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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Bambus. VII.
der Geist voll himmlischer Freude. Der Prophet theilte dann
die Gottesgabe seinen Schülern mit, welche sie in alle Länder
verbreiteten.

Unter den anderen Nutzpflanzen ist der Bambus eine der
wichtigsten; es gibt mehrere, darunter wahrscheinlich auch ein-
heimische Arten, wenigstens findet man ihn wildwachsend im dich-
testen Waldgestrüpp. Die ländliche Architectur, das Haus-, Stall-
und Wirthschaftsgeräth, die Bewaffnung und Kleidung, das ganze
Handwerk der Japaner ist ohne Bambus garnicht denkbar. Fast
jede Hütte hat ihre Pflanzung, und in den grossen Handlungen von
Yeddo stehen Tausende von Rohren jeder Länge, Stärke und
Feinheit, vom Dachsparren bis zum Pinselstiel, in saubere Bündel
sortirt zum Verkauf. Keine Holzart vereinigt solche Leichtigkeit
mit gleicher Stärke und Schwungkraft. Die äusseren Schichten des
Rohrs sind kieselhaltig und glänzend wie künstlich polirt, dabei
steinhart; sie werden gespalten zu den zierlichsten Korbgeflechten
und Möbeln, zu Bogen, Jalousieen, Fächern, Schachteln, Stroh-
hüten, Rüstungen, Bekleidung der Sänften u. s. w. verarbeitet,
die vollen Rohre zu Tragstangen, Leitern, Wasserrinnen, Bechern,
Schöpfkellen, Pfeilen, Laternenstangen, Angelruthen, Pfeifenstielen
und hundert anderen Zwecken verwendet. Die zarten Wurzelschösse
macht man in Zucker ein, die stärkeren dienen als Reitgerten; auch
in der Papierfabrication spielt der Bambus eine grosse Rolle. Das
ausgewachsene Rohr hat vier bis fünf Zoll Durchmesser, der junge
Zweig nur die Dicke einer Stricknadel; alle Zwischenstufen sind
gleich fest und elastisch. Es ist zu verwundern, dass nicht mehr
japanischer Bambus nach Europa importirt wird, denn in manchen
Anwendungen ist er weder durch Holz, Metall noch Fischbein zu
ersetzen; man möchte kaum zweifeln, dass er mit der Zeit in Mittel-
und Süd-Europa acclimatisirt und eben so heimisch werden könnte,
wie in Italien die aus Amerika eingeführten Aloe (Agave), die in-
dianische Feige (Opuntia), Mais und andere Pflanzen, wie bei uns der
Tabak, die Rosskastanie und die Kartoffel. Die Cultur des Bambus
würde eine Umgestaltung unserer Zimmer- und Möbel-Architectur,
des Haus- und Küchengeräthes hervorrufen, von der man keine
Ahnung hat, und namentlich dem Landmann den vielfältigsten Nutzen
bringen; zudem ist er mit seinem auch im Winter frühlingsgrünen
Graslaub der herrlichste Schmuck in Feld und Garten. Nach den
Kältegraden, welche er in Nord-China und einigen Theilen von

Bambus. VII.
der Geist voll himmlischer Freude. Der Prophet theilte dann
die Gottesgabe seinen Schülern mit, welche sie in alle Länder
verbreiteten.

