[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.X. Aussichten des Weltverkehrs. sich das Bedürfniss nach diplomatischer Vertretung und kräftigemSchutze für uns mehr und mehr geltend. Der gegenwärtige Zeitraum bezeichnet den Anfang von Deutschlands civilisato- rischer Thätigkeit im Grossen, deren Entwickelung ein weltge- schichtliches Hauptmoment der nächsten Jahrhunderte werden wird, wenn seine Bewohner zu politischer Einheit, zum Vollbewusstsein ihres Berufes und ihrer Kraft gelangen. Die Deutschen sind unter den grossen Culturvölkern das letzte, welches in den Weltverkehr eingetreten ist; sie übernehmen als weltgeschichtlichen Beruf die Erbschaft der seefahrenden Nationen, welche Grosses zur Verbrei- tung der christlichen Cultur über den Erdball geleistet haben. Nicht Uebervölkerung, Abentheuerlust oder die Leichtigkeit des Seever- kehrs treiben sie hinaus, -- denn noch hat Deutschland Raum für seine Söhne, und die hafenarmen wenig ausgedehnten Küsten setzen der Seefahrt eher Schwierigkeiten entgegen, -- sondern die innere Lebenskraft der Nation, welche in der langen Friedenszeit endlich zur vollen Entwickelung gediehen ist, und der unbewusste Beruf, germanischer Bildung, der schönsten Frucht der modernen Geschichte, Ausbreitung und Geltung zu verschaffen. Dieser Beruf liegt in der Natur unseres Volkes. Deutsche Wissenschaft und Aufklärung haben seit Jahrhunderten ihren stillen Einfluss auf die Culturstaaten Europa's geübt und seit lange überall als treibende Hefe des geisti- gen Lebens gewirkt; aber verheerende Kriege, die politische Zer- stückelung, die Fremdherrschaft und andere störende Elemente liessen niemals den vollen Aufschwung der materiellen Kraft des Landes, die allgemeine Verbreitung von Wohlstand und Bildung zu, welche nur ein langer Frieden unter weisem Regiment herbei- führt. Heute kann das deutsche Volk sich rühmen, an sittlicher und geistiger Reife über allen anderen zu stehen und die materiellen Hülfsmittel zu besitzen, welche jede Wirksamkeit nach aussen for- dert. Die Deutschen -- und vorzüglich die Norddeutschen -- sind durch alle Länder verbreitet; ihre Stellung im Weltverkehr, ihr Einfluss und ihre Bedürfnisse werden leider nur von Denjenigen recht gewürdigt, die einige Zeit in fernen Welttheilen gelebt haben. Deutsche Gelehrte wirken in allen civilisirten Ländern; Musik, die sittlich wirksamste unter den Künsten, wird überall, wohin Europäer gedrungen sind, von Deutschen geübt und gelehrt; der Fleiss und die Stätigkeit des deutschen Arbeiters bricht sich in allen Welttheilen Bahn. Man macht unseren Landsleuten mit einigem X. Aussichten des Weltverkehrs. sich das Bedürfniss nach diplomatischer Vertretung und kräftigemSchutze für uns mehr und mehr geltend. Der gegenwärtige Zeitraum bezeichnet den Anfang von Deutschlands civilisato- rischer Thätigkeit im Grossen, deren Entwickelung ein weltge- schichtliches Hauptmoment der nächsten Jahrhunderte werden wird, wenn seine Bewohner zu politischer Einheit, zum Vollbewusstsein ihres Berufes und ihrer Kraft gelangen. Die Deutschen sind unter den grossen Culturvölkern das letzte, welches in den Weltverkehr eingetreten ist; sie übernehmen als weltgeschichtlichen Beruf die Erbschaft der seefahrenden Nationen, welche Grosses zur Verbrei- tung der christlichen Cultur über den Erdball geleistet haben. Nicht Uebervölkerung, Abentheuerlust oder die Leichtigkeit des Seever- kehrs treiben sie hinaus, — denn noch hat Deutschland Raum für seine Söhne, und die hafenarmen wenig ausgedehnten Küsten setzen der Seefahrt eher Schwierigkeiten entgegen, — sondern die innere Lebenskraft der Nation, welche in der langen Friedenszeit endlich zur vollen Entwickelung gediehen ist, und der unbewusste Beruf, germanischer Bildung, der schönsten Frucht der modernen Geschichte, Ausbreitung und Geltung zu verschaffen. Dieser Beruf liegt in der Natur unseres Volkes. Deutsche Wissenschaft und Aufklärung haben seit Jahrhunderten ihren stillen Einfluss auf die Culturstaaten Europa’s geübt und seit lange überall als treibende Hefe des geisti- gen Lebens gewirkt; aber verheerende Kriege, die