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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Diner. Rückkehr nach Yeddo. VI.
Vortrag der National-Hymnen und anderer heimathlichen Weisen
wie immer electrisirend auf die Gäste wirkte. Nach dem Essen
lockte die herrliche Nacht in das Freie; dort warteten in malerischen
Gruppen die japanischen Diener der Consulate mit grossen Papier-
laternen, weiss und bunt, die theils auf langen Bambusstangen,
theils in der Hand getragen werden. Wir zogen mit klingendem
Spiel durch die finsteren Strassen, dann die steile, von hohen Wipfeln
überwölbte Treppe zum amerikanischen Consulat hinan; die bunten
Laternen warfen magische Lichter auf die überhangenden Laubmassen
und der Zug gewährte, von vielen Japanern begleitet und langsam die
Treppe hinansteigend, ein phantastisches Bild, das gewiss Manchem
unvergesslich geblieben ist. -- Nachher kehrte die Musik an Bord
zurück; das Meer lag spiegelglatt unter dem sternfunkelnden Fir-
mament, und wir standen noch lange am Ufer, bis die letzten Klänge
"Muss i' denn, muss i' denn zum Städtle hinaus" zum Tact der
Ruderschläge in der Zaubernacht verhallten.

Der folgende Tag war zur Rückkehr nach Yeddo bestimmt;
wir besuchten unterwegs noch Herrn de Graeff van Polsbroek, dessen
Tempel an der Landstrasse liegt. Er und alle übrigen Consuln
führten bittere Klagen über ihre in Yokuhama angesiedelten Lands-
leute, deren Anmaassung und Rücksichtslosigkeit fortwährend be-
trübende Collisionen hervorrief. Wir hatten leider schon damals
vielfach Gelegenheit uns von der Richtigkeit dieser Angaben zu über-
zeugen; nicht lange nachher kam es zum offenen Eclat. Die Japaner
sind von Natur durchaus jovial und zu freundschaftlichem Verkehr
mit den Fremden geneigt; sie fördern gern auf jede Weise deren
Vergnügen und Bequemlichkeit, sofern nur nicht gegen persönliche
Rechte oder die Sitten und Gesetze des Landes verstossen wird.
So hatte unser nächtlicher Umzug bei den Bewohnern von Kanagava
nur Aufsehn und heitere Theilnahme, aber nicht den geringsten
Anstoss erregt; die Behörden erkundigten sich am folgenden Tage
nur, welchem "O-Bunyo" denn das Fest gegolten habe.

Wir machten auf dem Heimwege im Theehause von Kavasaki,
wo Herr von Bellecourt uns einholte, einen kurzen Halt; die lustigen
Aufwärterinnen schälten eigenhändig die gesottenen Eier und steckten
sie den Gästen scherzend in den Mund, bewirtheten uns nachher
auch mit köstlichen Weintrauben. Vor Omagava bog Heusken von
dem Tokaido ab und führte uns über Ikegami durch Feld und Busch
auf sehr anmuthigem Wege nach der Stadt.

Diner. Rückkehr nach Yeddo. VI.
Vortrag der National-Hymnen und anderer heimathlichen Weisen
wie immer electrisirend auf die Gäste wirkte. Nach dem Essen
lockte die herrliche Nacht in das Freie; dort warteten in malerischen
Gruppen die japanischen Diener der Consulate mit grossen Papier-
laternen, weiss und bunt, die theils auf langen Bambusstangen,
theils in der Hand getragen werden. Wir zogen mit klingendem
Spiel durch die finsteren Strassen, dann die steile, von hohen Wipfeln
überwölbte Treppe zum amerikanischen Consulat hinan; die bunten
Laternen warfen magische Lichter auf die überhangenden Laubmassen
und der Zug gewährte, von vielen Japanern begleitet und langsam die
Treppe hinansteigend, ein phantastisches Bild, das gewiss Manchem
unvergesslich geblieben ist. — Nachher kehrte die Musik an Bord
zurück; das Meer lag spiegelglatt unter dem sternfunkelnden Fir-
mament, und wir standen noch lange am Ufer, bis die letzten Klänge
»Muss i’ denn, muss i’ denn zum Städtle hinaus« zum Tact der
Ruderschläge in der Zaubernacht verhallten.

