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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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X. Thatbestand der Ermordung.
die Strasse sich verengt: hier stürzten sieben bis acht Bravo's mit
furchtbarem Gebrüll aus einer Nebengasse hervor, schlugen die
Laternen aus, rannten die Betto's nieder und warfen sich auf ihr
Opfer. Heusken sah ein Schwert blitzen und einen Stoss nach seiner
linken Seite führen, dem er ausgewichen zu sein glaubte; wir fanden
die Verletzung auf der inneren Seite des Armes. Von dem tödtlichen
Hiebe, welcher von der rechten Seite erfolgte, fühlte er bei der
furchtbaren Schärfe der Waffe garnichts; er glaubte sich befreit,
ritt in scharfem Trabe noch einige hundert Schritt und holte seinen
Betto ein, befahl diesem, sich schwach fühlend, das Pferd zu
halten, stieg mit seiner Hülfe ab und versuchte zu Fuss weiter zu
gehen, sank aber nach einigen Schritten zusammen. Soviel, und
dass man ihn eine halbe Stunde allein auf der Strasse liegen liess,
hatte Heusken selbst noch erzählt, alles Uebrige blieb dunkel. Nach
Aussage der Yakunine wären zwei von ihnen bei ihm geblieben,
der dritte aber weitergeritten um Hülfe zu holen; dieser hätte bald
gemerkt dass sein Thier verwundet sei und nicht weiter könne, er
hätte es an einen Zaun gebunden, seinen Weg zu Fuss fortgesetzt
und wäre dann mit Leuten zurückgekehrt, die Heusken nach Hause
getragen hätten. -- Man fand in der That das Pferd mit einer tiefen
Hiebwunde in der Kruppe nahe bei der Mordstelle angebunden; im
Uebrigen aber musste dieser Bericht ungenau sein. Die Entfernung
vom Schauplatze der That bis zur amerikanischen Legation beträgt
zu Fusse höchstens zehn Minuten: wie konnten anderthalb Stunden
vergehen, bis wir in Akabane Nachricht erhielten? Wenn auch dem
Verwundeten die Zeit, die er auf der Strasse lag, länger erschienen
sein mag als sie war, so liess sich doch aus seiner Aussage abneh-
men, dass er eine Zeit lang allein dort liegen blieb. Wahrschein-
lich ergriffen alle Japaner, selbst die sonst so treuen und muthigen
Betto's, im Entsetzen des Augenblicks die Flucht und eilten nach
Hause, glaubend dass Heusken, den sie ja weiterreiten sahen, folgen
würde. Sein eigener Betto, den er einholte, blieb wohl eine Weile
bei ihm, ging aber natürlich, da niemand herbeikam, endlich Hülfe
zu holen. -- Man riss dann einen Laden vom nächsten Hause und
benutzte ihn als Bahre.

Es war eine furchtbare Nacht. Wir waren so an Heuskens
Umgang gewöhnt und hatten ihn noch vor wenigen Stunden so
voller Lebensfrische gesehen, dass man den Gedanken garnicht
fassen konnte. Am 20. Januar sollte sein Geburtstag begangen

X. Thatbestand der Ermordung.
die Strasse sich verengt: hier stürzten sieben bis acht Bravo’s mit
furchtbarem Gebrüll aus einer Nebengasse hervor, schlugen die
Laternen aus, rannten die Betto’s nieder und warfen sich auf ihr
Opfer. Heusken sah ein Schwert blitzen und einen Stoss nach seiner
linken Seite führen, dem er ausgewichen zu sein glaubte; wir fanden
die Verletzung auf der inneren Seite des Armes. Von dem tödtlichen
Hiebe, welcher von der rechten Seite erfolgte, fühlte er bei der
furchtbaren Schärfe der Waffe garnichts; er glaubte sich befreit,
ritt in scharfem Trabe noch einige hundert Schritt und holte seinen
Betto ein, befahl diesem, sich schwach fühlend, das Pferd zu
halten, stieg mit seiner Hülfe ab und versuchte zu Fuss weiter zu
gehen, sank aber nach einigen Schritten zusammen. Soviel, und
dass man ihn eine halbe Stunde allein auf der Strasse liegen liess,
hatte Heusken selbst noch erzählt, alles Uebrige blieb dunkel. Nach
Aussage der Yakunine wären zwei von ihnen bei ihm geblieben,
der dritte aber weitergeritten um Hülfe zu holen; dieser hätte bald
gemerkt dass sein Thier verwundet sei und nicht weiter könne, er
hätte es an einen Zaun gebunden, seinen Weg zu Fuss fortgesetzt
und wäre dann mit Leuten zurückgekehrt, die Heusken nach Hause
getragen hätten. — Man fand in der That das Pferd mit einer tiefen
Hiebwunde in der Kruppe nahe bei der Mordstelle angebunden; im
Uebrigen aber musste dieser Bericht ungenau sein. Die Entfernung
vom Schauplatze der That bis zur amerikanischen Legation beträgt
zu Fusse höchstens zehn Minuten: wie konnten anderthalb Stunden
vergehen, bis wir in Akabane Nachricht erhielten? Wenn auch dem
Verwundeten die Zeit, die er auf der Strasse lag, länger erschienen
sein mag als sie war, so liess sich doch aus seiner Aussage abneh-
men, dass er eine Zeit lang allein dort liegen blieb. Wahrschein-
lich ergriffen alle Japaner, selbst die sonst so treuen und muthigen
Betto’s, im Entsetzen des Augenblicks die Flucht und eilten nach
Hause, glaubend dass Heusken, den sie ja weiterreiten sahen, folgen
würde. Sein eigener Betto, den er einholte, blieb wohl eine Weile
bei ihm, ging aber natürlich, da niemand herbeikam, endlich Hülfe
zu holen. — Man riss dann einen Laden vom nächsten Hause und
benutzte ihn als Bahre.

