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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Anh. II. Reise des Taikun nach Miako.
dazu noch eine Million für Ein- und Ausgangszölle, für die Mono-
polisirung aller Leistungen -- Lichterboote, Arbeiter, Ballast- und
Wasserlieferung u. s. w., so ist der Regierung für Yokuhama allein
auf jenes Jahr ein Gewinn von 14 bis 15 Millionen Itsibu's --
über 7 Millionen Thaler -- nachzurechnen. Die nähere Bekanntschaft
mit den Handelsverhältnissen erweckte bei den Kaufleuten tiefes
Bedauern über die verschobene Eröffnung von Osaka, dem Sitze
der reichsten Kaufleute, die zugleich Banquiers und Agenten der
Daimio's sind. Man wurde erst jetzt mit der Leistungsfähigkeit
des Landes bekannt und durfte annehmen, dass die Regierung des
Taikun in dem entfernten Osaka nicht im Stande wäre denselben
Druck wie in Yokuhama zu üben, wo jetzt Alles einer gewaltsamen
Crisis entgegendrängte.

Ende Januar 1863 gelangte die amtliche Mittheilung an die
Diplomaten in Yokuhama, dass der Taikun sich zu Lande, einer
seiner Minister zur See nach Osaka und Miako begeben hätten.
Im Vertrauen gestanden die Bunyo's, dass der Mikado die Ver-
treibung der Fremden allen Ernstes verlangt habe; offener Wider-
stand würde dem Taikun den Thron kosten, er ginge deshalb nach
Miako um die Sache friedlich auszugleichen und den Mikado auf
andere Wege zu bringen. Die Vertreter von England und Frank-
reich
sollen schon damals der Regierung gegen die Daimio's, deren
Machinationen sich hinter dem Auftreten des Mikado versteckten,
den Beistand ihrer Kriegsschiffe angeboten, aber die Antwort er-
halten haben, dass jeder offene Ungehorsam des Taikun gegen dessen
Befehle die Fürsten sofort von ihrem Lehnseide entbinden würde;
dass er für den Kriegsfall die feste Stellung des Kuanto, die seinem
Hause eng verbundenen Gofudai-Familien, die Leibwache der
achtzigtausend Hatamoto's und zahlreiche Soldaten für sich hätte,
welche hinreichten, seine Herrschaft zu vertheidigen und selbst das
Gebiet des Feindes anzugreifen. Der fremde Beistand sei ein
extremes Mittel; man müsse Japan einem mit Geschwüren behafteten
Körper vergleichen, deren Ausschneidung ihn vielleicht schnell
heilen, aber auch verderben könnte; man hoffe noch immer das
Uebel durch gelinde innere Mittel zu heben. -- Die Regierung
rüstete indessen mit Macht, richtete Kanonen-, Gewehr- und Re-
volverfabriken ein, schickte junge Leute nach Holland, welche den
Kern eines Ingenieur-Corps bilden sollten, befestigte die Küsten,
organisirte ihre Infanterie nach europäischem Muster und kaufte

II. 18

Anh. II. Reise des Taïkūn nach Miako.
dazu noch eine Million für Ein- und Ausgangszölle, für die Mono-
polisirung aller Leistungen — Lichterboote, Arbeiter, Ballast- und
Wasserlieferung u. s. w., so ist der Regierung für Yokuhama allein
auf jenes Jahr ein Gewinn von 14 bis 15 Millionen Itsibu’s —
über 7 Millionen Thaler — nachzurechnen. Die nähere Bekanntschaft
mit den Handelsverhältnissen erweckte bei den Kaufleuten tiefes
Bedauern über die verschobene Eröffnung von Osaka, dem Sitze
der reichsten Kaufleute, die zugleich Banquiers und Agenten der
Daïmio’s sind. Man wurde erst jetzt mit der Leistungsfähigkeit
des Landes bekannt und durfte annehmen, dass die Regierung des
Taïkūn in dem entfernten Osaka nicht im Stande wäre denselben
Druck wie in Yokuhama zu üben, wo jetzt Alles einer gewaltsamen
Crisis entgegendrängte.

