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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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XI. Leben der Holländer auf Desima.
berühmten mit der kolossalen Statue des Dai-buds besuchen, an
der sich Taiko-sama's Sohn Fide-yori auf Anordnung des Jyeyas
zu Grunde richten musste. Sie machten in Miako und Osaka immer
bedeutende Einkäufe, scheinen auch etwas Schleichandel mit aus-
ländischen Kostbarkeiten getrieben zu haben; wenigstens musste seit
Entdeckung der künstlichen Schmuggel-Einrichtungen auf dem 1772
bei den Goto-Inseln gestrandeten Schiff immer eine ganze Schaar
Zollbeamten die Handelsvorsteher auf ihren Hofreisen bewachen.
Auch Conspirationen mit den Landesfürten sollen vorgekommen sein
und es mag sich da mancher kleine Roman abgespielt haben, der
nie an das Tageslicht kam; so auch auf Desima selbst, wo die Rei-
senden im Mai wieder einzutreffen pflegten. -- Im Sommer wurden
die Eingeschlossenen auf Befehl des Statthalters regelmässig einmal
in der Umgebung von Nangasaki spazieren geführt, mussten aber
bei dieser Gelegenheit ihr zahlreiches Gefolge von Dolmetschern
und Aufsehern festlich bewirthen. Zu Zeiten durften sie unter
starker Bedeckung den Aufzügen und Maskeraden am Jahrestage
des Suwa, des Schutzpatrons von Nangasaki beiwohnen, welche
besonders Kämpfer sehr ergötzlich beschreibt.

An kleinen Aufregungen und Stoff zur Unterhaltung scheint
es auch während der stillen Zeit auf Desima nicht gefehlt zu haben.
Kämpfer's Tagebuch spricht auf jeder Seite von eingefangenen Die-
ben, Japanern die Morgens mit abgeschnittenen Kehlen auf den
Strassen des Inselchens gefunden werden, Schleichändlern die man
lebendig oder, wenn sie Harakiru begangen, gepökelt einbringt,
Schmugglern, die sich "boshafter Weise" die Zunge abbeissen um
ihre Genossen nicht zu verrathen, von Spitzbübereien der Chinesen
und mehr solcher Erbaulichkeiten. Ein Bedienter schlitzt sich wegen
Ehrenkränkung den Bauch auf, ein anderer die Kehle, weil er keine
Genugthuung erlangen kann; einen Tag werden dreizehn Schmuggler
an das Kreuz geschlagen, den nächsten eine noch grössere Zahl
geköpft; -- das sind so die Tagesneuigkeiten. -- Kämpfer's Anwesen-
heit fällt freilich in die Blüthezeit des Schleichhandels, der erst seit
den Bedrückungen von 1672 in Schwang gekommen zu sein scheint.
Er und andere holländische Schriftsteller suchen die Ursache dieser
ersten Beschränkung, welche alle späteren nach sich zog, in einer
Zufälligkeit. Ein einflussreicher Minister Mino-sama, der die Auf-
sicht über den fremden Handel führte, bestellt bei den Holländern
einen kostbaren Kronleuchter, um ihn seinem Herrn, dem Siogun

XI. Leben der Holländer auf Desima.
berühmten mit der kolossalen Statue des Daï-buds besuchen, an
der sich Taïko-sama’s Sohn Fide-yori auf Anordnung des Jyeyas
zu Grunde richten musste. Sie machten in Miako und Osaka immer
bedeutende Einkäufe, scheinen auch etwas Schleichandel mit aus-
ländischen Kostbarkeiten getrieben zu haben; wenigstens musste seit
Entdeckung der künstlichen Schmuggel-Einrichtungen auf dem 1772
bei den Goto-Inseln gestrandeten Schiff immer eine ganze Schaar
Zollbeamten die Handelsvorsteher auf ihren Hofreisen bewachen.
Auch Conspirationen mit den Landesfürten sollen vorgekommen sein
und es mag sich da mancher kleine Roman abgespielt haben, der
nie an das Tageslicht kam; so auch auf Desima selbst, wo die Rei-
senden im Mai wieder einzutreffen pflegten. — Im Sommer wurden
die Eingeschlossenen auf Befehl des Statthalters regelmässig einmal
in der Umgebung von Naṅgasaki spazieren geführt, mussten aber
bei dieser Gelegenheit ihr zahlreiches Gefolge von Dolmetschern
und Aufsehern festlich bewirthen. Zu Zeiten durften sie unter
starker Bedeckung den Aufzügen und Maskeraden am Jahrestage
des Suwa, des Schutzpatrons von Naṅgasaki beiwohnen, welche
besonders Kämpfer sehr ergötzlich beschreibt.