Unter den anderen Nutzpflanzen ist der Bambus eine der
wichtigsten; es gibt mehrere, darunter wahrscheinlich auch ein-
heimische Arten, wenigstens findet man ihn wildwachsend im dich-
testen Waldgestrüpp. Die ländliche Architectur, das Haus-, Stall-
und Wirthschaftsgeräth, die Bewaffnung und Kleidung, das ganze
Handwerk der Japaner ist ohne Bambus garnicht denkbar. Fast
jede Hütte hat ihre Pflanzung, und in den grossen Handlungen von
Yeddo stehen Tausende von Rohren jeder Länge, Stärke und
Feinheit, vom Dachsparren bis zum Pinselstiel, in saubere Bündel
sortirt zum Verkauf. Keine Holzart vereinigt solche Leichtigkeit
mit gleicher Stärke und Schwungkraft. Die äusseren Schichten des
Rohrs sind kieselhaltig und glänzend wie künstlich polirt, dabei
steinhart; sie werden gespalten zu den zierlichsten Korbgeflechten
und Möbeln, zu Bogen, Jalousieen, Fächern, Schachteln, Stroh-
hüten, Rüstungen, Bekleidung der Sänften u. s. w. verarbeitet,
die vollen Rohre zu Tragstangen, Leitern, Wasserrinnen, Bechern,
Schöpfkellen, Pfeilen, Laternenstangen, Angelruthen, Pfeifenstielen
und hundert anderen Zwecken verwendet. Die zarten Wurzelschösse
macht man in Zucker ein, die stärkeren dienen als Reitgerten; auch
in der Papierfabrication spielt der Bambus eine grosse Rolle. Das
ausgewachsene Rohr hat vier bis fünf Zoll Durchmesser, der junge
Zweig nur die Dicke einer Stricknadel; alle Zwischenstufen sind
gleich fest und elastisch. Es ist zu verwundern, dass nicht mehr
japanischer Bambus nach Europa importirt wird, denn in manchen
Anwendungen ist er weder durch Holz, Metall noch Fischbein zu
ersetzen; man möchte kaum zweifeln, dass er mit der Zeit in Mittel-
und Süd-Europa acclimatisirt und eben so heimisch werden könnte,
wie in Italien die aus Amerika eingeführten Aloe (Agave), die in-
dianische Feige (Opuntia), Mais und andere Pflanzen, wie bei uns der
Tabak, die Rosskastanie und die Kartoffel. Die Cultur des Bambus
würde eine Umgestaltung unserer Zimmer- und Möbel-Architectur,
des Haus- und Küchengeräthes hervorrufen, von der man keine
Ahnung hat, und namentlich dem Landmann den vielfältigsten Nutzen
bringen; zudem ist er mit seinem auch im Winter frühlingsgrünen
Graslaub der herrlichste Schmuck in Feld und Garten. Nach den
Kältegraden, welche er in Nord-China und einigen Theilen von

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[82/0102] Bambus. VII. der Geist voll himmlischer Freude. Der Prophet theilte dann die Gottesgabe seinen Schülern mit, welche sie in alle Länder verbreiteten. Unter den anderen Nutzpflanzen ist der Bambus eine der wichtigsten; es gibt mehrere, darunter wahrscheinlich auch ein- heimische Arten, wenigstens findet man ihn wildwachsend im dich- testen Waldgestrüpp. Die ländliche Architectur, das Haus-, Stall- und Wirthschaftsgeräth, die Bewaffnung und Kleidung, das ganze Handwerk der Japaner ist ohne Bambus garnicht denkbar. Fast jede Hütte hat ihre Pflanzung, und in den grossen Handlungen von Yeddo stehen Tausende von Rohren jeder Länge, Stärke und Feinheit, vom Dachsparren bis zum Pinselstiel, in saubere Bündel sortirt zum Verkauf. Keine Holzart vereinigt solche Leichtigkeit mit gleicher Stärke und Schwungkraft. Die äusseren Schichten des Rohrs sind kieselhaltig und glänzend wie künstlich polirt, dabei steinhart; sie werden gespalten zu den zierlichsten Korbgeflechten und Möbeln, zu Bogen, Jalousieen, Fächern, Schachteln, Stroh- hüten, Rüstungen, Bekleidung der Sänften u. s. w. verarbeitet, die vollen Rohre zu Tragstangen, Leitern, Wasserrinnen, Bechern, Schöpfkellen, Pfeilen, Laternenstangen, Angelruthen, Pfeifenstielen und hundert anderen Zwecken verwendet. Die zarten Wurzelschösse macht man in Zucker ein, die stärkeren dienen als Reitgerten; auch in der Papierfabrication spielt der Bambus eine grosse Rolle. Das ausgewachsene Rohr hat vier bis fünf Zoll Durchmesser, der junge Zweig nur die Dicke einer Stricknadel; alle Zwischenstufen sind gleich fest und elastisch. Es ist zu verwundern, dass nicht mehr japanischer Bambus nach Europa importirt wird, denn in manchen Anwendungen ist er weder durch Holz, Metall noch Fischbein zu ersetzen; man möchte kaum zweifeln, dass er mit der Zeit in Mittel- und Süd-Europa acclimatisirt und eben so heimisch werden könnte, wie in Italien die aus Amerika eingeführten Aloe (Agave), die in- dianische Feige (Opuntia), Mais und andere Pflanzen, wie bei uns der Tabak, die Rosskastanie und die Kartoffel. Die Cultur des Bambus würde eine Umgestaltung unserer Zimmer- und Möbel-Architectur, des Haus- und Küchengeräthes hervorrufen, von der man keine Ahnung hat, und namentlich dem Landmann den vielfältigsten Nutzen bringen; zudem ist er mit seinem auch im Winter frühlingsgrünen Graslaub der herrlichste Schmuck in Feld und Garten. Nach den Kältegraden, welche er in Nord-China und einigen Theilen von

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/102>, abgerufen am 22.11.2024.