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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Steigende Macht der Kuanbak's. Beziehungen zum Auslande.
zweiundfunfzigste, dreiundfunfzigste Mikado in der Kraft ihrer Jahre
und ziehen sich in das Privatleben zurück. Fudsiwara-no-Yosi-fusa
wird Regent bei der Thronbesteigung des sechsundfunfzigsten Mikado,
der sein Tochtersohn und nur neunjährig war. Auch dieser dankt
in seinem sechsundzwanzigsten Jahre zu Gunsten seines achtjährigen
Sohnes ab, welcher heranwachsend Begabung und Thatkraft zeigt,
aber von Moto-tsune, dem Sohne und Nachfolger des Yosi-fusa,
entthront wird. Moto-tsune nahm zuerst den Titel Kuanbak an
und setzte einen Greis auf den Thron; in ähnlicher Weise schalten
seine Nachfolger durch mehrere Generationen. Die Kuanbak-Würde
vererbt vom Vater auf den Sohn, das Haupt der Fudsiwara steht in
Wirklichkeit an der Spitze des Staates. Nur Greise und Unmündige
werden auf dem Throne geduldet; die höchste Würde bleibt den
Mikado's, aber alle unter ihnen, die Fähigkeit und Thatkraft zeigen,
müssen abdanken und sich in das Privatleben zurückziehen. Die
Ex-Mikado's bewohnen prächtige Paläste in und um Miako, wett-
eifern mit den Grossen in glänzenden Festlichkeiten und vergeuden
ihre Kraft in Mummereien und anderen rauschenden Vergnügungen.
Miako wird ein Sitz des Reichthums und verfeinerter Sitten: die
vornehme Jugend übt die Jagd und ritterliche Spiele, Musik und
Poesie, sie wirbt um zarte Frauenminne und Waffenruhm, und
sucht Abentheuer gleich den Kämpen des Westens. So erscheint
in Japan das neunte und zehnte Jahrhundert als ein Zeitalter ritter-
licher Romantik 30).

Die Berührungen mit dem Auslande wurden seit dem Anfange
des neunten Jahrhunderts seltener: nur in langen Zwischenräumen
gingen einzelne Priester und Gelehrte nach China, von Gesandt-
schaften dahin berichten die Annalen in diesem Zeitraume gar nicht.
Die japanische Gesittung stand jetzt auf eigenen Füssen und
entwickelte sich selbstständig zu immer höherer Blüthe. Die Be-
935 n. Chr.ziehungen zu Korea blieben die alten bis um das Jahr 935, in

30) Selbst die Annalen, welche doch nur Auszüge der grösseren Geschichtswerke
sind, enthalten eine Menge Erzählungen von den galanten Abentheuern der Ex-Mikado's,
der Kuanbak's und anderer Vornehmen, welche schönen Prinzessinnen Serenaden brin-
gen, und vor den Fenstern der Geliebten mit ihren Nebenbuhlern die Klingen
kreuzen, -- und romantische Geschichten von Eifersucht und Grossmuth, von treuer
Freundschaft und Selbstverleugnung. Sie erzählen viel von den Wettkämpfen der
Poesie und Musik in schönen Gärten, unter blühenden Bäumen, am Ufer rieselnder
Bäche oder stiller Seen.

Steigende Macht der Kuanbak’s. Beziehungen zum Auslande.
zweiundfunfzigste, dreiundfunfzigste Mikado in der Kraft ihrer Jahre
und ziehen sich in das Privatleben zurück. Fudsiwara-no-Yosi-fusa
wird Regent bei der Thronbesteigung des sechsundfunfzigsten Mikado,
der sein Tochtersohn und nur neunjährig war. Auch dieser dankt
in seinem sechsundzwanzigsten Jahre zu Gunsten seines achtjährigen
Sohnes ab, welcher heranwachsend Begabung und Thatkraft zeigt,
aber von Moto-tsune, dem Sohne und Nachfolger des Yosi-fusa,
entthront wird. Moto-tsune nahm zuerst den Titel Kuanbak an
und setzte einen Greis auf den Thron; in ähnlicher Weise schalten
seine Nachfolger durch mehrere Generationen. Die Kuanbak-Würde
vererbt vom Vater auf den Sohn, das Haupt der Fudsiwara steht in
Wirklichkeit an der Spitze des Staates. Nur Greise und Unmündige
werden auf dem Throne geduldet; die höchste Würde bleibt den
Mikado’s, aber alle unter ihnen, die Fähigkeit und Thatkraft zeigen,
müssen abdanken und sich in das Privatleben zurückziehen. Die
Ex-Mikado’s bewohnen prächtige Paläste in und um Miako, wett-
eifern mit den Grossen in glänzenden Festlichkeiten und vergeuden
ihre Kraft in Mummereien und anderen rauschenden Vergnügungen.
Miako wird ein Sitz des Reichthums und verfeinerter Sitten: die
vornehme Jugend übt die Jagd und ritterliche Spiele, Musik und
Poesie, sie wirbt um zarte Frauenminne und Waffenruhm, und
sucht Abentheuer gleich den Kämpen des Westens. So erscheint
in Japan das neunte und zehnte Jahrhundert als ein Zeitalter ritter-
licher Romantik 30).

