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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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III. Ruhige See
gebracht werden. Der Capitän liess nun die Maschine heizen.
Schon waren die Backbordwanten arg gelockert und die Masten
drohten über Bord zu gehen, -- die Mannschaft arbeitete mit un-
säglicher Anstrengung und Gefahr, um sie durch Balken und Tauwerk
zu sichern, -- schon standen die Zimmerleute mit den Beilen bereit,
um als letzte Auskunft den Kreuzmast zu kappen, -- da machte
gegen halb zwölf die Schraube, unter allgemeiner ängstlicher Span-
nung, ihre ersten Umdrehungen: das Schiff gehorchte dem Steuer
und drehte sich in den Wind. -- Schon gegen zwölf liess die
Gewalt des Sturmes wieder nach; um drei Uhr brach die Sonne
durch die Wolken, und gegen vier war das Meer ziemlich ruhig.

Aller Augen spähten nach dem Schooner, aber vergebens
wurde der ganze Horizont mit den Fernrohren abgesucht. Seine
Besorgnisse mochte Niemand aussprechen, doch machten die er-
fahrensten Seeleute ernste Gesichter. Die Gewalt des Sturmes und
der Wellen war so gross, dass ihnen kein Schiff mit Sicherheit
hätte trotzen können. Die Arkona, welche sonst leicht an den
Wind geht, trieb lange steuerlos auf den Wellen, und wurde wahr-
scheinlich nur durch ihre Schraube gerettet; der Schooner aber
hatte dieses Hülfsmittel nicht, und mag auf hoher See von der
Gewalt der Wogen zerschlagen worden sein. Nur acht Tage später,
in dem Taifun des 9. September, sank vermuthlich auf dieselbe
Weise die englische Zehnkanonenbrigg Camilla, welche auf der
kurzen Reise von Hakodade nach Yeddo spurlos verschwand. --
Die japanische Regierung liess auf Ersuchen des Grafen Eulenburg,
nach dessen Ankunft in Yeddo, Nachforschungen an allen Küsten
des Landes anstellen, aber ohne Erfolg, es wurde niemals eine
Spur vom Wrack des Frauenlob entdeckt. Die Küsten sind dicht
bevölkert, Tausende von Dschunken befahren die umgebenden
Meere, und es wäre bei der minutiösen Genauigkeit und Wach-
samkeit der japanischen Behörden undenkbar, dass man nicht
Nachricht von ausgespülten Trümmern oder sonstigen Ueberresten
erhalten hätte, -- aber bis heute hat sich nichts gefunden. Die
preussische Marine verlor an dem Commandanten Lieutenant Rehtzke
einen ihrer ausgezeichnetsten Officiere, und mit ihm eine Mannschaft,
die sich in den furchtbaren Strapazen der Stürme am Cap der Guten
Hoffnung
vorzüglich bewährt hatte.

Die Mannschaft der Arkona arbeitete am 2. September von
vier Uhr Morgens bis Mittag unausgesetzt und angestrengt, und

III. Ruhige See
gebracht werden. Der Capitän liess nun die Maschine heizen.
Schon waren die Backbordwanten arg gelockert und die Masten
drohten über Bord zu gehen, — die Mannschaft arbeitete mit un-
säglicher Anstrengung und Gefahr, um sie durch Balken und Tauwerk
zu sichern, — schon standen die Zimmerleute mit den Beilen bereit,
um als letzte Auskunft den Kreuzmast zu kappen, — da machte
gegen halb zwölf die Schraube, unter allgemeiner ängstlicher Span-
nung, ihre ersten Umdrehungen: das Schiff gehorchte dem Steuer
und drehte sich in den Wind. — Schon gegen zwölf liess die
Gewalt des Sturmes wieder nach; um drei Uhr brach die Sonne
durch die Wolken, und gegen vier war das Meer ziemlich ruhig.

