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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Die Forts. Der Landungsplatz der Fremden. V.

Das seichte Wasser gewährt an sich der Hauptstadt grosse
Sicherheit gegen einen Angriff zur See; zum Ueberfluss hat aber
die Regierung noch fünf mächtige Forts hineingebaut, die, an der
Südspitze der Stadt etwa zwei Seemeilen vom Lande beginnend, in
ihrer Front eine gekrümmte Linie nach Osten bilden. Sie sind auf
eingerammtem Pfahlrost massiv aus Quadern erbaut, oben mit grünen
Wällen versehen von denen schweres Geschütz herabschaut, jedem
Bootsangriff Trotz bietend, aber gegen die gezogenen Schiffscanonen
unserer Zeit auf die Länge unhaltbar. Sie beherrschen nur etwa
den dritten Theil der Breite, die westliche Seite der Bucht, und
könnten östlich leicht umgangen werden; aber hier säumt eine
lange Reihe von Strandbatterieen das Ufer, welche den Geschützen
auf der Rhede ankernder Kriegsschiffe unerreichbar sind und ge-
schickt bedient wohl den heftigsten Bootsangriff abweisen könnten.
Die Forts müssten genommen werden um Yeddo von dieser Seite
anzugreifen, und würden, gut vertheidigt, dem Feinde blutige
Arbeit kosten.

Bei Annäherung von der Rhede ahnt man die grosse Stadt
nicht; die Häuserreihen am Ufer sind unbedeutend und von Gärten
und Rasenterrassen vielfach unterbrochen, die wenigen Höhen grün
bewachsen und mit zerstreuten Gebäuden besät, der Eindruck ist
vielmehr ländlich. Die Bewohner von Yeddo selbst haben wenig Ver-
kehr mit der Rhede, ihre Dschunken laufen in den O-gava ein. Für die
Fremden -- die Bewohner der Legationen und die Marine-Officiere --
hat man einen Landungsplatz besonders gebaut, mit massiven Boll-
werken und Treppen und einem geräumigen Hof, wo sie ihre Habselig-
keiten ausladen und in Ruhe die Pferde und Sänften besteigen können,
Alles sehr zweckmässig und bequem. Hier harren ihrer in einem
Wachthause beständig Dolmetscher und Yakunine, welche sie an
die Gesandtschaften abzuliefern haben; auch Boote nach den Schiffen
liegen zu mässigen Preisen bereit. -- Von diesem Hofe öffnet sich
ein breiter schwarzer Thorweg auf die grosse Heerstrasse, den
Tokaido, der hier das Meeresufer berührt und nach links eine
Strecke hart am Strande, dann weiter durch die Vorstädte Sinagava
und Omagava läuft. Dem Thorweg grade gegenüber liegt die Strasse
welche nach Akabane führt; nach rechts wendet sich der Tokaido
nördlich in das gewerbliche Viertel dem Mittelpuncte der Stadt zu,
eine grade, breite Strasse von unabsehbarer Länge. Alle acht-
hundert Schritt weit stehen Thorwege, welche bei Unruhen und

Die Forts. Der Landungsplatz der Fremden. V.

Das seichte Wasser gewährt an sich der Hauptstadt grosse
Sicherheit gegen einen Angriff zur See; zum Ueberfluss hat aber
die Regierung noch fünf mächtige Forts hineingebaut, die, an der
Südspitze der Stadt etwa zwei Seemeilen vom Lande beginnend, in
ihrer Front eine gekrümmte Linie nach Osten bilden. Sie sind auf
eingerammtem Pfahlrost massiv aus Quadern erbaut, oben mit grünen
Wällen versehen von denen schweres Geschütz herabschaut, jedem
Bootsangriff Trotz bietend, aber gegen die gezogenen Schiffscanonen
unserer Zeit auf die Länge unhaltbar. Sie beherrschen nur etwa
den dritten Theil der Breite, die westliche Seite der Bucht, und
könnten östlich leicht umgangen werden; aber hier säumt eine
lange Reihe von Strandbatterieen das Ufer, welche den Geschützen
auf der Rhede ankernder Kriegsschiffe unerreichbar sind und ge-
schickt bedient wohl den heftigsten Bootsangriff abweisen könnten.
Die Forts müssten genommen werden um Yeddo von dieser Seite
anzugreifen, und würden, gut vertheidigt, dem Feinde blutige
Arbeit kosten.

