V. Die Strassen der aristokratischen Viertel. Yamaske's.
stellenweise die Ausdehnung grosser Teiche annehmen. Herrliche Baumgruppen neigen sich über die lotusbewachsenen Becken die von Tausenden wilder Enten bevölkert sind, und in den Tannen des Mauerwalles horsten ungeheure Schwärme von Raben und Raub- vögeln; sie werden von Niemand gestört, denn die Jagd ist kaiser- liches Regal.
Die Strassen dieser Stadtquartiere sind grade, rechtwinklig, einförmig und wenig belebt. Während in den vom Volke bewohn- ten Vierteln der Boden nur festgestampft ist und bei nassem Wetter leicht aufweicht, sind die Wege hier meist macadamisirt, strecken- weise auch mit Kies beschüttet. Eigentliches Strassenpflaster kennt man in Japan nicht, nur durch die Höfe und Parkanlagen der Tempel und Paläste laufen breite Bahnen von flachen Quadersteinen. -- Die Facaden der Paläste -- wenn man einstöckige Gebäude von grosser Ausdehnung so nennen darf -- zeichnen sich nach der Strasse nur durch ihre ungeheure Länge aus, die oft wohl 600 Schritt und darüber betragen mag. Diese langen Gebäude bilden aber in der That nur die Einfassung des Grundstückes, und mögen Pferde- ställe, Arbeitsschuppen und die Wohnungen untergeordneter Diener enthalten, sie haben nach der Strasse nur kleine Gitterfenster, welche gewöhnlich durch Läden geschlossen sind 10); die Wohngebäude der Herrschaft und ihres Gefolges liegen im Inneren, von Höfen und Gärten umgeben. Bekleidet ist die Strassenfront bis zur Höhe von etwa zwölf Fuss mit einfachem Bretterwerk oder netzförmigem Bewurf von weissem und grauem Stuck; darüber läuft vier bis fünf Fuss breit ein glatter weissgetünchter Streifen hin; das Dach ist von grauen Ziegeln, deren vorderste Reihe häufig das Wappen des Besitzers zeigt. Die Fundamente bestehen aus grossen Bruchsteinen, treten aber nur bei unebenem Terrain recht zu Tage und zeigen dann sehr schöne polygonische Mauerarbeit. Der einzige bemer- kenswerthe Theil dieser Facaden sind die Portale; sie nehmen bei grosser Breite die ganze Mauerhöhe des Gebäudes ein und liegen etwas vertieft; zu beiden Seiten springen erkerartige Logen mit Gitterfenstern für die Thürhüter und Wachen hervor. Daneben sieht man häufig noch eine vom Dach geschützte breite Mauernische, wo dicke sauber geglättete Pfähle mit bronzenen Köpfen und Ringen zum Anbinden der Pferde eingerammt sind. Das Portal selbst ist aus mächtigen Balken von schönem Holze gezimmert, sorgfältig
10) Eine solche Facade zeigt Blatt 2 der "Ansichten aus Japan, China und Siam".
V. Die Strassen der aristokratischen Viertel. Yamaske’s.
stellenweise die Ausdehnung grosser Teiche annehmen. Herrliche Baumgruppen neigen sich über die lotusbewachsenen Becken die von Tausenden wilder Enten bevölkert sind, und in den Tannen des Mauerwalles horsten ungeheure Schwärme von Raben und Raub- vögeln; sie werden von Niemand gestört, denn die Jagd ist kaiser- liches Regal.