Aller Augen spähten nach dem Schooner, aber vergebens
wurde der ganze Horizont mit den Fernrohren abgesucht. Seine
Besorgnisse mochte Niemand aussprechen, doch machten die er-
fahrensten Seeleute ernste Gesichter. Die Gewalt des Sturmes und
der Wellen war so gross, dass ihnen kein Schiff mit Sicherheit
hätte trotzen können. Die Arkona, welche sonst leicht an den
Wind geht, trieb lange steuerlos auf den Wellen, und wurde wahr-
scheinlich nur durch ihre Schraube gerettet; der Schooner aber
hatte dieses Hülfsmittel nicht, und mag auf hoher See von der
Gewalt der Wogen zerschlagen worden sein. Nur acht Tage später,
in dem Taïfūn des 9. September, sank vermuthlich auf dieselbe
Weise die englische Zehnkanonenbrigg Camilla, welche auf der
kurzen Reise von Hakodade nach Yeddo spurlos verschwand. —
Die japanische Regierung liess auf Ersuchen des Grafen Eulenburg,
nach dessen Ankunft in Yeddo, Nachforschungen an allen Küsten
des Landes anstellen, aber ohne Erfolg, es wurde niemals eine
Spur vom Wrack des Frauenlob entdeckt. Die Küsten sind dicht
bevölkert, Tausende von Dschunken befahren die umgebenden
Meere, und es wäre bei der minutiösen Genauigkeit und Wach-
samkeit der japanischen Behörden undenkbar, dass man nicht
Nachricht von ausgespülten Trümmern oder sonstigen Ueberresten
erhalten hätte, — aber bis heute hat sich nichts gefunden. Die
preussische Marine verlor an dem Commandanten Lieutenant Rehtzke
einen ihrer ausgezeichnetsten Officiere, und mit ihm eine Mannschaft,
die sich in den furchtbaren Strapazen der Stürme am Cap der Guten
Hoffnung
vorzüglich bewährt hatte.

Die Mannschaft der Arkona arbeitete am 2. September von
vier Uhr Morgens bis Mittag unausgesetzt und angestrengt, und

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[253/0283] III. Ruhige See gebracht werden. Der Capitän liess nun die Maschine heizen. Schon waren die Backbordwanten arg gelockert und die Masten drohten über Bord zu gehen, — die Mannschaft arbeitete mit un- säglicher Anstrengung und Gefahr, um sie durch Balken und Tauwerk zu sichern, — schon standen die Zimmerleute mit den Beilen bereit, um als letzte Auskunft den Kreuzmast zu kappen, — da machte gegen halb zwölf die Schraube, unter allgemeiner ängstlicher Span- nung, ihre ersten Umdrehungen: das Schiff gehorchte dem Steuer und drehte sich in den Wind. — Schon gegen zwölf liess die Gewalt des Sturmes wieder nach; um drei Uhr brach die Sonne durch die Wolken, und gegen vier war das Meer ziemlich ruhig. Aller Augen spähten nach dem Schooner, aber vergebens wurde der ganze Horizont mit den Fernrohren abgesucht. Seine Besorgnisse mochte Niemand aussprechen, doch machten die er- fahrensten Seeleute ernste Gesichter. Die Gewalt des Sturmes und der Wellen war so gross, dass ihnen kein Schiff mit Sicherheit hätte trotzen können. Die Arkona, welche sonst leicht an den Wind geht, trieb lange steuerlos auf den Wellen, und wurde wahr- scheinlich nur durch ihre Schraube gerettet; der Schooner aber hatte dieses Hülfsmittel nicht, und mag auf hoher See von der Gewalt der Wogen zerschlagen worden sein. Nur acht Tage später, in dem Taïfūn des 9. September, sank vermuthlich auf dieselbe Weise die englische Zehnkanonenbrigg Camilla, welche auf der kurzen Reise von Hakodade nach Yeddo spurlos verschwand. — Die japanische Regierung liess auf Ersuchen des Grafen Eulenburg, nach dessen Ankunft in Yeddo, Nachforschungen an allen Küsten des Landes anstellen, aber ohne Erfolg, es wurde niemals eine Spur vom Wrack des Frauenlob entdeckt. Die Küsten sind dicht bevölkert, Tausende von Dschunken befahren die umgebenden Meere, und es wäre bei der minutiösen Genauigkeit und Wach- samkeit der japanischen Behörden undenkbar, dass man nicht Nachricht von ausgespülten Trümmern oder sonstigen Ueberresten erhalten hätte, — aber bis heute hat sich nichts gefunden. Die preussische Marine verlor an dem Commandanten Lieutenant Rehtzke einen ihrer ausgezeichnetsten Officiere, und mit ihm eine Mannschaft, die sich in den furchtbaren Strapazen der Stürme am Cap der Guten Hoffnung vorzüglich bewährt hatte. Die Mannschaft der Arkona arbeitete am 2. September von vier Uhr Morgens bis Mittag unausgesetzt und angestrengt, und

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/283>, abgerufen am 24.11.2024.