Arbeit. Die Japaner bauen alle ihre Bedachungen möglichst schwer, und glauben dadurch der Gewalt der Erdbeben trotzen zu können.
Das Hauptgebäude des Gesandtschaftshauses war beträchtlich höher als die anderen, und enthielt drei Räume, die sich nach einem kleinen grünen Hofe öffneten. Vor denselben lief, wie bei den meisten Wohnräumen der Japaner, eine bedeckte Veranda von vier Fuss Breite hin, gebildet durch das überkragende, auf Pfosten ruhende Dach. Abends setzt man diese Gänge mit Bretterläden zu, wodurch das Haus geschlossen wird. Der erste der drei Empfangs- räume diente dem Gesandten als Esszimmer, der zweite communicirte durch ein Vorzimmer mit der Eingangshalle, der dritte war eigentlich das Allerheiligste. Hier lag in der Rückwand eine Nische mit er- höhtem Estrich, von wo nach japanischer Sitte der vornehme Hausherr alle Besuche empfangen soll. Geringere werden nicht einmal in dasselbe Zimmer zugelassen, sondern nehmen in dem an- stossenden Gemache mit dem Gesicht gegen die Tapetenwand Platz, deren mittelste Schirme zur Audienz zurückgeschoben, auf den Wink des Herrn aber wieder geschlossen werden. In einer kleineren Nische neben der erwähnten steht unten ein Gestell für die Schwerter der Besuchenden; im oberen Theile ist ein etagere-artiges lackirtes Möbel eingefügt, dessen Fächer Schiebethüren haben; darin bewahrt der Japaner seine Kostbarkeiten und Curiositäten. -- Diese drei Zimmer konnten in wenig Minuten zu einem grossen Raume vereinigt werden, in welchem sich Abends die Mitglieder der Expedition bei dem Gesandten zu versammeln pflegten. Die Holzpfeiler, welche die Decke tragen, sind in sechs bis sieben Fuss Höhe durch wagerechte Balken verbunden; zwischen diesen und den Falzen im Fussboden laufen die unteren Schiebewände. Der Raum zwischen dem Queer- balken und der Decke, drei bis vier Fuss, ist mit einem leichten Lattengitter ausgefüllt und nebenbei ebenfalls mit Schirmen von durchscheinendem Papier zugesetzt, die auf- und zugeschoben oder auch ganz entfernt werden können. So hat man immer Luft und Licht von oben, von unten, so wenig oder so viel man will. Um die beiden letzten Empfangsräume lief auch an der inwendigen Seite ein schmaler Corridor, wo bei den Besuchen der Bunyo's ihr niederes Gefolge und die Schreiber Platz nahmen. Das Holzwerk in allen diesen Räumen war fein geschliffen, nur die Einfassung der mit weissen Glanztapeten beklebten Schiebewände schwarz lackirt. Die
IV. Die Empfangszimmer.
Arbeit. Die Japaner bauen alle ihre Bedachungen möglichst schwer, und glauben dadurch der Gewalt der Erdbeben trotzen zu können.
Das Hauptgebäude des Gesandtschaftshauses war beträchtlich höher als die anderen, und enthielt drei Räume, die sich nach einem kleinen grünen Hofe öffneten. Vor denselben lief, wie bei den meisten Wohnräumen der Japaner, eine bedeckte Veranda von vier Fuss Breite hin, gebildet durch das überkragende, auf Pfosten ruhende Dach. Abends setzt man diese Gänge mit Bretterläden zu, wodurch das Haus geschlossen wird. Der erste der drei Empfangs- räume diente dem Gesandten als Esszimmer, der zweite communicirte durch ein Vorzimmer mit der Eingangshalle, der dritte war eigentlich das Allerheiligste. Hier lag in der Rückwand eine Nische mit er- höhtem Estrich, von wo nach japanischer Sitte der vornehme Hausherr alle Besuche empfangen soll. Geringere werden nicht einmal in dasselbe Zimmer zugelassen, sondern nehmen in dem an- stossenden Gemache mit dem Gesicht gegen die Tapetenwand Platz, deren mittelste Schirme zur Audienz zurückgeschoben, auf den Wink des Herrn aber wieder geschlossen werden. In einer kleineren Nische neben der erwähnten steht unten ein Gestell für die Schwerter der Besuchenden; im oberen Theile ist ein étagère-artiges lackirtes Möbel eingefügt, dessen Fächer Schiebethüren haben; darin bewahrt der Japaner seine Kostbarkeiten und Curiositäten. — Diese drei Zimmer konnten in wenig Minuten zu einem grossen Raume vereinigt werden, in welchem sich Abends die Mitglieder der Expedition bei dem Gesandten zu versammeln pflegten. Die Holzpfeiler, welche die Decke tragen, sind in sechs bis sieben Fuss Höhe durch wagerechte Balken verbunden; zwischen diesen und den Falzen im Fussboden laufen die unteren Schiebewände. Der Raum zwischen dem Queer- balken und der Decke, drei bis vier Fuss, ist mit einem leichten Lattengitter ausgefüllt und nebenbei ebenfalls mit Schirmen von durchscheinendem Papier zugesetzt, die auf- und zugeschoben oder auch ganz entfernt werden können. So hat man immer Luft und Licht von oben, von unten, so wenig oder so viel man will. Um die beiden letzten Empfangsräume lief auch an der inwendigen Seite ein schmaler Corridor, wo bei den Besuchen der Bunyo’s ihr niederes Gefolge und die Schreiber Platz nahmen. Das Holzwerk in allen diesen Räumen war fein geschliffen, nur die Einfassung der mit weissen Glanztapeten beklebten Schiebewände schwarz lackirt. Die
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IV. Die Empfangszimmer.
Arbeit. Die Japaner bauen alle ihre Bedachungen möglichst
schwer, und glauben dadurch der Gewalt der Erdbeben trotzen
zu können.
Das Hauptgebäude des Gesandtschaftshauses war beträchtlich
höher als die anderen, und enthielt drei Räume, die sich nach einem
kleinen grünen Hofe öffneten. Vor denselben lief, wie bei den
meisten Wohnräumen der Japaner, eine bedeckte Veranda von
vier Fuss Breite hin, gebildet durch das überkragende, auf Pfosten
ruhende Dach. Abends setzt man diese Gänge mit Bretterläden zu,
wodurch das Haus geschlossen wird. Der erste der drei Empfangs-
räume diente dem Gesandten als Esszimmer, der zweite communicirte
durch ein Vorzimmer mit der Eingangshalle, der dritte war eigentlich
das Allerheiligste. Hier lag in der Rückwand eine Nische mit er-
höhtem Estrich, von wo nach japanischer Sitte der vornehme
Hausherr alle Besuche empfangen soll. Geringere werden nicht
einmal in dasselbe Zimmer zugelassen, sondern nehmen in dem an-
stossenden Gemache mit dem Gesicht gegen die Tapetenwand Platz,
deren mittelste Schirme zur Audienz zurückgeschoben, auf den Wink
des Herrn aber wieder geschlossen werden. In einer kleineren Nische
neben der erwähnten steht unten ein Gestell für die Schwerter der
Besuchenden; im oberen Theile ist ein étagère-artiges lackirtes Möbel
eingefügt, dessen Fächer Schiebethüren haben; darin bewahrt der
Japaner seine Kostbarkeiten und Curiositäten. — Diese drei Zimmer
konnten in wenig Minuten zu einem grossen Raume vereinigt werden,
in welchem sich Abends die Mitglieder der Expedition bei dem
Gesandten zu versammeln pflegten. Die Holzpfeiler, welche die
Decke tragen, sind in sechs bis sieben Fuss Höhe durch wagerechte
Balken verbunden; zwischen diesen und den Falzen im Fussboden
laufen die unteren Schiebewände. Der Raum zwischen dem Queer-
balken und der Decke, drei bis vier Fuss, ist mit einem leichten
Lattengitter ausgefüllt und nebenbei ebenfalls mit Schirmen von
durchscheinendem Papier zugesetzt, die auf- und zugeschoben oder
auch ganz entfernt werden können. So hat man immer Luft und
Licht von oben, von unten, so wenig oder so viel man will. Um
die beiden letzten Empfangsräume lief auch an der inwendigen Seite
ein schmaler Corridor, wo bei den Besuchen der Bunyo’s ihr niederes
Gefolge und die Schreiber Platz nahmen. Das Holzwerk in allen
diesen Räumen war fein geschliffen, nur die Einfassung der mit
weissen Glanztapeten beklebten Schiebewände schwarz lackirt. Die
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/295>, abgerufen am 24.11.2024.
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