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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Tempel im Hondzo. Verkehr mit den Gesandtschaften. V.
freundlich aufgenommen und mit Thee bewirthet wurden; wir sassen
umgeben von einem dichten Menschenhaufen, der sich allmälich
aus der Nachbarschaft angesammelt und bis in die Zimmer gedrängt
hatte. Es erregte hier grosses Gelächter, als wir die Pferde von der
linken Seite bestiegen. Der Rückweg wurde in der Dämmerung
zurückgelegt, und der Tokaido war so voll dass man nur Schritt
reiten konnte.

Ein anderer Tempel im nördlichen Theile des Hondzo ist
durch seinen Eingang merkwürdig. Man tritt durch das Portal in
einen viereckigen Vorhof, dessen Areal ein Wasserbassin fast ganz
ausfüllt; darin liegen im Radius der ganzen Anlage zwei Inselchen,
durch Brücken mit einander und mit den Ufern verbunden. Der
grade Weg nach dem Tempel liegt über diese Brücken, von denen
die äusseren so hoch gewölbt sind, dass man nur darüber klettern
kann; der gezimmerte Brückenbogen bildet einen vollständigen
Halbkreis. Glücklicherweise für Solche, die Turnübungen nicht
lieben, führt ein schmaler Gang längs den Seiten des Hofes um
das Bassin herum. -- Die Bonzen und die zugeströmte Bevölkerung
waren auch in diesem von Fremden noch nicht besuchten Tempel
sehr neugierig und höflich.

So verstrich die zweite Hälfte des September; der Gesandte
verkehrte viel mit den Herren Harris und de Bellecourt, welche
im Stande waren mancherlei Aufschlüsse über das Land und seine
Zustände zu geben. Heusken begleitete den Grafen Eulenburg
täglich auf seinen Spazierritten und blieb dann gewöhnlich zu Tisch
und den Abend über in Akabane. Auch der Umgang des Abbe
Girard, eines viel gereisten kenntnissreichen Mannes, der lange auf
den Liu-kiu-Inseln gelebt und sich mit dem Studium des Japa-
nischen beschäftigt hatte, war sehr lehrreich und erfreulich. Wir
fanden bei den Vertretern von Frankreich und Amerika erwünschte
Gelegenheit, durch Anschauung der von ihnen gesammelten kunst-
reichen Arbeiten und Landesproducte unsere Kenntnisse zu erweitern;
sie bewirtheten die preussische Gesandtschaft mehrfach in ihren
Tempeln. Der Koch des Herrn von Bellecourt, ein Chinese, hätte
sein Glück in Paris machen können, und die heitere Laune des
Wirthes, der seine Verbannung aus dem schönen Frankreich mit
jovialer Schwermuth trug, erhob das Gastmal zu einem wahren
Feste. -- Bei einem von Herrn Harris gegebenen Frühstück pro-
ducirten sich Jongleure, welche das Unglaubliche und Unbegreifliche

Tempel im Hondžo. Verkehr mit den Gesandtschaften. V.
freundlich aufgenommen und mit Thee bewirthet wurden; wir sassen
umgeben von einem dichten Menschenhaufen, der sich allmälich
aus der Nachbarschaft angesammelt und bis in die Zimmer gedrängt
hatte. Es erregte hier grosses Gelächter, als wir die Pferde von der
linken Seite bestiegen. Der Rückweg wurde in der Dämmerung
zurückgelegt, und der Tokaïdo war so voll dass man nur Schritt
reiten konnte.

Ein anderer Tempel im nördlichen Theile des Hondžo ist
durch seinen Eingang merkwürdig. Man tritt durch das Portal in
einen viereckigen Vorhof, dessen Areal ein Wasserbassin fast ganz
ausfüllt; darin liegen im Radius der ganzen Anlage zwei Inselchen,
durch Brücken mit einander und mit den Ufern verbunden. Der
grade Weg nach dem Tempel liegt über diese Brücken, von denen
die äusseren so hoch gewölbt sind, dass man nur darüber klettern
kann; der gezimmerte Brückenbogen bildet einen vollständigen
Halbkreis. Glücklicherweise für Solche, die Turnübungen nicht
lieben, führt ein schmaler Gang längs den Seiten des Hofes um
das Bassin herum. — Die Bonzen und die zugeströmte Bevölkerung
waren auch in diesem von Fremden noch nicht besuchten Tempel
sehr neugierig und höflich.

So verstrich die zweite Hälfte des September; der Gesandte
verkehrte viel mit den Herren Harris und de Bellecourt, welche
im Stande waren mancherlei Aufschlüsse über das Land und seine
Zustände zu geben. Heusken begleitete den Grafen Eulenburg
täglich auf seinen Spazierritten und blieb dann gewöhnlich zu Tisch
und den Abend über in Akabane. Auch der Umgang des Abbé
Girard, eines viel gereisten kenntnissreichen Mannes, der lange auf
den Liu-kiu-Inseln gelebt und sich mit dem Studium des Japa-
nischen beschäftigt hatte, war sehr lehrreich und erfreulich. Wir
fanden bei den Vertretern von Frankreich und Amerika erwünschte
Gelegenheit, durch Anschauung der von ihnen gesammelten kunst-
reichen Arbeiten und Landesproducte unsere Kenntnisse zu erweitern;
sie bewirtheten die preussische Gesandtschaft mehrfach in ihren
Tempeln. Der Koch des Herrn von Bellecourt, ein Chinese, hätte
sein Glück in Paris machen können, und die heitere Laune des
Wirthes, der seine Verbannung aus dem schönen Frankreich mit
jovialer Schwermuth trug, erhob das Gastmal zu einem wahren
Feste. — Bei einem von Herrn Harris gegebenen Frühstück pro-
ducirten sich Jongleure, welche das Unglaubliche und Unbegreifliche

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[346/0376] Tempel im Hondžo. Verkehr mit den Gesandtschaften. V. freundlich aufgenommen und mit Thee bewirthet wurden; wir sassen umgeben von einem dichten Menschenhaufen, der sich allmälich aus der Nachbarschaft angesammelt und bis in die Zimmer gedrängt hatte. Es erregte hier grosses Gelächter, als wir die Pferde von der linken Seite bestiegen. Der Rückweg wurde in der Dämmerung zurückgelegt, und der Tokaïdo war so voll dass man nur Schritt reiten konnte. Ein anderer Tempel im nördlichen Theile des Hondžo ist durch seinen Eingang merkwürdig. Man tritt durch das Portal in einen viereckigen Vorhof, dessen Areal ein Wasserbassin fast ganz ausfüllt; darin liegen im Radius der ganzen Anlage zwei Inselchen, durch Brücken mit einander und mit den Ufern verbunden. Der grade Weg nach dem Tempel liegt über diese Brücken, von denen die äusseren so hoch gewölbt sind, dass man nur darüber klettern kann; der gezimmerte Brückenbogen bildet einen vollständigen Halbkreis. Glücklicherweise für Solche, die Turnübungen nicht lieben, führt ein schmaler Gang längs den Seiten des Hofes um das Bassin herum. — Die Bonzen und die zugeströmte Bevölkerung waren auch in diesem von Fremden noch nicht besuchten Tempel sehr neugierig und höflich. So verstrich die zweite Hälfte des September; der Gesandte verkehrte viel mit den Herren Harris und de Bellecourt, welche im Stande waren mancherlei Aufschlüsse über das Land und seine Zustände zu geben. Heusken begleitete den Grafen Eulenburg täglich auf seinen Spazierritten und blieb dann gewöhnlich zu Tisch und den Abend über in Akabane. Auch der Umgang des Abbé Girard, eines viel gereisten kenntnissreichen Mannes, der lange auf den Liu-kiu-Inseln gelebt und sich mit dem Studium des Japa- nischen beschäftigt hatte, war sehr lehrreich und erfreulich. Wir fanden bei den Vertretern von Frankreich und Amerika erwünschte Gelegenheit, durch Anschauung der von ihnen gesammelten kunst- reichen Arbeiten und Landesproducte unsere Kenntnisse zu erweitern; sie bewirtheten die preussische Gesandtschaft mehrfach in ihren Tempeln. Der Koch des Herrn von Bellecourt, ein Chinese, hätte sein Glück in Paris machen können, und die heitere Laune des Wirthes, der seine Verbannung aus dem schönen Frankreich mit jovialer Schwermuth trug, erhob das Gastmal zu einem wahren Feste. — Bei einem von Herrn Harris gegebenen Frühstück pro- ducirten sich Jongleure, welche das Unglaubliche und Unbegreifliche

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/376>, abgerufen am 22.11.2024.