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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Anh. II. Angeblicher Angriff auf den Mikado-Palast.

Aus dem Inneren des Landes hörte man, dass der Fürst
von Nangato, die Verträge mit den Fremden zum Vorwande
nehmend, in offener Auflehnung gegen den Taikun stehe und
einen Angriff auf den Palast in Miako gemacht habe. Er strebe,
hiess es im Volke, nach der Siogun-Würde, wolle sich zu
dem Zweck der Person des Mikado bemächtigen und den
Taikun in Krieg mit dem Auslande verwickeln. Die mit den
Diplomaten in Yokuhama verkehrenden Bunyo's erklärten das
Gerücht von jenem Angriff für falsch: eine Räuberbande hätte
das Zollamt der Landschaft Yamatto in Miako, aus dem der
Mikado sein Einkommen beziehe, gewaltsam zu plündern versucht,
wäre aber mit Verlust einiger Todten abgeschlagen worden. Die
Zeitungen der europäischen Niederlassung 16) machten gar eine
Armee daraus, die Osaka genommen hätte und auf Yokuhama
marschirte. -- Offenbar walteten im Herzen des Landes anarchische
Zustände; die Centralgewalt hatte dort keine Macht mehr, und
die Siogun-Herrschaft beschränkte sich thatsächlich nur noch
auf das Kuanto, wo ihr Ansehn gleichfalls in raschem Schwinden
war. Ihre veränderte Politik gegen die Fremden trat nicht sogleich
offen hervor; aber der Handel, welcher gleich nach der Zahlung
der englischen Indemnität einen lebhaften Aufschwung genommen
hatte 17), begann in Folge der gewaltsam beschränkten Zufuhr wie-
der zu stocken; die Haltung der Beamten verschlimmerte sich
augenscheinlich, die Stimmung war beklommen. Sämmtliche Re-
präsentanten der Vertragsmächte hatten von ihren Regierungen
die friedfertigsten Instructionen erhalten und durften auf keine

16) In Yokuhama erschienen schon 1863 zwei regelmässige Wochenschriften:
Japan Herald und Japan Commercial News, deren Redactionen auch tägliche Blätter
mit den Neuigkeiten ausgeben und sich natürlich jedes möglichen Stoffes bemächtigen.
17) Man erhält einen Begriff von der raschen Zunahme des Handels von Yo-
kuhama
durch folgende amtliche Angaben des englischen Consulates. In den
ersten sechs Monaten des Jahres 1862 betrug die englische Einfuhr 68,981 Pfund
Sterling, die Ausfuhr 253,337 Pfund Sterling; in derselben Periode 1863 trotz den
kriegerischen Aussichten, welche eine Zeit lang die Geschäfte ganz unterbrachen,
die Einfuhr 111,470 Pfund Sterling, die Ausfuhr 561,120 Pfund Sterling. In letzterem
Jahre kam zum ersten Male japanische Rohbaumwolle zur Ausfuhr (795,207 Pfund);
das Picul stieg in kurzer Zeit von 5 auf 35 Dollars. So lange der amerikanische
Krieg dauerte, hat die Production bedeutend zugenommen, ist aber nachher schnell
wieder gesunken. -- Genauen Aufschluss über den Handel von Yokuhama bis 1863
gibt der Rapport general sur la partie commerciale de la mission Suisse au Japon
par C. Brennwald. Zurich. Orell Fussli 1865; und ein guter Artikel der Chinese
and Japanese Review. Dec. 1863. vol. I. n. 6. S. 276.
20*
Anh. II. Angeblicher Angriff auf den Mikado-Palast.

Aus dem Inneren des Landes hörte man, dass der Fürst
von Naṅgato, die Verträge mit den Fremden zum Vorwande
nehmend, in offener Auflehnung gegen den Taïkūn stehe und
einen Angriff auf den Palast in Miako gemacht habe. Er strebe,
hiess es im Volke, nach der Siogun-Würde, wolle sich zu
dem Zweck der Person des Mikado bemächtigen und den
Taïkūn in Krieg mit dem Auslande verwickeln. Die mit den
Diplomaten in Yokuhama verkehrenden Bunyo’s erklärten das
Gerücht von jenem Angriff für falsch: eine Räuberbande hätte
das Zollamt der Landschaft Yamatto in Miako, aus dem der
Mikado sein Einkommen beziehe, gewaltsam zu plündern versucht,
wäre aber mit Verlust einiger Todten abgeschlagen worden. Die
Zeitungen der europäischen Niederlassung 16) machten gar eine
Armee daraus, die Osaka genommen hätte und auf Yokuhama
marschirte. — Offenbar walteten im Herzen des Landes anarchische
Zustände; die Centralgewalt hatte dort keine Macht mehr, und
die Siogun-Herrschaft beschränkte sich thatsächlich nur noch
auf das Kuanto, wo ihr Ansehn gleichfalls in raschem Schwinden
war. Ihre veränderte Politik gegen die Fremden trat nicht sogleich
offen hervor; aber der Handel, welcher gleich nach der Zahlung
der englischen Indemnität einen lebhaften Aufschwung genommen
hatte 17), begann in Folge der gewaltsam beschränkten Zufuhr wie-
der zu stocken; die Haltung der Beamten verschlimmerte sich
augenscheinlich, die Stimmung war beklommen. Sämmtliche Re-
präsentanten der Vertragsmächte hatten von ihren Regierungen
die friedfertigsten Instructionen erhalten und durften auf keine