Der folgende Tag war zur Rückkehr nach Yeddo bestimmt;
wir besuchten unterwegs noch Herrn de Graeff van Polsbroek, dessen
Tempel an der Landstrasse liegt. Er und alle übrigen Consuln
führten bittere Klagen über ihre in Yokuhama angesiedelten Lands-
leute, deren Anmaassung und Rücksichtslosigkeit fortwährend be-
trübende Collisionen hervorrief. Wir hatten leider schon damals
vielfach Gelegenheit uns von der Richtigkeit dieser Angaben zu über-
zeugen; nicht lange nachher kam es zum offenen Eclat. Die Japaner
sind von Natur durchaus jovial und zu freundschaftlichem Verkehr
mit den Fremden geneigt; sie fördern gern auf jede Weise deren
Vergnügen und Bequemlichkeit, sofern nur nicht gegen persönliche
Rechte oder die Sitten und Gesetze des Landes verstossen wird.
So hatte unser nächtlicher Umzug bei den Bewohnern von Kanagava
nur Aufsehn und heitere Theilnahme, aber nicht den geringsten
Anstoss erregt; die Behörden erkundigten sich am folgenden Tage
nur, welchem »O-Bunyo« denn das Fest gegolten habe.

Wir machten auf dem Heimwege im Theehause von Kavasaki,
wo Herr von Bellecourt uns einholte, einen kurzen Halt; die lustigen
Aufwärterinnen schälten eigenhändig die gesottenen Eier und steckten
sie den Gästen scherzend in den Mund, bewirtheten uns nachher
auch mit köstlichen Weintrauben. Vor Omagava bog Heusken von
dem Tokaïdo ab und führte uns über Ikegami durch Feld und Busch
auf sehr anmuthigem Wege nach der Stadt.

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[10/0030] Diner. Rückkehr nach Yeddo. VI. Vortrag der National-Hymnen und anderer heimathlichen Weisen wie immer electrisirend auf die Gäste wirkte. Nach dem Essen lockte die herrliche Nacht in das Freie; dort warteten in malerischen Gruppen die japanischen Diener der Consulate mit grossen Papier- laternen, weiss und bunt, die theils auf langen Bambusstangen, theils in der Hand getragen werden. Wir zogen mit klingendem Spiel durch die finsteren Strassen, dann die steile, von hohen Wipfeln überwölbte Treppe zum amerikanischen Consulat hinan; die bunten Laternen warfen magische Lichter auf die überhangenden Laubmassen und der Zug gewährte, von vielen Japanern begleitet und langsam die Treppe hinansteigend, ein phantastisches Bild, das gewiss Manchem unvergesslich geblieben ist. — Nachher kehrte die Musik an Bord zurück; das Meer lag spiegelglatt unter dem sternfunkelnden Fir- mament, und wir standen noch lange am Ufer, bis die letzten Klänge »Muss i’ denn, muss i’ denn zum Städtle hinaus« zum Tact der Ruderschläge in der Zaubernacht verhallten. Der folgende Tag war zur Rückkehr nach Yeddo bestimmt; wir besuchten unterwegs noch Herrn de Graeff van Polsbroek, dessen Tempel an der Landstrasse liegt. Er und alle übrigen Consuln führten bittere Klagen über ihre in Yokuhama angesiedelten Lands- leute, deren Anmaassung und Rücksichtslosigkeit fortwährend be- trübende Collisionen hervorrief. Wir hatten leider schon damals vielfach Gelegenheit uns von der Richtigkeit dieser Angaben zu über- zeugen; nicht lange nachher kam es zum offenen Eclat. Die Japaner sind von Natur durchaus jovial und zu freundschaftlichem Verkehr mit den Fremden geneigt; sie fördern gern auf jede Weise deren Vergnügen und Bequemlichkeit, sofern nur nicht gegen persönliche Rechte oder die Sitten und Gesetze des Landes verstossen wird. So hatte unser nächtlicher Umzug bei den Bewohnern von Kanagava nur Aufsehn und heitere Theilnahme, aber nicht den geringsten Anstoss erregt; die Behörden erkundigten sich am folgenden Tage nur, welchem »O-Bunyo« denn das Fest gegolten habe. Wir machten auf dem Heimwege im Theehause von Kavasaki, wo Herr von Bellecourt uns einholte, einen kurzen Halt; die lustigen Aufwärterinnen schälten eigenhändig die gesottenen Eier und steckten sie den Gästen scherzend in den Mund, bewirtheten uns nachher auch mit köstlichen Weintrauben. Vor Omagava bog Heusken von dem Tokaïdo ab und führte uns über Ikegami durch Feld und Busch auf sehr anmuthigem Wege nach der Stadt.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/30>, abgerufen am 21.11.2024.