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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Vermuthungen über Heuskens Ermordung. X.
schon lange zum Opfer ausersehen gewesen sei; wahrscheinlich aber
beabsichtigten die Bravo's überhaupt nur einen Ausländer umzubrin-
gen, und fanden dazu in Heuskens täglichen Gewohnheiten die beste
Gelegenheit. Er ritt alle Abend, etwas früher oder später, von
Akabane auf demselben Wege nach Hause. Die Mörder hatten sich
an der günstigsten Stelle in Hinterhalt gelegt und konnten ihr Opfer
mit Sicherheit erwarten. Damals fiel es niemand ein, Heuskens Tod
mit dem Ende Hori Oribe-no-kami's in Verbindung zu bringen; über
letzteres waren verschiedene Gerüchte in Umlauf. Es wurde bald
zu dem preussischen Vertrage, bald zu Natale's Verwundung in
Beziehung gebracht; bald sollte sich Hori im Staatsrath zu günstig,
bald zu scharf über die Fremden geäussert, in Folge dessen aber
seine Entlassung erhalten, und, dadurch entehrt, sogleich Hand an
sich gelegt haben. Dass er wirklich Harakiru beging wird allge-
mein angenommen; aber die Veranlassung, die man der That später
unterlegte, ist mit unseren Erlebnissen nicht in Einklang zu bringen.
Der Leser erinnert sich aus einem früheren Abschnitt dieser Erzäh-
lung, dass Graf Eulenburg sich an einem October-Abend, durch
hellen Feuerschein gelockt, mit seinen Begleitern unter Heuskens
Führung noch spät auf den Weg nach der Brandstätte machte.
Die Bunyo's baten damals den Grafen auf das dringendste bei Feuer-
lärm niemals auf die Strasse zu gehen, und Hori schrieb noch be-
sonders eindringlich an Heusken, er möchte doch auf seine War-
nungen endlich hören und weder den preussischen Gesandten noch
sich selbst so grossen Gefahren aussetzen. Heusken, den die unab-
lässigen Vorspiegelungen einer Gefahr, an die er nicht glaubte, ver-
drossen, erwiderte diesen Brief in etwas derben Worten, zeigte aber
seine Antwort vor der Absendung Herrn Harris, und milderte auf
dessen Wunsch noch die Schärfe des Ausdrucks. Trotzdem sollte
das Schreiben Hori dermaassen verletzt haben, dass er in der Ent-
rüstung von dem Gorodzio Heuskens Tod, oder wenigstens dessen
Landesverweisung gefordert, auf dessen Weigerung aber, nach
japanischen Begriffen entehrt, das Harakiru vollzogen hätte. --
Jener Brand fand am 11. October statt und wir sahen Hori zuletzt
am 13. December; in dieser Zeit verkehrten die beiden Heimgegan-
genen beständig auf der preussischen und der amerikanischen Gesandt-
schaft mit einander ohne dass irgend eine Verstimmung an ihnen
wahrgenommen wurde. Im Gegentheil war das Verhältniss der
freundschaftlichsten Art; Heusken gehörte, wenn auch zuweilen

