[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.Japanisches Diner. IV. Schälchen geschlürft wird, erregte weniger Bewunderung als dieartigen Aufwärterinnen, die halb schüchtern halb schelmisch blickend auf den reinlichen Matten ab- und zuwatschelten, und sich viel mit den Fremden zu schaffen machten 6). -- Gegen Abend wurde in dem Empfangsraume der Gesandtschaft eine Malzeit aufgetragen, welche die Regierung ihren preussischen Gästen zum Willkomm sandte; die Aufstellung war sehr zierlich, wie Alles was die Japaner ordnen: obenan ein Tischchen für den Gesandten allein, daneben ein anderer für drei und weiter eine lange Tafel für sechszehn Personen. Vor jedem Platze standen zwei schwarz lackirte Unter- sätze, und auf jedem derselben fünf zugedeckte Schälchen, welche die verschiedenen Suppen und Speisen enthielten; ausserdem lag auf Porcellantellern für jede Person ein Fisch. Dieser und das Zuckerwerk waren das Beste, die übrigen Speisen, wenn auch nicht schlecht, doch für den europäischen Gaumen etwas fade. Vielleicht ist die japanische Zunge durch Gewöhnung ganz anders gestimmt als die der westlichen Völker, und schmeckt Feinheiten heraus die der Europäer nicht zu schätzen weiss, -- denn dass auch unser Geschmacksorgan "conventionel gebildet" und vom Wege der Natur weit entfernt ist darf nicht bezweifelt werden. Dass aber ein Volk von so hocheigenthümlicher und durchgebildeter Gesittung auch seine besondere und in ihrer Art sehr vollkommene Küche hat, lässt sich nicht nur vermuthen, sondern aus manchen Einzelnheiten beweisen, in welchen ihr Geschmack zufällig mit dem unseren zu- sammentrifft. Ganz vorzüglich war ein Gericht Lachs, der ganz roh und frisch gesalzen mit Soya gegessen wird, eine Speise die jedem Gourmand zu empfehlen ist; freilich gehört die frisch gegohrene Soya dazu, die wir nicht haben. Als Getränk wurden kleine Schälchen Saki herumgereicht, ein starkes Reisbier von fuseligem Geschmack, das man dem Geruch und Ansehn nach eher Branntwein nennen möchte; die Holländer aber, welche die Fabrication genau kennen, versichern es sei eine Art Bier. Neben jedem Couvert lagen zwei kleine Stäbchen, -- die Fremden im Orient 6) Die Theehäuser, "Tsa-ya", sind Restaurationen, wo man Thee, Saki und
andere Getränke und Speisen erhält, und wohl zu unterscheiden von den "Dzoro-ya", deren Bestimmung minder unschuldig ist. In den meisten Büchern über Japan werden sowohl die Tsa-ya als die Dzoro-ya "Theehäuser" genannt, wodurch das Wort eine verfängliche Bedeutung erhalten hat, die für die Tsa-ya unrichtig ist. Weib- liche Bedienung findet man in beiden. Japanisches Diner. IV. Schälchen geschlürft wird, erregte weniger Bewunderung als dieartigen Aufwärterinnen, die halb schüchtern halb schelmisch blickend auf den reinlichen Matten ab- und zuwatschelten, und sich viel mit den Fremden zu schaffen machten 6). — Gegen Abend wurde in dem Empfangsraume der Gesandtschaft eine Malzeit aufgetragen, welche die Regierung ihren preussischen Gästen zum Willkomm sandte; die Aufstellung war sehr zierlich, wie Alles was die Japaner ordnen: obenan ein Tischchen für den Gesandten allein, daneben ein anderer für drei und weiter eine lange Tafel für sechszehn Personen. Vor jedem Platze standen zwei schwarz lackirte Unter- sätze, und auf jedem derselben fünf zugedeckte Schälchen, welche die verschiedenen Suppen und Speisen enthielten; ausserdem lag auf Porcellantellern für jede Person ein Fisch. Dieser und das Zuckerwerk waren das Beste, die übrigen Speisen, wenn auch nicht schlecht, doch für den europäischen Gaumen etwas fade. Vielleicht ist die japanische Zunge durch Gewöhnung ganz anders gestimmt als die der westlichen Völker, und schmeckt Feinheiten heraus die der Europäer nicht zu schätzen weiss, — denn dass auch unser Geschmacksorgan »conventionel gebildet« und vom Wege der Natur weit entfernt ist darf nicht bezweifelt werden. Dass aber ein Volk von so hocheigenthümlicher und durchgebildeter Gesittung auch seine besondere und in ihrer Art sehr vollkommene Küche hat, lässt sich nicht nur vermuthen, sondern aus manchen Einzelnheiten beweisen, in welchen ihr Geschmack zufällig mit dem unseren zu- sammentrifft. Ganz vorzüglich war ein Gericht Lachs, der ganz roh und frisch gesalzen mit Soya gegessen wird, eine Speise die jedem Gourmand zu empfehlen ist; freilich gehört die frisch gegohrene Soya dazu, die wir nicht haben. Als Getränk wurden kleine Schälchen Saki herumgereicht, ein starkes Reisbier von fuseligem Geschmack, das man dem Geruch und Ansehn nach eher Branntwein nennen möchte; die Holländer aber, welche die Fabrication genau kennen, versichern es sei eine Art Bier. Neben jedem Couvert lagen zwei kleine Stäbchen, — die Fremden im Orient 6) Die Theehäuser, »Tša-ya«, sind Restaurationen, wo man Thee, Saki und
andere Getränke und Speisen erhält, und wohl zu unterscheiden von den »Džoro-ya«, deren Bestimmung minder unschuldig ist. In den meisten Büchern über Japan werden sowohl die Tša-ya als die Džoro-ya »Theehäuser« genannt, wodurch das Wort eine verfängliche Bedeutung erhalten hat, die für die Tša-ya unrichtig ist. Weib- liche Bedienung findet man in beiden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0292" n="262"/><fw place="top" type="header">Japanisches Diner. IV.</fw><lb/> Schälchen geschlürft wird, erregte weniger Bewunderung als die<lb/> artigen Aufwärterinnen, die halb schüchtern halb schelmisch<lb/> blickend auf den reinlichen Matten ab- und zuwatschelten, und sich<lb/> viel mit den Fremden zu schaffen machten <note place="foot" n="6)">Die Theehäuser, »<hi rendition="#k">Tša-ya</hi>«, sind Restaurationen, wo man Thee, Saki und<lb/> andere Getränke und Speisen erhält, und wohl zu unterscheiden von den »<hi rendition="#k">Džoro-ya</hi>«,<lb/> deren Bestimmung minder unschuldig ist. In den meisten Büchern über <placeName>Japan</placeName> werden<lb/> sowohl die <hi rendition="#k">Tša-ya</hi> als die <hi rendition="#k">Džoro-ya</hi> »Theehäuser« genannt, wodurch das Wort<lb/> eine verfängliche Bedeutung erhalten hat, die für die <hi rendition="#k">Tša-ya</hi> unrichtig ist. Weib-<lb/> liche Bedienung findet man in beiden.</note>. — Gegen Abend wurde<lb/> in dem Empfangsraume der Gesandtschaft eine Malzeit aufgetragen,<lb/> welche die Regierung ihren preussischen Gästen zum Willkomm<lb/> sandte; die Aufstellung war sehr zierlich, wie Alles was die Japaner<lb/> ordnen: obenan ein Tischchen für den Gesandten allein, daneben<lb/> ein anderer für drei und weiter eine lange Tafel für sechszehn<lb/> Personen. Vor jedem Platze standen zwei schwarz lackirte Unter-<lb/> sätze, und auf jedem derselben fünf zugedeckte Schälchen, welche<lb/> die verschiedenen Suppen und Speisen enthielten; ausserdem lag<lb/> auf Porcellantellern für jede Person ein Fisch. Dieser und das<lb/> Zuckerwerk waren das Beste, die übrigen Speisen, wenn auch nicht<lb/> schlecht, doch für den europäischen Gaumen etwas fade. Vielleicht<lb/> ist die japanische Zunge durch Gewöhnung ganz anders gestimmt<lb/> als die der westlichen Völker, und schmeckt Feinheiten heraus die<lb/> der Europäer nicht zu schätzen weiss, — denn dass auch unser<lb/> Geschmacksorgan »conventionel gebildet« und vom Wege der Natur<lb/> weit entfernt ist darf nicht bezweifelt werden. Dass aber ein Volk<lb/> von so hocheigenthümlicher und durchgebildeter Gesittung auch<lb/> seine besondere und in ihrer Art sehr vollkommene Küche hat,<lb/> lässt sich nicht nur vermuthen, sondern aus manchen Einzelnheiten<lb/> beweisen, in welchen ihr Geschmack zufällig mit dem unseren zu-<lb/> sammentrifft. Ganz vorzüglich war ein Gericht Lachs, der ganz<lb/> roh und frisch gesalzen mit Soya gegessen wird, eine Speise die<lb/> jedem Gourmand zu empfehlen ist; freilich gehört die <hi rendition="#g">frisch<lb/> gegohrene</hi> Soya dazu, die wir nicht haben. Als Getränk wurden<lb/> kleine Schälchen <hi rendition="#k">Saki</hi> herumgereicht, ein starkes Reisbier von<lb/> fuseligem Geschmack, das man dem Geruch und Ansehn nach<lb/> eher Branntwein nennen möchte; die Holländer aber, welche die<lb/> Fabrication genau kennen, versichern es sei eine Art Bier. Neben<lb/> jedem Couvert lagen zwei kleine Stäbchen, — die Fremden im Orient<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [262/0292]
Japanisches Diner. IV.
