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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Wirksamkeit und Lehren der Bonzen.
Dialektik. Andererseits finden sich die tollsten Auswüchse fanatischer
Ascetik und Bussübung 57). Der grösste Theil der Bonzen war in
frivolen Unglauben, in rohe Unwissenheit und Sinnlichkeit versunken,
die Missionare schildern sie als verderbtes Gesindel, maasslos hab-
gierig und allen Lastern ergeben. Ueber ihre Ueppigkeit, ihren
unbeugsamen hochfahrenden Sinn klagen auch die japanischen
Schriften; die Eifersucht der Secten artete oft in blutige Fehden
aus, deren Ursachen in dieser Zeit nur Habgier und Ehrgeiz waren.
Das Volk erhielten die Bonzen in Aberglauben und Unwissenheit;
sie lehrten einfach, es sei vergebenes Bemühen und ganz unmöglich
im bürgerlichen und im Familien-Leben die strengen Tugend-
vorschriften der Religion zu befolgen 58); nur sie selbst könnten das,
da sie der Welt entsagt und sich dem geistlichen Leben ganz ge-
widmet hätten; durch das Uebermaass ihrer Vollkommenheit nähmen
sie aber auch die Sünden der Weltkinder auf sich, so fern diese
nur durch reichliche Gaben für sie sorgten und sie von der irdischen
Noth befreiten. Auch für die Seelen der Abgeschiedenen, die im
Fegefeuer schmachten, musste gesteuert werden. Nur durch Geld-
spenden ist das Heil zu erlangen; den Armen, die nichts geben
können, ist das Himmelreich unbedingt verschlossen, den Frauen 59)
ungleich schwerer zugänglich als den Männern, "da sie von Natur
mit allen Sünden behaftet sind"; ihre Gaben müssen daher, so
sie Erlösung hoffen wollen, ungleich reicher sein. Man erkennt die
schlaue Berechnung auf das weibliche Gemüth.

Diese sehr bequeme Lehre fand natürlich grossen Anhang
unter den vermögenden Ständen. Die unzähligen milden Stiftungen,

57) Es gab Bonzen, die Jahrzehnte lang in einer Stellung verharrend über irgend
ein Dogma nachzudenken vorgaben, um dann feierlich kanonisirt und bei lebendigem
Leibe in Kapellen verehrt zu werden. Die von ihnen aufgestellten religiösen und
Weisheits-Sätze sind meist entweder gesuchte Paradoxen oder gradezu unlösbare
Widersinnigkeiten, deren Tiefe nicht zu ergründen, weil bodenlos ist. So erscheinen
sie wenigstens der europäischen Fassungskraft.
58) Die allen japanischen Secten gemeinsamen fünf Haupt-Gebote sind nach der
Darstellung der Missionare: 1. Nicht tödten, 2. Nicht stehlen, 3. Nicht ehebrechen,
4. Nicht lügen, 5. Nichts Berauschendes geniessen.
59) "Quin et mulieres quinque mandata transgressas servari posse negant, cum
quaevis mulier plus criminum habeat, eorum arbitratu, quam omnes in universo mundi
ambitu viri; ..... Dehine rursus dieere incipiunt, aliqualem damnationis evadendae
spem mulieribus reliquam fore, si ampliores quam viri eleemosynas erogarint." Brief
des Franz Xaver in Hamnardus de Gammere Epistolae Japonicae. Lovanii 1569.

Wirksamkeit und Lehren der Bonzen.
Dialektik. Andererseits finden sich die tollsten Auswüchse fanatischer
Ascetik und Bussübung 57). Der grösste Theil der Bonzen war in
frivolen Unglauben, in rohe Unwissenheit und Sinnlichkeit versunken,
die Missionare schildern sie als verderbtes Gesindel, maasslos hab-
gierig und allen Lastern ergeben. Ueber ihre Ueppigkeit, ihren
unbeugsamen hochfahrenden Sinn klagen auch die japanischen
Schriften; die Eifersucht der Secten artete oft in blutige Fehden
aus, deren Ursachen in dieser Zeit nur Habgier und Ehrgeiz waren.
Das Volk erhielten die Bonzen in Aberglauben und Unwissenheit;
sie lehrten einfach, es sei vergebenes Bemühen und ganz unmöglich
im bürgerlichen und im Familien-Leben die strengen Tugend-
vorschriften der Religion zu befolgen 58); nur sie selbst könnten das,
da sie der Welt entsagt und sich dem geistlichen Leben ganz ge-
widmet hätten; durch das Uebermaass ihrer Vollkommenheit nähmen
sie aber auch die Sünden der Weltkinder auf sich, so fern diese
nur durch reichliche Gaben für sie sorgten und sie von der irdischen
Noth befreiten. Auch für die Seelen der Abgeschiedenen, die im
Fegefeuer schmachten, musste gesteuert werden. Nur durch Geld-
spenden ist das Heil zu erlangen; den Armen, die nichts geben
können, ist das Himmelreich unbedingt verschlossen, den Frauen 59)
ungleich schwerer zugänglich als den Männern, »da sie von Natur
mit allen Sünden behaftet sind«; ihre Gaben müssen daher, so
sie Erlösung hoffen wollen, ungleich reicher sein. Man erkennt die
schlaue Berechnung auf das weibliche Gemüth.