16) In Yokuhama erschienen schon 1863 zwei regelmässige Wochenschriften:
Japan Herald und Japan Commercial News, deren Redactionen auch tägliche Blätter
mit den Neuigkeiten ausgeben und sich natürlich jedes möglichen Stoffes bemächtigen.
17) Man erhält einen Begriff von der raschen Zunahme des Handels von Yo-
kuhama
durch folgende amtliche Angaben des englischen Consulates. In den
ersten sechs Monaten des Jahres 1862 betrug die englische Einfuhr 68,981 Pfund
Sterling, die Ausfuhr 253,337 Pfund Sterling; in derselben Periode 1863 trotz den
kriegerischen Aussichten, welche eine Zeit lang die Geschäfte ganz unterbrachen,
die Einfuhr 111,470 Pfund Sterling, die Ausfuhr 561,120 Pfund Sterling. In letzterem
Jahre kam zum ersten Male japanische Rohbaumwolle zur Ausfuhr (795,207 Pfund);
das Picul stieg in kurzer Zeit von 5 auf 35 Dollars. So lange der amerikanische
Krieg dauerte, hat die Production bedeutend zugenommen, ist aber nachher schnell
wieder gesunken. — Genauen Aufschluss über den Handel von Yokuhama bis 1863
gibt der Rapport géneral sur la partie commerciale de la mission Suisse au Japon
par C. Brennwald. Zurich. Orell Fussli 1865; und ein guter Artikel der Chinese
and Japanese Review. Dec. 1863. vol. I. n. 6. S. 276.
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[307/0327] Anh. II. Angeblicher Angriff auf den Mikado-Palast. Aus dem Inneren des Landes hörte man, dass der Fürst von Naṅgato, die Verträge mit den Fremden zum Vorwande nehmend, in offener Auflehnung gegen den Taïkūn stehe und einen Angriff auf den Palast in Miako gemacht habe. Er strebe, hiess es im Volke, nach der Siogun-Würde, wolle sich zu dem Zweck der Person des Mikado bemächtigen und den Taïkūn in Krieg mit dem Auslande verwickeln. Die mit den Diplomaten in Yokuhama verkehrenden Bunyo’s erklärten das Gerücht von jenem Angriff für falsch: eine Räuberbande hätte das Zollamt der Landschaft Yamatto in Miako, aus dem der Mikado sein Einkommen beziehe, gewaltsam zu plündern versucht, wäre aber mit Verlust einiger Todten abgeschlagen worden. Die Zeitungen der europäischen Niederlassung 16) machten gar eine Armee daraus, die Osaka genommen hätte und auf Yokuhama marschirte. — Offenbar walteten im Herzen des Landes anarchische Zustände; die Centralgewalt hatte dort keine Macht mehr, und die Siogun-Herrschaft beschränkte sich thatsächlich nur noch auf das Kuanto, wo ihr Ansehn gleichfalls in raschem Schwinden war. Ihre veränderte Politik gegen die Fremden trat nicht sogleich offen hervor; aber der Handel, welcher gleich nach der Zahlung der englischen Indemnität einen lebhaften Aufschwung genommen hatte 17), begann in Folge der gewaltsam beschränkten Zufuhr wie- der zu stocken; die Haltung der Beamten verschlimmerte sich augenscheinlich, die Stimmung war beklommen. Sämmtliche Re- präsentanten der Vertragsmächte hatten von ihren Regierungen die friedfertigsten Instructionen erhalten und durften auf keine 16) In Yokuhama erschienen schon 1863 zwei regelmässige Wochenschriften: Japan Herald und Japan Commercial News, deren Redactionen auch tägliche Blätter mit den Neuigkeiten ausgeben und sich natürlich jedes möglichen Stoffes bemächtigen. 17) Man erhält einen Begriff von der raschen Zunahme des Handels von Yo- kuhama durch folgende amtliche Angaben des englischen Consulates. In den ersten sechs Monaten des Jahres 1862 betrug die englische Einfuhr 68,981 Pfund Sterling, die Ausfuhr 253,337 Pfund Sterling; in derselben Periode 1863 trotz den kriegerischen Aussichten, welche eine Zeit lang die Geschäfte ganz unterbrachen, die Einfuhr 111,470 Pfund Sterling, die Ausfuhr 561,120 Pfund Sterling. In letzterem Jahre kam zum ersten Male japanische Rohbaumwolle zur Ausfuhr (795,207 Pfund); das Picul stieg in kurzer Zeit von 5 auf 35 Dollars. So lange der amerikanische Krieg dauerte, hat die Production bedeutend zugenommen, ist aber nachher schnell wieder gesunken. — Genauen Aufschluss über den Handel von Yokuhama bis 1863 gibt der Rapport géneral sur la partie commerciale de la mission Suisse au Japon par C. Brennwald. Zurich. Orell Fussli 1865; und ein guter Artikel der Chinese and Japanese Review. Dec. 1863. vol. I. n. 6. S. 276. 20*

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/327>, abgerufen am 22.11.2024.