Vermuthungen über Heuskens Ermordung. X.
schon lange zum Opfer ausersehen gewesen sei; wahrscheinlich aber
beabsichtigten die Bravo’s überhaupt nur einen Ausländer umzubrin-
gen, und fanden dazu in Heuskens täglichen Gewohnheiten die beste
Gelegenheit. Er ritt alle Abend, etwas früher oder später, von
Akabane auf demselben Wege nach Hause. Die Mörder hatten sich
an der günstigsten Stelle in Hinterhalt gelegt und konnten ihr Opfer
mit Sicherheit erwarten. Damals fiel es niemand ein, Heuskens Tod
mit dem Ende Hori Oribe-no-kami’s in Verbindung zu bringen; über
letzteres waren verschiedene Gerüchte in Umlauf. Es wurde bald
zu dem preussischen Vertrage, bald zu Natale’s Verwundung in
Beziehung gebracht; bald sollte sich Hori im Staatsrath zu günstig,
bald zu scharf über die Fremden geäussert, in Folge dessen aber
seine Entlassung erhalten, und, dadurch entehrt, sogleich Hand an
sich gelegt haben. Dass er wirklich Harakiru beging wird allge-
mein angenommen; aber die Veranlassung, die man der That später
unterlegte, ist mit unseren Erlebnissen nicht in Einklang zu bringen.
Der Leser erinnert sich aus einem früheren Abschnitt dieser Erzäh-
lung, dass Graf Eulenburg sich an einem October-Abend, durch
hellen Feuerschein gelockt, mit seinen Begleitern unter Heuskens
Führung noch spät auf den Weg nach der Brandstätte machte.
Die Bunyo’s baten damals den Grafen auf das dringendste bei Feuer-
lärm niemals auf die Strasse zu gehen, und Hori schrieb noch be-
sonders eindringlich an Heusken, er möchte doch auf seine War-
nungen endlich hören und weder den preussischen Gesandten noch
sich selbst so grossen Gefahren aussetzen. Heusken, den die unab-
lässigen Vorspiegelungen einer Gefahr, an die er nicht glaubte, ver-
drossen, erwiderte diesen Brief in etwas derben Worten, zeigte aber
seine Antwort vor der Absendung Herrn Harris, und milderte auf
dessen Wunsch noch die Schärfe des Ausdrucks. Trotzdem sollte
das Schreiben Hori dermaassen verletzt haben, dass er in der Ent-
rüstung von dem Gorodžio Heuskens Tod, oder wenigstens dessen
Landesverweisung gefordert, auf dessen Weigerung aber, nach
japanischen Begriffen entehrt, das Harakiru vollzogen hätte. —
Jener Brand fand am 11. October statt und wir sahen Hori zuletzt
am 13. December; in dieser Zeit verkehrten die beiden Heimgegan-
genen beständig auf der preussischen und der amerikanischen Gesandt-
schaft mit einander ohne dass irgend eine Verstimmung an ihnen
wahrgenommen wurde. Im Gegentheil war das Verhältniss der
freundschaftlichsten Art; Heusken gehörte, wenn auch zuweilen

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[158/0178] Vermuthungen über Heuskens Ermordung. X. schon lange zum Opfer ausersehen gewesen sei; wahrscheinlich aber beabsichtigten die Bravo’s überhaupt nur einen Ausländer umzubrin- gen, und fanden dazu in Heuskens täglichen Gewohnheiten die beste Gelegenheit. Er ritt alle Abend, etwas früher oder später, von Akabane auf demselben Wege nach Hause. Die Mörder hatten sich an der günstigsten Stelle in Hinterhalt gelegt und konnten ihr Opfer mit Sicherheit erwarten. Damals fiel es niemand ein, Heuskens Tod mit dem Ende Hori Oribe-no-kami’s in Verbindung zu bringen; über letzteres waren verschiedene Gerüchte in Umlauf. Es wurde bald zu dem preussischen Vertrage, bald zu Natale’s Verwundung in Beziehung gebracht; bald sollte sich Hori im Staatsrath zu günstig, bald zu scharf über die Fremden geäussert, in Folge dessen aber seine Entlassung erhalten, und, dadurch entehrt, sogleich Hand an sich gelegt haben. Dass er wirklich Harakiru beging wird allge- mein angenommen; aber die Veranlassung, die man der That später unterlegte, ist mit unseren Erlebnissen nicht in Einklang zu bringen. Der Leser erinnert sich aus einem früheren Abschnitt dieser Erzäh- lung, dass Graf Eulenburg sich an einem October-Abend, durch hellen Feuerschein gelockt, mit seinen Begleitern unter Heuskens Führung noch spät auf den Weg nach der Brandstätte machte. Die Bunyo’s baten damals den Grafen auf das dringendste bei Feuer- lärm niemals auf die Strasse zu gehen, und Hori schrieb noch be- sonders eindringlich an Heusken, er möchte doch auf seine War- nungen endlich hören und weder den preussischen Gesandten noch sich selbst so grossen Gefahren aussetzen. Heusken, den die unab- lässigen Vorspiegelungen einer Gefahr, an die er nicht glaubte, ver- drossen, erwiderte diesen Brief in etwas derben Worten, zeigte aber seine Antwort vor der Absendung Herrn Harris, und milderte auf dessen Wunsch noch die Schärfe des Ausdrucks. Trotzdem sollte das Schreiben Hori dermaassen verletzt haben, dass er in der Ent- rüstung von dem Gorodžio Heuskens Tod, oder wenigstens dessen Landesverweisung gefordert, auf dessen Weigerung aber, nach japanischen Begriffen entehrt, das Harakiru vollzogen hätte. — Jener Brand fand am 11. October statt und wir sahen Hori zuletzt am 13. December; in dieser Zeit verkehrten die beiden Heimgegan- genen beständig auf der preussischen und der amerikanischen Gesandt- schaft mit einander ohne dass irgend eine Verstimmung an ihnen wahrgenommen wurde. Im Gegentheil war das Verhältniss der freundschaftlichsten Art; Heusken gehörte, wenn auch zuweilen

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/178>, abgerufen am 24.11.2024.