An kleinen Aufregungen und Stoff zur Unterhaltung scheint
es auch während der stillen Zeit auf Desima nicht gefehlt zu haben.
Kämpfer’s Tagebuch spricht auf jeder Seite von eingefangenen Die-
ben, Japanern die Morgens mit abgeschnittenen Kehlen auf den
Strassen des Inselchens gefunden werden, Schleichändlern die man
lebendig oder, wenn sie Harakiru begangen, gepökelt einbringt,
Schmugglern, die sich »boshafter Weise« die Zunge abbeissen um
ihre Genossen nicht zu verrathen, von Spitzbübereien der Chinesen
und mehr solcher Erbaulichkeiten. Ein Bedienter schlitzt sich wegen
Ehrenkränkung den Bauch auf, ein anderer die Kehle, weil er keine
Genugthuung erlangen kann; einen Tag werden dreizehn Schmuggler
an das Kreuz geschlagen, den nächsten eine noch grössere Zahl
geköpft; — das sind so die Tagesneuigkeiten. — Kämpfer’s Anwesen-
heit fällt freilich in die Blüthezeit des Schleichhandels, der erst seit
den Bedrückungen von 1672 in Schwang gekommen zu sein scheint.
Er und andere holländische Schriftsteller suchen die Ursache dieser
ersten Beschränkung, welche alle späteren nach sich zog, in einer
Zufälligkeit. Ein einflussreicher Minister Mino-sama, der die Auf-
sicht über den fremden Handel führte, bestellt bei den Holländern
einen kostbaren Kronleuchter, um ihn seinem Herrn, dem Siogun

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[207/0227] XI. Leben der Holländer auf Desima. berühmten mit der kolossalen Statue des Daï-buds besuchen, an der sich Taïko-sama’s Sohn Fide-yori auf Anordnung des Jyeyas zu Grunde richten musste. Sie machten in Miako und Osaka immer bedeutende Einkäufe, scheinen auch etwas Schleichandel mit aus- ländischen Kostbarkeiten getrieben zu haben; wenigstens musste seit Entdeckung der künstlichen Schmuggel-Einrichtungen auf dem 1772 bei den Goto-Inseln gestrandeten Schiff immer eine ganze Schaar Zollbeamten die Handelsvorsteher auf ihren Hofreisen bewachen. Auch Conspirationen mit den Landesfürten sollen vorgekommen sein und es mag sich da mancher kleine Roman abgespielt haben, der nie an das Tageslicht kam; so auch auf Desima selbst, wo die Rei- senden im Mai wieder einzutreffen pflegten. — Im Sommer wurden die Eingeschlossenen auf Befehl des Statthalters regelmässig einmal in der Umgebung von Naṅgasaki spazieren geführt, mussten aber bei dieser Gelegenheit ihr zahlreiches Gefolge von Dolmetschern und Aufsehern festlich bewirthen. Zu Zeiten durften sie unter starker Bedeckung den Aufzügen und Maskeraden am Jahrestage des Suwa, des Schutzpatrons von Naṅgasaki beiwohnen, welche besonders Kämpfer sehr ergötzlich beschreibt. An kleinen Aufregungen und Stoff zur Unterhaltung scheint es auch während der stillen Zeit auf Desima nicht gefehlt zu haben. Kämpfer’s Tagebuch spricht auf jeder Seite von eingefangenen Die- ben, Japanern die Morgens mit abgeschnittenen Kehlen auf den Strassen des Inselchens gefunden werden, Schleichändlern die man lebendig oder, wenn sie Harakiru begangen, gepökelt einbringt, Schmugglern, die sich »boshafter Weise« die Zunge abbeissen um ihre Genossen nicht zu verrathen, von Spitzbübereien der Chinesen und mehr solcher Erbaulichkeiten. Ein Bedienter schlitzt sich wegen Ehrenkränkung den Bauch auf, ein anderer die Kehle, weil er keine Genugthuung erlangen kann; einen Tag werden dreizehn Schmuggler an das Kreuz geschlagen, den nächsten eine noch grössere Zahl geköpft; — das sind so die Tagesneuigkeiten. — Kämpfer’s Anwesen- heit fällt freilich in die Blüthezeit des Schleichhandels, der erst seit den Bedrückungen von 1672 in Schwang gekommen zu sein scheint. Er und andere holländische Schriftsteller suchen die Ursache dieser ersten Beschränkung, welche alle späteren nach sich zog, in einer Zufälligkeit. Ein einflussreicher Minister Mino-sama, der die Auf- sicht über den fremden Handel führte, bestellt bei den Holländern einen kostbaren Kronleuchter, um ihn seinem Herrn, dem Siogun

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/227>, abgerufen am 22.11.2024.