Ende Januar 1863 gelangte die amtliche Mittheilung an die
Diplomaten in Yokuhama, dass der Taïkūn sich zu Lande, einer
seiner Minister zur See nach Osaka und Miako begeben hätten.
Im Vertrauen gestanden die Bunyo’s, dass der Mikado die Ver-
treibung der Fremden allen Ernstes verlangt habe; offener Wider-
stand würde dem Taïkūn den Thron kosten, er ginge deshalb nach
Miako um die Sache friedlich auszugleichen und den Mikado auf
andere Wege zu bringen. Die Vertreter von England und Frank-
reich
sollen schon damals der Regierung gegen die Daïmio’s, deren
Machinationen sich hinter dem Auftreten des Mikado versteckten,
den Beistand ihrer Kriegsschiffe angeboten, aber die Antwort er-
halten haben, dass jeder offene Ungehorsam des Taïkūn gegen dessen
Befehle die Fürsten sofort von ihrem Lehnseide entbinden würde;
dass er für den Kriegsfall die feste Stellung des Kuanto, die seinem
Hause eng verbundenen Gofudaï-Familien, die Leibwache der
achtzigtausend Hatamoto’s und zahlreiche Soldaten für sich hätte,
welche hinreichten, seine Herrschaft zu vertheidigen und selbst das
Gebiet des Feindes anzugreifen. Der fremde Beistand sei ein
extremes Mittel; man müsse Japan einem mit Geschwüren behafteten
Körper vergleichen, deren Ausschneidung ihn vielleicht schnell
heilen, aber auch verderben könnte; man hoffe noch immer das
Uebel durch gelinde innere Mittel zu heben. — Die Regierung
rüstete indessen mit Macht, richtete Kanonen-, Gewehr- und Re-
volverfabriken ein, schickte junge Leute nach Holland, welche den
Kern eines Ingenieur-Corps bilden sollten, befestigte die Küsten,
organisirte ihre Infanterie nach europäischem Muster und kaufte

II. 18
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[273/0293] Anh. II. Reise des Taïkūn nach Miako. dazu noch eine Million für Ein- und Ausgangszölle, für die Mono- polisirung aller Leistungen — Lichterboote, Arbeiter, Ballast- und Wasserlieferung u. s. w., so ist der Regierung für Yokuhama allein auf jenes Jahr ein Gewinn von 14 bis 15 Millionen Itsibu’s — über 7 Millionen Thaler — nachzurechnen. Die nähere Bekanntschaft mit den Handelsverhältnissen erweckte bei den Kaufleuten tiefes Bedauern über die verschobene Eröffnung von Osaka, dem Sitze der reichsten Kaufleute, die zugleich Banquiers und Agenten der Daïmio’s sind. Man wurde erst jetzt mit der Leistungsfähigkeit des Landes bekannt und durfte annehmen, dass die Regierung des Taïkūn in dem entfernten Osaka nicht im Stande wäre denselben Druck wie in Yokuhama zu üben, wo jetzt Alles einer gewaltsamen Crisis entgegendrängte. Ende Januar 1863 gelangte die amtliche Mittheilung an die Diplomaten in Yokuhama, dass der Taïkūn sich zu Lande, einer seiner Minister zur See nach Osaka und Miako begeben hätten. Im Vertrauen gestanden die Bunyo’s, dass der Mikado die Ver- treibung der Fremden allen Ernstes verlangt habe; offener Wider- stand würde dem Taïkūn den Thron kosten, er ginge deshalb nach Miako um die Sache friedlich auszugleichen und den Mikado auf andere Wege zu bringen. Die Vertreter von England und Frank- reich sollen schon damals der Regierung gegen die Daïmio’s, deren Machinationen sich hinter dem Auftreten des Mikado versteckten, den Beistand ihrer Kriegsschiffe angeboten, aber die Antwort er- halten haben, dass jeder offene Ungehorsam des Taïkūn gegen dessen Befehle die Fürsten sofort von ihrem Lehnseide entbinden würde; dass er für den Kriegsfall die feste Stellung des Kuanto, die seinem Hause eng verbundenen Gofudaï-Familien, die Leibwache der achtzigtausend Hatamoto’s und zahlreiche Soldaten für sich hätte, welche hinreichten, seine Herrschaft zu vertheidigen und selbst das Gebiet des Feindes anzugreifen. Der fremde Beistand sei ein extremes Mittel; man müsse Japan einem mit Geschwüren behafteten Körper vergleichen, deren Ausschneidung ihn vielleicht schnell heilen, aber auch verderben könnte; man hoffe noch immer das Uebel durch gelinde innere Mittel zu heben. — Die Regierung rüstete indessen mit Macht, richtete Kanonen-, Gewehr- und Re- volverfabriken ein, schickte junge Leute nach Holland, welche den Kern eines Ingenieur-Corps bilden sollten, befestigte die Küsten, organisirte ihre Infanterie nach europäischem Muster und kaufte II. 18

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/293>, abgerufen am 22.11.2024.