politische Zer- stückelung, die Fremdherrschaft und andere störende Elemente liessen niemals den vollen Aufschwung der materiellen Kraft des Landes, die allgemeine Verbreitung von Wohlstand und Bildung zu, welche nur ein langer Frieden unter weisem Regiment herbei- führt. Heute kann das deutsche Volk sich rühmen, an sittlicher und geistiger Reife über allen anderen zu stehen und die materiellen Hülfsmittel zu besitzen, welche jede Wirksamkeit nach aussen for- dert. Die Deutschen — und vorzüglich die Norddeutschen — sind durch alle Länder verbreitet; ihre Stellung im Weltverkehr, ihr Einfluss und ihre Bedürfnisse werden leider nur von Denjenigen recht gewürdigt, die einige Zeit in fernen Welttheilen gelebt haben. Deutsche Gelehrte wirken in allen civilisirten Ländern; Musik, die sittlich wirksamste unter den Künsten, wird überall, wohin Europäer gedrungen sind, von Deutschen geübt und gelehrt; der Fleiss und die Stätigkeit des deutschen Arbeiters bricht sich in allen Welttheilen Bahn. Man macht unseren Landsleuten mit einigem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0185" n="165"/><fw place="top" type="header">X. Aussichten des Weltverkehrs.</fw><lb/> sich das Bedürfniss nach diplomatischer Vertretung und kräftigem<lb/> Schutze für uns mehr und mehr geltend. Der gegenwärtige<lb/> Zeitraum bezeichnet den Anfang von <choice><sic>Deutchslands</sic><corr><placeName>Deutschlands</placeName></corr></choice> civilisato-<lb/> rischer Thätigkeit im Grossen, deren Entwickelung ein weltge-<lb/> schichtliches Hauptmoment der nächsten Jahrhunderte werden wird,<lb/> wenn seine Bewohner zu politischer Einheit, zum Vollbewusstsein<lb/> ihres Berufes und ihrer Kraft gelangen. Die Deutschen sind unter<lb/> den grossen Culturvölkern das letzte, welches in den Weltverkehr<lb/> eingetreten ist; sie übernehmen als weltgeschichtlichen Beruf die<lb/> Erbschaft der seefahrenden Nationen, welche Grosses zur Verbrei-<lb/> tung der christlichen Cultur über den Erdball geleistet haben. Nicht<lb/> Uebervölkerung, Abentheuerlust oder die Leichtigkeit des Seever-<lb/> kehrs treiben sie hinaus, — denn noch hat <placeName>Deutschland</placeName> Raum für<lb/> seine Söhne, und die hafenarmen wenig ausgedehnten Küsten setzen<lb/> der Seefahrt eher Schwierigkeiten entgegen, — sondern die innere<lb/> Lebenskraft der Nation, welche in der langen Friedenszeit endlich<lb/> zur vollen Entwickelung gediehen ist, und der unbewusste Beruf,<lb/> germanischer Bildung, der schönsten Frucht der modernen Geschichte,<lb/> Ausbreitung und Geltung zu verschaffen. Dieser Beruf liegt in der<lb/> Natur unseres Volkes. Deutsche Wissenschaft und Aufklärung haben<lb/> seit Jahrhunderten ihren <hi rendition="#g">stillen</hi> Einfluss auf die Culturstaaten<lb/><placeName>Europa’s</placeName> geübt und seit lange überall als treibende Hefe des geisti-<lb/> gen Lebens gewirkt; aber verheerende Kriege, die politische Zer-<lb/> stückelung, die Fremdherrschaft und andere störende Elemente<lb/> liessen niemals den vollen Aufschwung der materiellen Kraft des<lb/> Landes, die <hi rendition="#g">allgemeine</hi> Verbreitung von Wohlstand und Bildung<lb/> zu, welche nur ein langer Frieden unter weisem Regiment herbei-<lb/> führt. Heute kann das deutsche Volk sich rühmen, an sittlicher<lb/> und geistiger Reife über allen anderen zu stehen und die materiellen<lb/> Hülfsmittel zu besitzen, welche jede Wirksamkeit nach aussen for-<lb/> dert. Die Deutschen — und vorzüglich die Norddeutschen — sind<lb/> durch alle Länder verbreitet; ihre Stellung im Weltverkehr, ihr<lb/> Einfluss und ihre Bedürfnisse werden leider nur von Denjenigen<lb/> recht gewürdigt, die einige Zeit in fernen Welttheilen gelebt haben.<lb/> Deutsche Gelehrte wirken in allen civilisirten Ländern; Musik,<lb/> die sittlich wirksamste unter den Künsten, wird überall, wohin<lb/> Europäer gedrungen sind, von Deutschen geübt und gelehrt; der<lb/> Fleiss und die Stätigkeit des deutschen Arbeiters bricht sich in allen<lb/> Welttheilen Bahn. Man macht unseren Landsleuten mit einigem<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [165/0185]