Bei Annäherung von der Rhede ahnt man die grosse Stadt
nicht; die Häuserreihen am Ufer sind unbedeutend und von Gärten
und Rasenterrassen vielfach unterbrochen, die wenigen Höhen grün
bewachsen und mit zerstreuten Gebäuden besät, der Eindruck ist
vielmehr ländlich. Die Bewohner von Yeddo selbst haben wenig Ver-
kehr mit der Rhede, ihre Dschunken laufen in den O-gava ein. Für die
Fremden — die Bewohner der Legationen und die Marine-Officiere —
hat man einen Landungsplatz besonders gebaut, mit massiven Boll-
werken und Treppen und einem geräumigen Hof, wo sie ihre Habselig-
keiten ausladen und in Ruhe die Pferde und Sänften besteigen können,
Alles sehr zweckmässig und bequem. Hier harren ihrer in einem
Wachthause beständig Dolmetscher und Yakunine, welche sie an
die Gesandtschaften abzuliefern haben; auch Boote nach den Schiffen
liegen zu mässigen Preisen bereit. — Von diesem Hofe öffnet sich
ein breiter schwarzer Thorweg auf die grosse Heerstrasse, den
Tokaïdo, der hier das Meeresufer berührt und nach links eine
Strecke hart am Strande, dann weiter durch die Vorstädte Sinagava
und Omagava läuft. Dem Thorweg grade gegenüber liegt die Strasse
welche nach Akabane führt; nach rechts wendet sich der Tokaïdo
nördlich in das gewerbliche Viertel dem Mittelpuncte der Stadt zu,
eine grade, breite Strasse von unabsehbarer Länge. Alle acht-
hundert Schritt weit stehen Thorwege, welche bei Unruhen und

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[298/0328] Die Forts. Der Landungsplatz der Fremden. V. Das seichte Wasser gewährt an sich der Hauptstadt grosse Sicherheit gegen einen Angriff zur See; zum Ueberfluss hat aber die Regierung noch fünf mächtige Forts hineingebaut, die, an der Südspitze der Stadt etwa zwei Seemeilen vom Lande beginnend, in ihrer Front eine gekrümmte Linie nach Osten bilden. Sie sind auf eingerammtem Pfahlrost massiv aus Quadern erbaut, oben mit grünen Wällen versehen von denen schweres Geschütz herabschaut, jedem Bootsangriff Trotz bietend, aber gegen die gezogenen Schiffscanonen unserer Zeit auf die Länge unhaltbar. Sie beherrschen nur etwa den dritten Theil der Breite, die westliche Seite der Bucht, und könnten östlich leicht umgangen werden; aber hier säumt eine lange Reihe von Strandbatterieen das Ufer, welche den Geschützen auf der Rhede ankernder Kriegsschiffe unerreichbar sind und ge- schickt bedient wohl den heftigsten Bootsangriff abweisen könnten. Die Forts müssten genommen werden um Yeddo von dieser Seite anzugreifen, und würden, gut vertheidigt, dem Feinde blutige Arbeit kosten. Bei Annäherung von der Rhede ahnt man die grosse Stadt nicht; die Häuserreihen am Ufer sind unbedeutend und von Gärten und Rasenterrassen vielfach unterbrochen, die wenigen Höhen grün bewachsen und mit zerstreuten Gebäuden besät, der Eindruck ist vielmehr ländlich. Die Bewohner von Yeddo selbst haben wenig Ver- kehr mit der Rhede, ihre Dschunken laufen in den O-gava ein. Für die Fremden — die Bewohner der Legationen und die Marine-Officiere — hat man einen Landungsplatz besonders gebaut, mit massiven Boll- werken und Treppen und einem geräumigen Hof, wo sie ihre Habselig- keiten ausladen und in Ruhe die Pferde und Sänften besteigen können, Alles sehr zweckmässig und bequem. Hier harren ihrer in einem Wachthause beständig Dolmetscher und Yakunine, welche sie an die Gesandtschaften abzuliefern haben; auch Boote nach den Schiffen liegen zu mässigen Preisen bereit. — Von diesem Hofe öffnet sich ein breiter schwarzer Thorweg auf die grosse Heerstrasse, den Tokaïdo, der hier das Meeresufer berührt und nach links eine Strecke hart am Strande, dann weiter durch die Vorstädte Sinagava und Omagava läuft. Dem Thorweg grade gegenüber liegt die Strasse welche nach Akabane führt; nach rechts wendet sich der Tokaïdo nördlich in das gewerbliche Viertel dem Mittelpuncte der Stadt zu, eine grade, breite Strasse von unabsehbarer Länge. Alle acht- hundert Schritt weit stehen Thorwege, welche bei Unruhen und

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/328>, abgerufen am 25.11.2024.