und Maschinentheile,
Glaswaaren, Droguen und Medicinen, Eisen in Stäben und Blöcken, Eisenblech,
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/335>, abgerufen am 16.02.2025.
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