X. Aussichten des Weltverkehrs.
sich das Bedürfniss nach diplomatischer Vertretung und kräftigem
Schutze für uns mehr und mehr geltend. Der gegenwärtige
Zeitraum bezeichnet den Anfang von Deutschlands civilisato-
rischer Thätigkeit im Grossen, deren Entwickelung ein weltge-
schichtliches Hauptmoment der nächsten Jahrhunderte werden wird,
wenn seine Bewohner zu politischer Einheit, zum Vollbewusstsein
ihres Berufes und ihrer Kraft gelangen. Die Deutschen sind unter
den grossen Culturvölkern das letzte, welches in den Weltverkehr
eingetreten ist; sie übernehmen als weltgeschichtlichen Beruf die
Erbschaft der seefahrenden Nationen, welche Grosses zur Verbrei-
tung der christlichen Cultur über den Erdball geleistet haben. Nicht
Uebervölkerung, Abentheuerlust oder die Leichtigkeit des Seever-
kehrs treiben sie hinaus, — denn noch hat Deutschland Raum für
seine Söhne, und die hafenarmen wenig ausgedehnten Küsten setzen
der Seefahrt eher Schwierigkeiten entgegen, — sondern die innere
Lebenskraft der Nation, welche in der langen Friedenszeit endlich
zur vollen Entwickelung gediehen ist, und der unbewusste Beruf,
germanischer Bildung, der schönsten Frucht der modernen Geschichte,
Ausbreitung und Geltung zu verschaffen. Dieser Beruf liegt in der
Natur unseres Volkes. Deutsche Wissenschaft und Aufklärung haben
seit Jahrhunderten ihren stillen Einfluss auf die Culturstaaten
Europa’s geübt und seit lange überall als treibende Hefe des geisti-
gen Lebens gewirkt; aber verheerende Kriege, die politische Zer-
stückelung, die Fremdherrschaft und andere störende Elemente
liessen niemals den vollen Aufschwung der materiellen Kraft des
Landes, die allgemeine Verbreitung von Wohlstand und Bildung
zu, welche nur ein langer Frieden unter weisem Regiment herbei-
führt. Heute kann das deutsche Volk sich rühmen, an sittlicher
und geistiger Reife über allen anderen zu stehen und die materiellen
Hülfsmittel zu besitzen, welche jede Wirksamkeit nach aussen for-
dert. Die Deutschen — und vorzüglich die Norddeutschen — sind
durch alle Länder verbreitet; ihre Stellung im Weltverkehr, ihr
Einfluss und ihre Bedürfnisse werden leider nur von Denjenigen
recht gewürdigt, die einige Zeit in fernen Welttheilen gelebt haben.
Deutsche Gelehrte wirken in allen civilisirten Ländern; Musik,
die sittlich wirksamste unter den Künsten, wird überall, wohin
Europäer gedrungen sind, von Deutschen geübt und gelehrt; der
Fleiss und die Stätigkeit des deutschen Arbeiters bricht sich in allen
Welttheilen Bahn. Man macht unseren Landsleuten mit einigem
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |