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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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IX. Zündnadelgewehr. Fasten.
Zündnadelgewehr zu zeigen. Jener that es, machte auf ihren
Wunsch auch die Chargirung durch und zeigte ihnen die Griffe,
welche ein herbeigerufener Japaner lernen musste. Einer der
Yakunine folgte mit besonderer Aufmerksamkeit dem Exercitium,
fragte dann den Unterofficier ob er englisch verstehe, und sagte,
als dieser es verneinte, auf deutsch in sehr deutlicher Aussprache:
"Kann ich das Gewehr bis morgen bewahren?" Dieser Wunsch
musste natürlich abgeschlagen werden. Die Japaner hatten schon
vor unserer Ankunft Kenntniss von der Bewaffnung der preussischen
Armee; sie waren vom ersten Tage an ganz versessen auf die Nadel-
büchsen und gaben sich grosse Mühe eine solche als Muster zu
erhalten. Den deutsch redenden Sprachgelehrten bekamen wir
nicht wieder zu Gesicht, aber die Yakunine zeigten bei verschie-
denen Gelegenheiten holländisch-deutsche und englisch-deutsche
Wörterbücher vor, und theilten uns mit, dass man sich in Yeddo
jetzt sehr eifrig mit dem Studium der europäischen Sprachen be-
schäftige. -- Später soll die Regierung sogar eine eigene Schule
dafür gestiftet haben, in der aber nur Söhne des höheren Beamten-
adels Aufnahme fänden.

Einige Tage vor Weihnachten hielten wir unfreiwillige Fasten.
Das Proviantboot, das die Kriegsschiffe auf der Rhede von Yeddo
bis dahin täglich von Yokuhama aus mit frischem Fleisch versorgte,
blieb plötzlich aus; der Gouverneur von Kanagava hatte die Fahrten
inhibirt, und so war auch die Bevölkerung von Akabane auf den
Markt von Yeddo angewiesen, wo höchstens Hühner und Enten
zu haben sind. War es Absicht der Regierung, die lästigen Ein-
dringlinge auszuhungern? -- Alle schriftlichen Remonstrationen
blieben erfolglos; erst als der Attache von Brandt im Auftrage des
Gesandten dem Tyrannen von Kanagava persönlich zu Halse
rückte, wurden die Fahrten wieder gestattet, unter der Bedingung,
dass niemals Passagiere mitgenommen würden. So hatten wir denn
zum Feste wieder unseren gewohnten Rindsbraten, ein mächtiges
Lendenstück.

Graf Eulenburg, welcher den rechten norddeutschen Sinn für
Weihnachtsfreuden und eine Leidenschaft hat, heitere Menschen
um sich zu sehen, wünschte das Fest so fröhlich und glänzend zu
feiern als möglich; er war aber jetzt von früh bis spät mit den
Vertrags-Verhandlungen und darauf bezüglichen Arbeiten beschäftigt
und beauftragte deshalb einige seiner Begleiter mit den Vorberei-

IX. Zündnadelgewehr. Fasten.
Zündnadelgewehr zu zeigen. Jener that es, machte auf ihren
Wunsch auch die Chargirung durch und zeigte ihnen die Griffe,
welche ein herbeigerufener Japaner lernen musste. Einer der
Yakunine folgte mit besonderer Aufmerksamkeit dem Exercitium,
fragte dann den Unterofficier ob er englisch verstehe, und sagte,
als dieser es verneinte, auf deutsch in sehr deutlicher Aussprache:
»Kann ich das Gewehr bis morgen bewahren?« Dieser Wunsch
musste natürlich abgeschlagen werden. Die Japaner hatten schon
vor unserer Ankunft Kenntniss von der Bewaffnung der preussischen
Armee; sie waren vom ersten Tage an ganz versessen auf die Nadel-
büchsen und gaben sich grosse Mühe eine solche als Muster zu
erhalten. Den deutsch redenden Sprachgelehrten bekamen wir
nicht wieder zu Gesicht, aber die Yakunine zeigten bei verschie-
denen Gelegenheiten holländisch-deutsche und englisch-deutsche
Wörterbücher vor, und theilten uns mit, dass man sich in Yeddo
jetzt sehr eifrig mit dem Studium der europäischen Sprachen be-
schäftige. — Später soll die Regierung sogar eine eigene Schule
dafür gestiftet haben, in der aber nur Söhne des höheren Beamten-
adels Aufnahme fänden.

Einige Tage vor Weihnachten hielten wir unfreiwillige Fasten.
Das Proviantboot, das die Kriegsschiffe auf der Rhede von Yeddo
bis dahin täglich von Yokuhama aus mit frischem Fleisch versorgte,
blieb plötzlich aus; der Gouverneur von Kanagava hatte die Fahrten
inhibirt, und so war auch die Bevölkerung von Akabane auf den
Markt von Yeddo angewiesen, wo höchstens Hühner und Enten
zu haben sind. War es Absicht der Regierung, die lästigen Ein-
dringlinge auszuhungern? — Alle schriftlichen Remonstrationen
blieben erfolglos; erst als der Attaché von Brandt im Auftrage des
Gesandten dem Tyrannen von Kanagava persönlich zu Halse
rückte, wurden die Fahrten wieder gestattet, unter der Bedingung,
dass niemals Passagiere mitgenommen würden. So hatten wir denn
zum Feste wieder unseren gewohnten Rindsbraten, ein mächtiges
Lendenstück.

Graf Eulenburg, welcher den rechten norddeutschen Sinn für
Weihnachtsfreuden und eine Leidenschaft hat, heitere Menschen
um sich zu sehen, wünschte das Fest so fröhlich und glänzend zu
feiern als möglich; er war aber jetzt von früh bis spät mit den
Vertrags-Verhandlungen und darauf bezüglichen Arbeiten beschäftigt
und beauftragte deshalb einige seiner Begleiter mit den Vorberei-

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[121/0141] IX. Zündnadelgewehr. Fasten. Zündnadelgewehr zu zeigen. Jener that es, machte auf ihren Wunsch auch die Chargirung durch und zeigte ihnen die Griffe, welche ein herbeigerufener Japaner lernen musste. Einer der Yakunine folgte mit besonderer Aufmerksamkeit dem Exercitium, fragte dann den Unterofficier ob er englisch verstehe, und sagte, als dieser es verneinte, auf deutsch in sehr deutlicher Aussprache: »Kann ich das Gewehr bis morgen bewahren?« Dieser Wunsch musste natürlich abgeschlagen werden. Die Japaner hatten schon vor unserer Ankunft Kenntniss von der Bewaffnung der preussischen Armee; sie waren vom ersten Tage an ganz versessen auf die Nadel- büchsen und gaben sich grosse Mühe eine solche als Muster zu erhalten. Den deutsch redenden Sprachgelehrten bekamen wir nicht wieder zu Gesicht, aber die Yakunine zeigten bei verschie- denen Gelegenheiten holländisch-deutsche und englisch-deutsche Wörterbücher vor, und theilten uns mit, dass man sich in Yeddo jetzt sehr eifrig mit dem Studium der europäischen Sprachen be- schäftige. — Später soll die Regierung sogar eine eigene Schule dafür gestiftet haben, in der aber nur Söhne des höheren Beamten- adels Aufnahme fänden. Einige Tage vor Weihnachten hielten wir unfreiwillige Fasten. Das Proviantboot, das die Kriegsschiffe auf der Rhede von Yeddo bis dahin täglich von Yokuhama aus mit frischem Fleisch versorgte, blieb plötzlich aus; der Gouverneur von Kanagava hatte die Fahrten inhibirt, und so war auch die Bevölkerung von Akabane auf den Markt von Yeddo angewiesen, wo höchstens Hühner und Enten zu haben sind. War es Absicht der Regierung, die lästigen Ein- dringlinge auszuhungern? — Alle schriftlichen Remonstrationen blieben erfolglos; erst als der Attaché von Brandt im Auftrage des Gesandten dem Tyrannen von Kanagava persönlich zu Halse rückte, wurden die Fahrten wieder gestattet, unter der Bedingung, dass niemals Passagiere mitgenommen würden. So hatten wir denn zum Feste wieder unseren gewohnten Rindsbraten, ein mächtiges Lendenstück. Graf Eulenburg, welcher den rechten norddeutschen Sinn für Weihnachtsfreuden und eine Leidenschaft hat, heitere Menschen um sich zu sehen, wünschte das Fest so fröhlich und glänzend zu feiern als möglich; er war aber jetzt von früh bis spät mit den Vertrags-Verhandlungen und darauf bezüglichen Arbeiten beschäftigt und beauftragte deshalb einige seiner Begleiter mit den Vorberei-

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/141>, abgerufen am 22.11.2024.