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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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XI. Stellung der Fremden. Wachsamkeit der Japaner.
begeben; er genoss auf den Hofreisen fürstlicher Ehren und wurde
zur Gegenwart des Siogun zugelassen. Auch die Aerzte erfreuten sich
als Diener der Wissenschaft grosser Achtung und erhielten in Yeddo
Besuche von gelehrten und vornehmen Männern. So war es be-
sonders für diese beiden Classen leichter als für die heutigen Kauf-
leute, mit Japanern von Bildung Verkehr anzuknüpfen, und wo
das erst geschah, trat der persönliche Werth immer bald in seine
Rechte. Bei näherem unbefangenem Umgang sind wohl auch heut
die einer erspriesslichen Entwickelung so schädlichen Vorurtheile
häufig auf beiden Seiten geschwunden.

Einnehmende, bedeutende Persönlichkeiten haben in Japan
niemals verfehlt grossen Einfluss zu üben, wie in neuerer Zeit
die Erfolge der Herren Donker Curtius, Harris und Heusken
bewiesen. Ersterem gelang es durch seinen persönlichen Einfluss
leicht, die Abschaffung des zweihundertjährigen Gebrauches der
Kreuztretung bei den Japanern durchzusetzen, welcher bis dahin in
und bei Nangasaki gegen Ende Februar regelmässig mit grosser
Pünctlichkeit begangen wurde. -- Bei unserer Anwesenheit hiess
es, dass die Japaner ihn nach der Abreise des niederländischen
Commissars, die nicht lange zuvor erfolgt war, wieder eingeführt
hätten, -- was sich hoffentlich nicht bestätigen wird.

So erklärlich und politisch begründet die Verbannung des
Christenthumes im 17. Jahrhundert, so kleinlich und lächerlich
erscheint die bis zur Zeit der Aufschliessung sehr lebhafte und noch
heute nicht ganz beseitigte Angst der Japaner, dass sich christliche
Priester in das Land schleichen, oder Nachrichten über japanische
Zustände nach Europa gelangen könnten. Die Behörden verhin-
derten die Erlernung der Landessprache auf jede Weise. Wenn
Schiffe vor Nangasaki lagen, wurde Abends die ganze Mannschaft
gemustert und aufgeschrieben, dann das Schiff versiegelt, die Nacht
durch bewacht und Morgens die Mannschaft wieder durchgezählt.
Einst war während Kämpfer's Anwesenheit ein Matrose ertrunken,
ohne dass jemand es wusste; das Entsetzen der Japaner bei der
Entdeckung, dass Einer fehlte, soll gränzenloss gewesen sein; man
fürchtete, ein verkleideter Priester wäre auf das Land entwischt,
und die Wächter machten schon Anstalt sich aufzuschlitzen, als
man den Unglücklichen aus dem Wasser zog. Thunberg berichtet
einen ähnlichen Fall. Die Schiffe mussten bei ihrer Ankunft die
von den Behörden in Batavia beglaubigten Musterrollen alles

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XI. Stellung der Fremden. Wachsamkeit der Japaner.
begeben; er genoss auf den Hofreisen fürstlicher Ehren und wurde
zur Gegenwart des Siogun zugelassen. Auch die Aerzte erfreuten sich
als Diener der Wissenschaft grosser Achtung und erhielten in Yeddo
Besuche von gelehrten und vornehmen Männern. So war es be-
sonders für diese beiden Classen leichter als für die heutigen Kauf-
leute, mit Japanern von Bildung Verkehr anzuknüpfen, und wo
das erst geschah, trat der persönliche Werth immer bald in seine
Rechte. Bei näherem unbefangenem Umgang sind wohl auch heut
die einer erspriesslichen Entwickelung so schädlichen Vorurtheile
häufig auf beiden Seiten geschwunden.

Einnehmende, bedeutende Persönlichkeiten haben in Japan
niemals verfehlt grossen Einfluss zu üben, wie in neuerer Zeit
die Erfolge der Herren Donker Curtius, Harris und Heusken
bewiesen. Ersterem gelang es durch seinen persönlichen Einfluss
leicht, die Abschaffung des zweihundertjährigen Gebrauches der
Kreuztretung bei den Japanern durchzusetzen, welcher bis dahin in
und bei Naṅgasaki gegen Ende Februar regelmässig mit grosser
Pünctlichkeit begangen wurde. — Bei unserer Anwesenheit hiess
es, dass die Japaner ihn nach der Abreise des niederländischen
Commissars, die nicht lange zuvor erfolgt war, wieder eingeführt
hätten, — was sich hoffentlich nicht bestätigen wird.