Die Strassen dieser Stadtquartiere sind grade, rechtwinklig, einförmig und wenig belebt. Während in den vom Volke bewohn- ten Vierteln der Boden nur festgestampft ist und bei nassem Wetter leicht aufweicht, sind die Wege hier meist macadamisirt, strecken- weise auch mit Kies beschüttet. Eigentliches Strassenpflaster kennt man in Japan nicht, nur durch die Höfe und Parkanlagen der Tempel und Paläste laufen breite Bahnen von flachen Quadersteinen. — Die Façaden der Paläste — wenn man einstöckige Gebäude von grosser Ausdehnung so nennen darf — zeichnen sich nach der Strasse nur durch ihre ungeheure Länge aus, die oft wohl 600 Schritt und darüber betragen mag. Diese langen Gebäude bilden aber in der That nur die Einfassung des Grundstückes, und mögen Pferde- ställe, Arbeitsschuppen und die Wohnungen untergeordneter Diener enthalten, sie haben nach der Strasse nur kleine Gitterfenster, welche gewöhnlich durch Läden geschlossen sind 10); die Wohngebäude der Herrschaft und ihres Gefolges liegen im Inneren, von Höfen und Gärten umgeben. Bekleidet ist die Strassenfront bis zur Höhe von etwa zwölf Fuss mit einfachem Bretterwerk oder netzförmigem Bewurf von weissem und grauem Stuck; darüber läuft vier bis fünf Fuss breit ein glatter weissgetünchter Streifen hin; das Dach ist von grauen Ziegeln, deren vorderste Reihe häufig das Wappen des Besitzers zeigt. Die Fundamente bestehen aus grossen Bruchsteinen, treten aber nur bei unebenem Terrain recht zu Tage und zeigen dann sehr schöne polygonische Mauerarbeit. Der einzige bemer- kenswerthe Theil dieser Façaden sind die Portale; sie nehmen bei grosser Breite die ganze Mauerhöhe des Gebäudes ein und liegen etwas vertieft; zu beiden Seiten springen erkerartige Logen mit Gitterfenstern für die Thürhüter und Wachen hervor. Daneben sieht man häufig noch eine vom Dach geschützte breite Mauernische, wo dicke sauber geglättete Pfähle mit bronzenen Köpfen und Ringen zum Anbinden der Pferde eingerammt sind. Das Portal selbst ist aus mächtigen Balken von schönem Holze gezimmert, sorgfältig
10) Eine solche Façade zeigt Blatt 2 der »Ansichten aus Japan, China und Siam«.
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V. Die Strassen der aristokratischen Viertel. Yamaske’s.
stellenweise die Ausdehnung grosser Teiche annehmen. Herrliche
Baumgruppen neigen sich über die lotusbewachsenen Becken die
von Tausenden wilder Enten bevölkert sind, und in den Tannen
des Mauerwalles horsten ungeheure Schwärme von Raben und Raub-
vögeln; sie werden von Niemand gestört, denn die Jagd ist kaiser-
liches Regal.
Die Strassen dieser Stadtquartiere sind grade, rechtwinklig,
einförmig und wenig belebt. Während in den vom Volke bewohn-
ten Vierteln der Boden nur festgestampft ist und bei nassem Wetter
leicht aufweicht, sind die Wege hier meist macadamisirt, strecken-
weise auch mit Kies beschüttet. Eigentliches Strassenpflaster kennt
man in Japan nicht, nur durch die Höfe und Parkanlagen der
Tempel und Paläste laufen breite Bahnen von flachen Quadersteinen. —
Die Façaden der Paläste — wenn man einstöckige Gebäude von
grosser Ausdehnung so nennen darf — zeichnen sich nach der
Strasse nur durch ihre ungeheure Länge aus, die oft wohl 600 Schritt
und darüber betragen mag. Diese langen Gebäude bilden aber in
der That nur die Einfassung des Grundstückes, und mögen Pferde-
ställe, Arbeitsschuppen und die Wohnungen untergeordneter Diener
enthalten, sie haben nach der Strasse nur kleine Gitterfenster, welche
gewöhnlich durch Läden geschlossen sind 10); die Wohngebäude der
Herrschaft und ihres Gefolges liegen im Inneren, von Höfen und
Gärten umgeben. Bekleidet ist die Strassenfront bis zur Höhe von
etwa zwölf Fuss mit einfachem Bretterwerk oder netzförmigem
Bewurf von weissem und grauem Stuck; darüber läuft vier bis fünf
Fuss breit ein glatter weissgetünchter Streifen hin; das Dach ist von
grauen Ziegeln, deren vorderste Reihe häufig das Wappen des
Besitzers zeigt. Die Fundamente bestehen aus grossen Bruchsteinen,
treten aber nur bei unebenem Terrain recht zu Tage und zeigen
dann sehr schöne polygonische Mauerarbeit. Der einzige bemer-
kenswerthe Theil dieser Façaden sind die Portale; sie nehmen bei
grosser Breite die ganze Mauerhöhe des Gebäudes ein und liegen
etwas vertieft; zu beiden Seiten springen erkerartige Logen mit
Gitterfenstern für die Thürhüter und Wachen hervor. Daneben sieht
man häufig noch eine vom Dach geschützte breite Mauernische, wo
dicke sauber geglättete Pfähle mit bronzenen Köpfen und Ringen
zum Anbinden der Pferde eingerammt sind. Das Portal selbst ist
aus mächtigen Balken von schönem Holze gezimmert, sorgfältig
10) Eine solche Façade zeigt Blatt 2 der »Ansichten aus Japan, China und Siam«.
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/355>, abgerufen am 16.02.2025.
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