Schälchen geschlürft wird, erregte weniger Bewunderung als die
artigen Aufwärterinnen, die halb schüchtern halb schelmisch
blickend auf den reinlichen Matten ab- und zuwatschelten, und sich
viel mit den Fremden zu schaffen machten 6). — Gegen Abend wurde
in dem Empfangsraume der Gesandtschaft eine Malzeit aufgetragen,
welche die Regierung ihren preussischen Gästen zum Willkomm
sandte; die Aufstellung war sehr zierlich, wie Alles was die Japaner
ordnen: obenan ein Tischchen für den Gesandten allein, daneben
ein anderer für drei und weiter eine lange Tafel für sechszehn
Personen. Vor jedem Platze standen zwei schwarz lackirte Unter-
sätze, und auf jedem derselben fünf zugedeckte Schälchen, welche
die verschiedenen Suppen und Speisen enthielten; ausserdem lag
auf Porcellantellern für jede Person ein Fisch. Dieser und das
Zuckerwerk waren das Beste, die übrigen Speisen, wenn auch nicht
schlecht, doch für den europäischen Gaumen etwas fade. Vielleicht
ist die japanische Zunge durch Gewöhnung ganz anders gestimmt
als die der westlichen Völker, und schmeckt Feinheiten heraus die
der Europäer nicht zu schätzen weiss, — denn dass auch unser
Geschmacksorgan »conventionel gebildet« und vom Wege der Natur
weit entfernt ist darf nicht bezweifelt werden. Dass aber ein Volk
von so hocheigenthümlicher und durchgebildeter Gesittung auch
seine besondere und in ihrer Art sehr vollkommene Küche hat,
lässt sich nicht nur vermuthen, sondern aus manchen Einzelnheiten
beweisen, in welchen ihr Geschmack zufällig mit dem unseren zu-
sammentrifft. Ganz vorzüglich war ein Gericht Lachs, der ganz
roh und frisch gesalzen mit Soya gegessen wird, eine Speise die
jedem Gourmand zu empfehlen ist; freilich gehört die frisch
gegohrene Soya dazu, die wir nicht haben. Als Getränk wurden
kleine Schälchen Saki herumgereicht, ein starkes Reisbier von
fuseligem Geschmack, das man dem Geruch und Ansehn nach
eher Branntwein nennen möchte; die Holländer aber, welche die
Fabrication genau kennen, versichern es sei eine Art Bier. Neben
jedem Couvert lagen zwei kleine Stäbchen, — die Fremden im Orient
6) Die Theehäuser, »Tša-ya«, sind Restaurationen, wo man Thee, Saki und
andere Getränke und Speisen erhält, und wohl zu unterscheiden von den »Džoro-ya«,
deren Bestimmung minder unschuldig ist. In den meisten Büchern über Japan werden
sowohl die Tša-ya als die Džoro-ya »Theehäuser« genannt, wodurch das Wort
eine verfängliche Bedeutung erhalten hat, die für die Tša-ya unrichtig ist. Weib-
liche Bedienung findet man in beiden.
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