Diese sehr bequeme Lehre fand natürlich grossen Anhang
unter den vermögenden Ständen. Die unzähligen milden Stiftungen,

57) Es gab Bonzen, die Jahrzehnte lang in einer Stellung verharrend über irgend
ein Dogma nachzudenken vorgaben, um dann feierlich kanonisirt und bei lebendigem
Leibe in Kapellen verehrt zu werden. Die von ihnen aufgestellten religiösen und
Weisheits-Sätze sind meist entweder gesuchte Paradoxen oder gradezu unlösbare
Widersinnigkeiten, deren Tiefe nicht zu ergründen, weil bodenlos ist. So erscheinen
sie wenigstens der europäischen Fassungskraft.
58) Die allen japanischen Secten gemeinsamen fünf Haupt-Gebote sind nach der
Darstellung der Missionare: 1. Nicht tödten, 2. Nicht stehlen, 3. Nicht ehebrechen,
4. Nicht lügen, 5. Nichts Berauschendes geniessen.
59) »Quin et mulieres quinque mandata transgressas servari posse negant, cum
quaevis mulier plus criminum habeat, eorum arbitratu, quam omnes in universo mundi
ambitu viri; ..... Dehine rursus dieere incipiunt, aliqualem damnationis evadendae
spem mulieribus reliquam fore, si ampliores quam viri eleemosynas erogarint.« Brief
des Franz Xaver in Hamnardus de Gammere Epistolae Japonicae. Lovanii 1569.
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[50/0080] Wirksamkeit und Lehren der Bonzen. Dialektik. Andererseits finden sich die tollsten Auswüchse fanatischer Ascetik und Bussübung 57). Der grösste Theil der Bonzen war in frivolen Unglauben, in rohe Unwissenheit und Sinnlichkeit versunken, die Missionare schildern sie als verderbtes Gesindel, maasslos hab- gierig und allen Lastern ergeben. Ueber ihre Ueppigkeit, ihren unbeugsamen hochfahrenden Sinn klagen auch die japanischen Schriften; die Eifersucht der Secten artete oft in blutige Fehden aus, deren Ursachen in dieser Zeit nur Habgier und Ehrgeiz waren. Das Volk erhielten die Bonzen in Aberglauben und Unwissenheit; sie lehrten einfach, es sei vergebenes Bemühen und ganz unmöglich im bürgerlichen und im Familien-Leben die strengen Tugend- vorschriften der Religion zu befolgen 58); nur sie selbst könnten das, da sie der Welt entsagt und sich dem geistlichen Leben ganz ge- widmet hätten; durch das Uebermaass ihrer Vollkommenheit nähmen sie aber auch die Sünden der Weltkinder auf sich, so fern diese nur durch reichliche Gaben für sie sorgten und sie von der irdischen Noth befreiten. Auch für die Seelen der Abgeschiedenen, die im Fegefeuer schmachten, musste gesteuert werden. Nur durch Geld- spenden ist das Heil zu erlangen; den Armen, die nichts geben können, ist das Himmelreich unbedingt verschlossen, den Frauen 59) ungleich schwerer zugänglich als den Männern, »da sie von Natur mit allen Sünden behaftet sind«; ihre Gaben müssen daher, so sie Erlösung hoffen wollen, ungleich reicher sein. Man erkennt die schlaue Berechnung auf das weibliche Gemüth. Diese sehr bequeme Lehre fand natürlich grossen Anhang unter den vermögenden Ständen. Die unzähligen milden Stiftungen, 57) Es gab Bonzen, die Jahrzehnte lang in einer Stellung verharrend über irgend ein Dogma nachzudenken vorgaben, um dann feierlich kanonisirt und bei lebendigem Leibe in Kapellen verehrt zu werden. Die von ihnen aufgestellten religiösen und Weisheits-Sätze sind meist entweder gesuchte Paradoxen oder gradezu unlösbare Widersinnigkeiten, deren Tiefe nicht zu ergründen, weil bodenlos ist. So erscheinen sie wenigstens der europäischen Fassungskraft. 58) Die allen japanischen Secten gemeinsamen fünf Haupt-Gebote sind nach der Darstellung der Missionare: 1. Nicht tödten, 2. Nicht stehlen, 3. Nicht ehebrechen, 4. Nicht lügen, 5. Nichts Berauschendes geniessen. 59) »Quin et mulieres quinque mandata transgressas servari posse negant, cum quaevis mulier plus criminum habeat, eorum arbitratu, quam omnes in universo mundi ambitu viri; ..... Dehine rursus dieere incipiunt, aliqualem damnationis evadendae spem mulieribus reliquam fore, si ampliores quam viri eleemosynas erogarint.« Brief des Franz Xaver in Hamnardus de Gammere Epistolae Japonicae. Lovanii 1569.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/80>, abgerufen am 27.11.2024.