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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Die Nachfolger des Franz Xaver. Verbreitung des Christenthumes.
Landschaften sind der Schauplatz blutiger Kriege. Das Bild, das er
von dem Nationalcharakter entwirft, ist anziehend und treu. -- Er
schildert die Thätigkeit seines Verkehrs mit den Japanern als die
erfreulichste und herzerhebendste und spricht den Wunsch aus, dass
doch recht viele tüchtige Männer sich der Bekehrung dieses Volkes
als dem beglückendsten Lebensberufe widmen möchten 65).



Franz Xaver kehrte nicht nach Japan zurück, sondern unter-
nahm eine Missionsreise nach China und starb daselbst. Mehrere
von ihm ausgesandte Jesuitenväter trafen zu Ende des Jahres 1552
in Japan ein, wo unterdess Pater Torres das Bekehrungswerk mit
Eifer und Erfolg gefördert hatte. Die Missionare brachten ein
Schreiben und Geschenke des Vicekönigs von Indien an den Fürsten
von Bungo mit, der sie veranlasste, ihre Thätigkeit zunächst seinem
Lande zu widmen, und später selbst das Christenthum annahm.
Er wechselte noch mehrere Briefe mit dem Vicekönig von Indien,
so dass die Vermuthung nahe liegt, er habe durch die Verbindung
mit Portugal, von dessen Macht man damals in Japan überschwäng-
liche Begriffe hatte, seine Herrschaft sichern und ausbreiten wollen.
Mehrere andere Fürsten von Kiusiu baten, des Verkehrs mit den
Portugiesen wegen, ebenfalls um Missionare, und seitdem kam den
Bekehrern fast jährlich neuer Zuwachs aus dem Jesuitencollegium
in Goa.

Das Christenthum verbreitete sich von Bungo aus schnell
über die angrenzenden Landschaften. Viele Japaner schlossen sich
den Bekehrern auf das innigste an, traten in den Jesuitenorden,
lernten portugiesisch und lateinisch; manche widmeten sich ganz
und mit grossem Erfolge dem Predigeramt. Die Berichte der Mis-
sionare aus dieser Zeit sind voll von Klagen über das Elend der
niedern Volksclassen, die kaum etwas anderes als den Rock auf
dem Leibe besitzen und ganz von dem Lehnsadel abhängen, für
den sie die Felder bauen. Der Kindermord war an der Tages-
ordnung. Die Jesuiten gründeten ein Findelhaus in Funai, der
Hauptstadt von Bungo, und erwirkten vom Landesherrn ein öffent-
liches Verbot jener Gräuelsitte. Diese Stiftung, die Gründung eines

65) "Möchten doch die Doctoren der Theologie ihrem kanonischen Rechte, die
Prälaten ihren Würden und Pfründen entsagen und nach Japan kommen, da würden
sie ein glückseligeres, angenehmeres und ruhigeres Leben führen, als zu Hause."

Die Nachfolger des Franz Xaver. Verbreitung des Christenthumes.
Landschaften sind der Schauplatz blutiger Kriege. Das Bild, das er
von dem Nationalcharakter entwirft, ist anziehend und treu. — Er
schildert die Thätigkeit seines Verkehrs mit den Japanern als die
erfreulichste und herzerhebendste und spricht den Wunsch aus, dass
doch recht viele tüchtige Männer sich der Bekehrung dieses Volkes
als dem beglückendsten Lebensberufe widmen möchten 65).



Franz Xaver kehrte nicht nach Japan zurück, sondern unter-
nahm eine Missionsreise nach China und starb daselbst. Mehrere
von ihm ausgesandte Jesuitenväter trafen zu Ende des Jahres 1552
in Japan ein, wo unterdess Pater Torres das Bekehrungswerk mit
Eifer und Erfolg gefördert hatte. Die Missionare brachten ein
Schreiben und Geschenke des Vicekönigs von Indien an den Fürsten
von Buṅgo mit, der sie veranlasste, ihre Thätigkeit zunächst seinem
Lande zu widmen, und später selbst das Christenthum annahm.
Er wechselte noch mehrere Briefe mit dem Vicekönig von Indien,
so dass die Vermuthung nahe liegt, er habe durch die Verbindung
mit Portugal, von dessen Macht man damals in Japan überschwäng-
liche Begriffe hatte, seine Herrschaft sichern und ausbreiten wollen.
Mehrere andere Fürsten von Kiusiu baten, des Verkehrs mit den
Portugiesen wegen, ebenfalls um Missionare, und seitdem kam den
Bekehrern fast jährlich neuer Zuwachs aus dem Jesuitencollegium
in Goa.