Es war eine furchtbare Nacht. Wir waren so an Heuskens
Umgang gewöhnt und hatten ihn noch vor wenigen Stunden so
voller Lebensfrische gesehen, dass man den Gedanken garnicht
fassen konnte. Am 20. Januar sollte sein Geburtstag begangen

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[151/0171] X. Thatbestand der Ermordung. die Strasse sich verengt: hier stürzten sieben bis acht Bravo’s mit furchtbarem Gebrüll aus einer Nebengasse hervor, schlugen die Laternen aus, rannten die Betto’s nieder und warfen sich auf ihr Opfer. Heusken sah ein Schwert blitzen und einen Stoss nach seiner linken Seite führen, dem er ausgewichen zu sein glaubte; wir fanden die Verletzung auf der inneren Seite des Armes. Von dem tödtlichen Hiebe, welcher von der rechten Seite erfolgte, fühlte er bei der furchtbaren Schärfe der Waffe garnichts; er glaubte sich befreit, ritt in scharfem Trabe noch einige hundert Schritt und holte seinen Betto ein, befahl diesem, sich schwach fühlend, das Pferd zu halten, stieg mit seiner Hülfe ab und versuchte zu Fuss weiter zu gehen, sank aber nach einigen Schritten zusammen. Soviel, und dass man ihn eine halbe Stunde allein auf der Strasse liegen liess, hatte Heusken selbst noch erzählt, alles Uebrige blieb dunkel. Nach Aussage der Yakunine wären zwei von ihnen bei ihm geblieben, der dritte aber weitergeritten um Hülfe zu holen; dieser hätte bald gemerkt dass sein Thier verwundet sei und nicht weiter könne, er hätte es an einen Zaun gebunden, seinen Weg zu Fuss fortgesetzt und wäre dann mit Leuten zurückgekehrt, die Heusken nach Hause getragen hätten. — Man fand in der That das Pferd mit einer tiefen Hiebwunde in der Kruppe nahe bei der Mordstelle angebunden; im Uebrigen aber musste dieser Bericht ungenau sein. Die Entfernung vom Schauplatze der That bis zur amerikanischen Legation beträgt zu Fusse höchstens zehn Minuten: wie konnten anderthalb Stunden vergehen, bis wir in Akabane Nachricht erhielten? Wenn auch dem Verwundeten die Zeit, die er auf der Strasse lag, länger erschienen sein mag als sie war, so liess sich doch aus seiner Aussage abneh- men, dass er eine Zeit lang allein dort liegen blieb. Wahrschein- lich ergriffen alle Japaner, selbst die sonst so treuen und muthigen Betto’s, im Entsetzen des Augenblicks die Flucht und eilten nach Hause, glaubend dass Heusken, den sie ja weiterreiten sahen, folgen würde. Sein eigener Betto, den er einholte, blieb wohl eine Weile bei ihm, ging aber natürlich, da niemand herbeikam, endlich Hülfe zu holen. — Man riss dann einen Laden vom nächsten Hause und benutzte ihn als Bahre. Es war eine furchtbare Nacht. Wir waren so an Heuskens Umgang gewöhnt und hatten ihn noch vor wenigen Stunden so voller Lebensfrische gesehen, dass man den Gedanken garnicht fassen konnte. Am 20. Januar sollte sein Geburtstag begangen

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/171>, abgerufen am 24.11.2024.