So erklärlich und politisch begründet die Verbannung des
Christenthumes im 17. Jahrhundert, so kleinlich und lächerlich
erscheint die bis zur Zeit der Aufschliessung sehr lebhafte und noch
heute nicht ganz beseitigte Angst der Japaner, dass sich christliche
Priester in das Land schleichen, oder Nachrichten über japanische
Zustände nach Europa gelangen könnten. Die Behörden verhin-
derten die Erlernung der Landessprache auf jede Weise. Wenn
Schiffe vor Naṅgasaki lagen, wurde Abends die ganze Mannschaft
gemustert und aufgeschrieben, dann das Schiff versiegelt, die Nacht
durch bewacht und Morgens die Mannschaft wieder durchgezählt.
Einst war während Kämpfer’s Anwesenheit ein Matrose ertrunken,
ohne dass jemand es wusste; das Entsetzen der Japaner bei der
Entdeckung, dass Einer fehlte, soll gränzenloss gewesen sein; man
fürchtete, ein verkleideter Priester wäre auf das Land entwischt,
und die Wächter machten schon Anstalt sich aufzuschlitzen, als
man den Unglücklichen aus dem Wasser zog. Thunberg berichtet
einen ähnlichen Fall. Die Schiffe mussten bei ihrer Ankunft die
von den Behörden in Batavia beglaubigten Musterrollen alles

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[211/0231] XI. Stellung der Fremden. Wachsamkeit der Japaner. begeben; er genoss auf den Hofreisen fürstlicher Ehren und wurde zur Gegenwart des Siogun zugelassen. Auch die Aerzte erfreuten sich als Diener der Wissenschaft grosser Achtung und erhielten in Yeddo Besuche von gelehrten und vornehmen Männern. So war es be- sonders für diese beiden Classen leichter als für die heutigen Kauf- leute, mit Japanern von Bildung Verkehr anzuknüpfen, und wo das erst geschah, trat der persönliche Werth immer bald in seine Rechte. Bei näherem unbefangenem Umgang sind wohl auch heut die einer erspriesslichen Entwickelung so schädlichen Vorurtheile häufig auf beiden Seiten geschwunden. Einnehmende, bedeutende Persönlichkeiten haben in Japan niemals verfehlt grossen Einfluss zu üben, wie in neuerer Zeit die Erfolge der Herren Donker Curtius, Harris und Heusken bewiesen. Ersterem gelang es durch seinen persönlichen Einfluss leicht, die Abschaffung des zweihundertjährigen Gebrauches der Kreuztretung bei den Japanern durchzusetzen, welcher bis dahin in und bei Naṅgasaki gegen Ende Februar regelmässig mit grosser Pünctlichkeit begangen wurde. — Bei unserer Anwesenheit hiess es, dass die Japaner ihn nach der Abreise des niederländischen Commissars, die nicht lange zuvor erfolgt war, wieder eingeführt hätten, — was sich hoffentlich nicht bestätigen wird. So erklärlich und politisch begründet die Verbannung des Christenthumes im 17. Jahrhundert, so kleinlich und lächerlich erscheint die bis zur Zeit der Aufschliessung sehr lebhafte und noch heute nicht ganz beseitigte Angst der Japaner, dass sich christliche Priester in das Land schleichen, oder Nachrichten über japanische Zustände nach Europa gelangen könnten. Die Behörden verhin- derten die Erlernung der Landessprache auf jede Weise. Wenn Schiffe vor Naṅgasaki lagen, wurde Abends die ganze Mannschaft gemustert und aufgeschrieben, dann das Schiff versiegelt, die Nacht durch bewacht und Morgens die Mannschaft wieder durchgezählt. Einst war während Kämpfer’s Anwesenheit ein Matrose ertrunken, ohne dass jemand es wusste; das Entsetzen der Japaner bei der Entdeckung, dass Einer fehlte, soll gränzenloss gewesen sein; man fürchtete, ein verkleideter Priester wäre auf das Land entwischt, und die Wächter machten schon Anstalt sich aufzuschlitzen, als man den Unglücklichen aus dem Wasser zog. Thunberg berichtet einen ähnlichen Fall. Die Schiffe mussten bei ihrer Ankunft die von den Behörden in Batavia beglaubigten Musterrollen alles 14*

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/231>, abgerufen am 24.11.2024.