Das Christenthum verbreitete sich von Buṅgo aus schnell
über die angrenzenden Landschaften. Viele Japaner schlossen sich
den Bekehrern auf das innigste an, traten in den Jesuitenorden,
lernten portugiesisch und lateinisch; manche widmeten sich ganz
und mit grossem Erfolge dem Predigeramt. Die Berichte der Mis-
sionare aus dieser Zeit sind voll von Klagen über das Elend der
niedern Volksclassen, die kaum etwas anderes als den Rock auf
dem Leibe besitzen und ganz von dem Lehnsadel abhängen, für
den sie die Felder bauen. Der Kindermord war an der Tages-
ordnung. Die Jesuiten gründeten ein Findelhaus in Funaï, der
Hauptstadt von Buṅgo, und erwirkten vom Landesherrn ein öffent-
liches Verbot jener Gräuelsitte. Diese Stiftung, die Gründung eines

65) »Möchten doch die Doctoren der Theologie ihrem kanonischen Rechte, die
Prälaten ihren Würden und Pfründen entsagen und nach Japan kommen, da würden
sie ein glückseligeres, angenehmeres und ruhigeres Leben führen, als zu Hause.«
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[55/0085] Die Nachfolger des Franz Xaver. Verbreitung des Christenthumes. Landschaften sind der Schauplatz blutiger Kriege. Das Bild, das er von dem Nationalcharakter entwirft, ist anziehend und treu. — Er schildert die Thätigkeit seines Verkehrs mit den Japanern als die erfreulichste und herzerhebendste und spricht den Wunsch aus, dass doch recht viele tüchtige Männer sich der Bekehrung dieses Volkes als dem beglückendsten Lebensberufe widmen möchten 65). Franz Xaver kehrte nicht nach Japan zurück, sondern unter- nahm eine Missionsreise nach China und starb daselbst. Mehrere von ihm ausgesandte Jesuitenväter trafen zu Ende des Jahres 1552 in Japan ein, wo unterdess Pater Torres das Bekehrungswerk mit Eifer und Erfolg gefördert hatte. Die Missionare brachten ein Schreiben und Geschenke des Vicekönigs von Indien an den Fürsten von Buṅgo mit, der sie veranlasste, ihre Thätigkeit zunächst seinem Lande zu widmen, und später selbst das Christenthum annahm. Er wechselte noch mehrere Briefe mit dem Vicekönig von Indien, so dass die Vermuthung nahe liegt, er habe durch die Verbindung mit Portugal, von dessen Macht man damals in Japan überschwäng- liche Begriffe hatte, seine Herrschaft sichern und ausbreiten wollen. Mehrere andere Fürsten von Kiusiu baten, des Verkehrs mit den Portugiesen wegen, ebenfalls um Missionare, und seitdem kam den Bekehrern fast jährlich neuer Zuwachs aus dem Jesuitencollegium in Goa. Das Christenthum verbreitete sich von Buṅgo aus schnell über die angrenzenden Landschaften. Viele Japaner schlossen sich den Bekehrern auf das innigste an, traten in den Jesuitenorden, lernten portugiesisch und lateinisch; manche widmeten sich ganz und mit grossem Erfolge dem Predigeramt. Die Berichte der Mis- sionare aus dieser Zeit sind voll von Klagen über das Elend der niedern Volksclassen, die kaum etwas anderes als den Rock auf dem Leibe besitzen und ganz von dem Lehnsadel abhängen, für den sie die Felder bauen. Der Kindermord war an der Tages- ordnung. Die Jesuiten gründeten ein Findelhaus in Funaï, der Hauptstadt von Buṅgo, und erwirkten vom Landesherrn ein öffent- liches Verbot jener Gräuelsitte. Diese Stiftung, die Gründung eines 65) »Möchten doch die Doctoren der Theologie ihrem kanonischen Rechte, die Prälaten ihren Würden und Pfründen entsagen und nach Japan kommen, da würden sie ein glückseligeres, angenehmeres und ruhigeres Leben führen, als zu Hause.«

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/85>, abgerufen am 23.11.2024.