IV. Ankunft der Thetis. -- Die Verhältnisse in Japan seit Juli 1859.
Am folgenden Morgen, den vierzehnten, ging die Thetis14. Septbr. auf der Rhede vor Anker. Einige ihrer Passagiere kamen in dem Augenblick nach Akabane, als der Gesandte zum Besuche bei dem Minister aufbrach. Sie brachten leider keine Nachricht von dem Frauenlob, dessen Untergang nun immer wahrschein- licher wurde.
Vor Beschreibung des Besuches bei dem Minister Ando Tsus-sima-no-Kami muss hier in Kurzem Rechenschaft von der Entwickelung der japanischen Verhältnisse und dem Verkehr der Ausländer seit der Ankunft ihrer diplomatischen Vertreter gege- ben werden.
Der englische Gesandte Herr Alcock und der amerikanische Minister-Resident Herr Townsend Harris waren die ersten, welche -- im Juni 1859 -- in Yeddo eintrafen. Die japanischen Behörden empfingen sie mit grosser Artigkeit und stellten die Nebengebäude mehrerer Tempel zur Verfügung, unter denen sie selbst ihre Woh- nungen wählen konnten. Die ratificirten Verträge wurden nach Beseitigung einiger formellen Schwierigkeiten feierlich ausgewechselt, und die Sachen gingen so glatt als man kaum erwartet hatte. Bei alle dem fanden die Fremden, dass sie von den Japanern hinter- gangen und gewissermaassen wie Feinde behandelt wurden. Man begegnete ihnen höflich und zuvorkommend, aber nicht offen, und suchte namentlich jede freie Bewegung und den Verkehr mit den Eingeborenen zu hemmen. Alle Maassregeln der Regierung schienen berechnet, die Wirksamkeit der Verträge aufzuheben ohne ihre äussere Form zu brechen. Der freie Verkehr mit den Landesbe- wohnern ohne Dazwischenkunft der Beamten war die Wurzel, aus welcher allein der Handel der westlichen Völker erwachsen konnte, der Cardinalpunct aller Verträge von 1858, und grade dieses wich- tigste Zugeständniss sollte ihnen verkümmert werden. Der Gedanke, dass der unbeschränkte Fremdenverkehr jetzt wie vor zweihundert Jahren leicht zu einer politischen Umwälzung führen könne, lag für die Japaner sehr nah, und man suchte nach Mitteln dieses Unglück abzuwenden. An offenen Bruch der Verträge war nicht zu denken; man musste sie zu umgehen suchen, und das führte zu der zweideutigen Politik, aus welcher so viel Unheil entstanden ist. Die Doppelzüngigkeit der Beamten, -- die gewiss nur zuweilen aus
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IV. Ankunft der Thetis. — Die Verhältnisse in Japan seit Juli 1859.
Am folgenden Morgen, den vierzehnten, ging die Thetis14. Septbr. auf der Rhede vor Anker. Einige ihrer Passagiere kamen in dem Augenblick nach Akabane, als der Gesandte zum Besuche bei dem Minister aufbrach. Sie brachten leider keine Nachricht von dem Frauenlob, dessen Untergang nun immer wahrschein- licher wurde.
Vor Beschreibung des Besuches bei dem Minister Ando Tsus-sima-no-Kami muss hier in Kurzem Rechenschaft von der Entwickelung der japanischen Verhältnisse und dem Verkehr der Ausländer seit der Ankunft ihrer diplomatischen Vertreter gege- ben werden.
Der englische Gesandte Herr Alcock und der amerikanische Minister-Resident Herr Townsend Harris waren die ersten, welche — im Juni 1859 — in Yeddo eintrafen. Die japanischen Behörden empfingen sie mit grosser Artigkeit und stellten die Nebengebäude mehrerer Tempel zur Verfügung, unter denen sie selbst ihre Woh- nungen wählen konnten. Die ratificirten Verträge wurden nach Beseitigung einiger formellen Schwierigkeiten feierlich ausgewechselt, und die Sachen gingen so glatt als man kaum erwartet hatte. Bei alle dem fanden die Fremden, dass sie von den Japanern hinter- gangen und gewissermaassen wie Feinde behandelt wurden. Man begegnete ihnen höflich und zuvorkommend, aber nicht offen, und suchte namentlich jede freie Bewegung und den Verkehr mit den Eingeborenen zu hemmen. Alle Maassregeln der Regierung schienen berechnet, die Wirksamkeit der Verträge aufzuheben ohne ihre äussere Form zu brechen. Der freie Verkehr mit den Landesbe- wohnern ohne Dazwischenkunft der Beamten war die Wurzel, aus welcher allein der Handel der westlichen Völker erwachsen konnte, der Cardinalpunct aller Verträge von 1858, und grade dieses wich- tigste Zugeständniss sollte ihnen verkümmert werden. Der Gedanke, dass der unbeschränkte Fremdenverkehr jetzt wie vor zweihundert Jahren leicht zu einer politischen Umwälzung führen könne, lag für die Japaner sehr nah, und man suchte nach Mitteln dieses Unglück abzuwenden. An offenen Bruch der Verträge war nicht zu denken; man musste sie zu umgehen suchen, und das führte zu der zweideutigen Politik, aus welcher so viel Unheil entstanden ist. Die Doppelzüngigkeit der Beamten, — die gewiss nur zuweilen aus
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IV. Ankunft der Thetis. — Die Verhältnisse in Japan seit Juli 1859.
Am folgenden Morgen, den vierzehnten, ging die Thetis
auf der Rhede vor Anker. Einige ihrer Passagiere kamen in
dem Augenblick nach Akabane, als der Gesandte zum Besuche
bei dem Minister aufbrach. Sie brachten leider keine Nachricht
von dem Frauenlob, dessen Untergang nun immer wahrschein-
licher wurde.
14. Septbr.
Vor Beschreibung des Besuches bei dem Minister Ando
Tsus-sima-no-Kami muss hier in Kurzem Rechenschaft von der
Entwickelung der japanischen Verhältnisse und dem Verkehr der
Ausländer seit der Ankunft ihrer diplomatischen Vertreter gege-
ben werden.
Der englische Gesandte Herr Alcock und der amerikanische
Minister-Resident Herr Townsend Harris waren die ersten, welche
— im Juni 1859 — in Yeddo eintrafen. Die japanischen Behörden
empfingen sie mit grosser Artigkeit und stellten die Nebengebäude
mehrerer Tempel zur Verfügung, unter denen sie selbst ihre Woh-
nungen wählen konnten. Die ratificirten Verträge wurden nach
Beseitigung einiger formellen Schwierigkeiten feierlich ausgewechselt,
und die Sachen gingen so glatt als man kaum erwartet hatte. Bei
alle dem fanden die Fremden, dass sie von den Japanern hinter-
gangen und gewissermaassen wie Feinde behandelt wurden. Man
begegnete ihnen höflich und zuvorkommend, aber nicht offen, und
suchte namentlich jede freie Bewegung und den Verkehr mit den
Eingeborenen zu hemmen. Alle Maassregeln der Regierung schienen
berechnet, die Wirksamkeit der Verträge aufzuheben ohne ihre
äussere Form zu brechen. Der freie Verkehr mit den Landesbe-
wohnern ohne Dazwischenkunft der Beamten war die Wurzel, aus
welcher allein der Handel der westlichen Völker erwachsen konnte,
der Cardinalpunct aller Verträge von 1858, und grade dieses wich-
tigste Zugeständniss sollte ihnen verkümmert werden. Der Gedanke,
dass der unbeschränkte Fremdenverkehr jetzt wie vor zweihundert
Jahren leicht zu einer politischen Umwälzung führen könne, lag
für die Japaner sehr nah, und man suchte nach Mitteln dieses
Unglück abzuwenden. An offenen Bruch der Verträge war nicht
zu denken; man musste sie zu umgehen suchen, und das führte zu
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/303>, abgerufen am 25.11.2024.
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