Den 11. Abends ertönte in unserer Nähe die Feuerglocke,11. Octbr. der Himmel war bis zum Zenith geröthet. Da dem Anschein nach die Brandstätte nicht entfernt sein konnte, so machte sich der Gesandte mit seinen Begleitern und Herrn Heusken trotz den ver- zweifelten Gegenvorstellungen unserer Hausbeamten zu Fuss dahin auf den Weg. Es stürmte und regnete, aber die Strassen waren gedrängt voll Menschen. Wir konnten nur auf Umwegen auf eine hochgelegene Stelle gelangen, von wo das Feuer sichtbar wurde, ein wogendes Flammenmeer in der Richtung des Stadtviertels Asaksa, aber wohl eine Stunde entfernt, so dass wir unser Vorhaben auf- geben mussten. Auch am folgenden Tage machten unsere Yakunine so ängstliche Vorstellungen gegen den beabsichtigten Besuch der Brandstätte, dass wir endlich davon abstanden. Das Feuer zerstörte eine Strecke von zehn Strassen Länge und drei Strassen Breite in dem berüchtigten Stadtviertel Yosiwara und legte die drei grössten Theater in Asche. -- Die Bunyo's der auswärtigen Angelegenheiten baten den Gesandten nachher wiederholt und dringend, sich bei Feuersbrünsten niemals auf der Strasse zu zeigen, das Volk sei dann wie toll; wer zuerst beim Brande erscheine oder sich beim Löschen auszeichne werde feierlich belohnt, sein Namen auf Tafeln geschrieben und durch alle Strassen getragen; nach dieser Auszeichnung strebe jeder Japaner, daher das wilde Gedränge. -- Die Löschmannschaften tragen aus Rohr geflochtene Brustharnische und metallbelegte Sturmhauben, deren Helmdecke auf die Schultern herabfällt und unter dem Kinn zugeknöpft wird; höhere Staatsbeamten und Daimio's, unter deren Aufsicht die Löschanstalten stehen, erscheinen zu Pferde in voller Rüstung. Ein Theil der Mannschaften wird auf die nächst- bedrohten Dächer postirt und muss dort im Kampfe gegen das Flugfeuer so lange als möglich aushalten, dann aber -- in Eile alle Schindeln und Ziegel herabwerfen. Wer eine Leiter verlangt oder zureicht ehe die Gefahr auf das höchste steigt, gilt für ehrlos; wer aber beim Löschen umkommt, erntet grossen Ruhm und öffent- liche Ehren. Das Niederreissen bedrohter Häuser soll wohl in anderen japanischen Städten, nicht aber in Yeddo üblich sein, wo die Eigenthümer sich ihm widersetzen. An Wasser ist bei den zahlreichen Canälen selten Mangel; auf vielen Dächern stehen auch grosse Kübel mit Vorrath zum schleunigen Gebrauch. Die Feuer- spritzen sind klein und tragbar, nach altem holländischem Muster sehr fest und sauber gearbeitet.
VI. Feuersbrunst.
Den 11. Abends ertönte in unserer Nähe die Feuerglocke,11. Octbr. der Himmel war bis zum Zenith geröthet. Da dem Anschein nach die Brandstätte nicht entfernt sein konnte, so machte sich der Gesandte mit seinen Begleitern und Herrn Heusken trotz den ver- zweifelten Gegenvorstellungen unserer Hausbeamten zu Fuss dahin auf den Weg. Es stürmte und regnete, aber die Strassen waren gedrängt voll Menschen. Wir konnten nur auf Umwegen auf eine hochgelegene Stelle gelangen, von wo das Feuer sichtbar wurde, ein wogendes Flammenmeer in der Richtung des Stadtviertels Asaksa, aber wohl eine Stunde entfernt, so dass wir unser Vorhaben auf- geben mussten. Auch am folgenden Tage machten unsere Yakunine so ängstliche Vorstellungen gegen den beabsichtigten Besuch der Brandstätte, dass wir endlich davon abstanden. Das Feuer zerstörte eine Strecke von zehn Strassen Länge und drei Strassen Breite in dem berüchtigten Stadtviertel Yosiwara und legte die drei grössten Theater in Asche. — Die Bunyo’s der auswärtigen Angelegenheiten baten den Gesandten nachher wiederholt und dringend, sich bei Feuersbrünsten niemals auf der Strasse zu zeigen, das Volk sei dann wie toll; wer zuerst beim Brande erscheine oder sich beim Löschen auszeichne werde feierlich belohnt, sein Namen auf Tafeln geschrieben und durch alle Strassen