Die Berührungen mit dem Auslande wurden seit dem Anfange
des neunten Jahrhunderts seltener: nur in langen Zwischenräumen
gingen einzelne Priester und Gelehrte nach China, von Gesandt-
schaften dahin berichten die Annalen in diesem Zeitraume gar nicht.
Die japanische Gesittung stand jetzt auf eigenen Füssen und
entwickelte sich selbstständig zu immer höherer Blüthe. Die Be-
935 n. Chr.ziehungen zu Korea blieben die alten bis um das Jahr 935, in

30) Selbst die Annalen, welche doch nur Auszüge der grösseren Geschichtswerke
sind, enthalten eine Menge Erzählungen von den galanten Abentheuern der Ex-Mikado’s,
der Kuanbak’s und anderer Vornehmen, welche schönen Prinzessinnen Serenaden brin-
gen, und vor den Fenstern der Geliebten mit ihren Nebenbuhlern die Klingen
kreuzen, — und romantische Geschichten von Eifersucht und Grossmuth, von treuer
Freundschaft und Selbstverleugnung. Sie erzählen viel von den Wettkämpfen der
Poesie und Musik in schönen Gärten, unter blühenden Bäumen, am Ufer rieselnder
Bäche oder stiller Seen.
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[30/0060] Steigende Macht der Kuanbak’s. Beziehungen zum Auslande. zweiundfunfzigste, dreiundfunfzigste Mikado in der Kraft ihrer Jahre und ziehen sich in das Privatleben zurück. Fudsiwara-no-Yosi-fusa wird Regent bei der Thronbesteigung des sechsundfunfzigsten Mikado, der sein Tochtersohn und nur neunjährig war. Auch dieser dankt in seinem sechsundzwanzigsten Jahre zu Gunsten seines achtjährigen Sohnes ab, welcher heranwachsend Begabung und Thatkraft zeigt, aber von Moto-tsune, dem Sohne und Nachfolger des Yosi-fusa, entthront wird. Moto-tsune nahm zuerst den Titel Kuanbak an und setzte einen Greis auf den Thron; in ähnlicher Weise schalten seine Nachfolger durch mehrere Generationen. Die Kuanbak-Würde vererbt vom Vater auf den Sohn, das Haupt der Fudsiwara steht in Wirklichkeit an der Spitze des Staates. Nur Greise und Unmündige werden auf dem Throne geduldet; die höchste Würde bleibt den Mikado’s, aber alle unter ihnen, die Fähigkeit und Thatkraft zeigen, müssen abdanken und sich in das Privatleben zurückziehen. Die Ex-Mikado’s bewohnen prächtige Paläste in und um Miako, wett- eifern mit den Grossen in glänzenden Festlichkeiten und vergeuden ihre Kraft in Mummereien und anderen rauschenden Vergnügungen. Miako wird ein Sitz des Reichthums und verfeinerter Sitten: die vornehme Jugend übt die Jagd und ritterliche Spiele, Musik und Poesie, sie wirbt um zarte Frauenminne und Waffenruhm, und sucht Abentheuer gleich den Kämpen des Westens. So erscheint in Japan das neunte und zehnte Jahrhundert als ein Zeitalter ritter- licher Romantik 30). Die Berührungen mit dem Auslande wurden seit dem Anfange des neunten Jahrhunderts seltener: nur in langen Zwischenräumen gingen einzelne Priester und Gelehrte nach China, von Gesandt- schaften dahin berichten die Annalen in diesem Zeitraume gar nicht. Die japanische Gesittung stand jetzt auf eigenen Füssen und entwickelte sich selbstständig zu immer höherer Blüthe. Die Be- ziehungen zu Korea blieben die alten bis um das Jahr 935, in 935 n. Chr. 30) Selbst die Annalen, welche doch nur Auszüge der grösseren Geschichtswerke sind, enthalten eine Menge Erzählungen von den galanten Abentheuern der Ex-Mikado’s, der Kuanbak’s und anderer Vornehmen, welche schönen Prinzessinnen Serenaden brin- gen, und vor den Fenstern der Geliebten mit ihren Nebenbuhlern die Klingen kreuzen, — und romantische Geschichten von Eifersucht und Grossmuth, von treuer Freundschaft und Selbstverleugnung. Sie erzählen viel von den Wettkämpfen der Poesie und Musik in schönen Gärten, unter blühenden Bäumen, am Ufer rieselnder Bäche oder stiller Seen.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/60>, abgerufen am 27.11.2024.