getragen; nach dieser Auszeichnung strebe jeder Japaner, daher das wilde Gedränge. — Die Löschmannschaften tragen aus Rohr geflochtene Brustharnische und metallbelegte Sturmhauben, deren Helmdecke auf die Schultern herabfällt und unter dem Kinn zugeknöpft wird; höhere Staatsbeamten und Daïmio’s, unter deren Aufsicht die Löschanstalten stehen, erscheinen zu Pferde in voller Rüstung. Ein Theil der Mannschaften wird auf die nächst- bedrohten Dächer postirt und muss dort im Kampfe gegen das Flugfeuer so lange als möglich aushalten, dann aber — in Eile alle Schindeln und Ziegel herabwerfen. Wer eine Leiter verlangt oder zureicht ehe die Gefahr auf das höchste steigt, gilt für ehrlos; wer aber beim Löschen umkommt, erntet grossen Ruhm und öffent- liche Ehren. Das Niederreissen bedrohter Häuser soll wohl in anderen japanischen Städten, nicht aber in Yeddo üblich sein, wo die Eigenthümer sich ihm widersetzen. An Wasser ist bei den zahlreichen Canälen selten Mangel; auf vielen Dächern stehen auch grosse Kübel mit Vorrath zum schleunigen Gebrauch. Die Feuer- spritzen sind klein und tragbar, nach altem holländischem Muster sehr fest und sauber gearbeitet.
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Den 11. Abends ertönte in unserer Nähe die Feuerglocke,
der Himmel war bis zum Zenith geröthet. Da dem Anschein nach
die Brandstätte nicht entfernt sein konnte, so machte sich der
Gesandte mit seinen Begleitern und Herrn Heusken trotz den ver-
zweifelten Gegenvorstellungen unserer Hausbeamten zu Fuss dahin
auf den Weg. Es stürmte und regnete, aber die Strassen waren
gedrängt voll Menschen. Wir konnten nur auf Umwegen auf eine
hochgelegene Stelle gelangen, von wo das Feuer sichtbar wurde,
ein wogendes Flammenmeer in der Richtung des Stadtviertels Asaksa,
aber wohl eine Stunde entfernt, so dass wir unser Vorhaben auf-
geben mussten. Auch am folgenden Tage machten unsere Yakunine
so ängstliche Vorstellungen gegen den beabsichtigten Besuch der
Brandstätte, dass wir endlich davon abstanden. Das Feuer zerstörte
eine Strecke von zehn Strassen Länge und drei Strassen Breite in
dem berüchtigten Stadtviertel Yosiwara und legte die drei grössten
Theater in Asche. — Die Bunyo’s der auswärtigen Angelegenheiten
baten den Gesandten nachher wiederholt und dringend, sich bei
Feuersbrünsten niemals auf der Strasse zu zeigen, das Volk sei dann
wie toll; wer zuerst beim Brande erscheine oder sich beim Löschen
auszeichne werde feierlich belohnt, sein Namen auf Tafeln geschrieben
und durch alle Strassen getragen; nach dieser Auszeichnung strebe
jeder Japaner, daher das wilde Gedränge. — Die Löschmannschaften
tragen aus Rohr geflochtene Brustharnische und metallbelegte
Sturmhauben, deren Helmdecke auf die Schultern herabfällt und
unter dem Kinn zugeknöpft wird; höhere Staatsbeamten und Daïmio’s,
unter deren Aufsicht die Löschanstalten stehen, erscheinen zu Pferde
in voller Rüstung. Ein Theil der Mannschaften wird auf die nächst-
bedrohten Dächer postirt und muss dort im Kampfe gegen das
Flugfeuer so lange als möglich aushalten, dann aber — in Eile alle
Schindeln und Ziegel herabwerfen. Wer eine Leiter verlangt oder
zureicht ehe die Gefahr auf das höchste steigt, gilt für ehrlos;
wer aber beim Löschen umkommt, erntet grossen Ruhm und öffent-
liche Ehren. Das Niederreissen bedrohter Häuser soll wohl in
anderen japanischen Städten, nicht aber in Yeddo üblich sein, wo
die Eigenthümer sich ihm widersetzen. An Wasser ist bei den
zahlreichen Canälen selten Mangel; auf vielen Dächern stehen auch
grosse Kübel mit Vorrath zum schleunigen Gebrauch. Die Feuer-
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sehr fest und sauber gearbeitet.
11. Octbr.
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/31>, abgerufen am 21.11.2024.
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