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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Tropische Nächte. Gottesdienst. III.
in mildem Glanze vom Firmament, nicht wie bei uns in kalter
trockener Winternacht mit hellem Gefunkel, sondern in sanft
leuchtender Pracht. In der südlichen Hemisphäre waren unge-
wohnte Sternbilder sichtbar, die strahlenden Centauren, der Scorpion.
Das berühmteste Sternbild des Südpols, das südliche Kreuz, zeigt
sich in diesen Breiten sehr unscheinbar, sein matter Glanz zieht
kaum das Auge auf sich. -- Der heimische Polarstern tauchte
erst unter 6° n. Br. wieder aus dem Nebel des Horizontes auf. --
Im Wasser furchte das Schiff eine breite Bahn, in welcher helle
Puncte electrischen Lichtes glänzten. Auch das Seeleuchten ist in
diesen Breiten nicht so intensiv als in finsteren nordischen Gewitter-
nächten; die leuchtenden Puncte sind minder zahlreich, aber viel
grösser und nicht so scharf begrenzt, von einem breiten Kranze
milchigen Lichtes umgeben.

Am 17. August stellte sich wieder Wind ein, und wurden
18. August.Segel gesetzt. Den achtzehnten passirten die Schiffe die Inseln
Catwick und Ceicer de Mer, in deren Nähe die See von zahlreichen
Delphinenschaaren belebt war. -- Sonntag den neunzehnten nach der
Musterung hielt der Prediger Kreiher Gottesdienst in der Batterie;
Liturgie und Choralgesang wurde von dem Musikcorps begleitet.
Der Gottesdienst an Bord bei ruhigem Wetter auf hoher See --
bei heftigem Winde ist das Geräusch und die Unruhe im Schiffe
zu gross -- hat etwas besonders Erhebendes, denn die Natur des
Meeres ist ernst und feierlich; da ist nichts, was die Andacht stören
könnte. Keine Gemeinde ist wohl so eng verbunden als die Mann-
schaft eines Schiffes, und doch ist es so schwer für den Geistlichen
sich einen erfreulichen Wirkungskreis zu schaffen. Das Seeleben
ist mühselig, voll Entbehrungen und Gefahren, und entwickelt den
menschlichen Charakter in sehr absonderlicher Weise. Selten wird
der ächte Seemann vom Landmenschen vollkommen verstanden
werden; dieses Gefühl macht ihn verschlossen, und sogar empfindlich
wo er sich unterschätzt glaubt. Seine steten Entbehrungen und
Gefahren geben ihm, halb unbewusst, ein Gefühl seines Werthes
und einer gewissen Grösse den kleinen Interessen des täglichen
Lebens gegenüber; er setzt im Dienste stündlich sein Leben ein,
und fühlt sich zu den Extremen des Genusses berechtigt, wo ihm
eine kurze Ruhe wird. Wer diesem Bedürfniss nicht einige Rech-
nung tragen und etwas nachsichtig sein will, wird sich schwerlich
Eingang verschaffen; um aber recht auf ihn zu wirken, müsste der

Tropische Nächte. Gottesdienst. III.
in mildem Glanze vom Firmament, nicht wie bei uns in kalter
trockener Winternacht mit hellem Gefunkel, sondern in sanft
leuchtender Pracht. In der südlichen Hemisphäre waren unge-
wohnte Sternbilder sichtbar, die strahlenden Centauren, der Scorpion.
Das berühmteste Sternbild des Südpols, das südliche Kreuz, zeigt
sich in diesen Breiten sehr unscheinbar, sein matter Glanz zieht
kaum das Auge auf sich. — Der heimische Polarstern tauchte
erst unter 6° n. Br. wieder aus dem Nebel des Horizontes auf. —
Im Wasser furchte das Schiff eine breite Bahn, in welcher helle
Puncte electrischen Lichtes glänzten. Auch das Seeleuchten ist in
diesen Breiten nicht so intensiv als in finsteren nordischen Gewitter-
nächten; die leuchtenden Puncte sind minder zahlreich, aber viel
grösser und nicht so scharf begrenzt, von einem breiten Kranze
milchigen Lichtes umgeben.

Am 17. August stellte sich wieder Wind ein, und wurden
18. August.Segel gesetzt. Den achtzehnten passirten die Schiffe die Inseln
Catwick und Ceicer de Mer, in deren Nähe die See von zahlreichen
Delphinenschaaren belebt war. — Sonntag den neunzehnten nach der
Musterung hielt der Prediger Kreiher Gottesdienst in der Batterie;
Liturgie und Choralgesang wurde von dem Musikcorps begleitet.
Der Gottesdienst an Bord bei ruhigem Wetter auf hoher See —
bei heftigem Winde ist das Geräusch und die Unruhe im Schiffe
zu gross — hat etwas besonders Erhebendes, denn die Natur des
Meeres ist ernst und feierlich; da ist nichts, was die Andacht stören
könnte. Keine Gemeinde ist wohl so eng verbunden als die Mann-
schaft eines Schiffes, und doch ist es so schwer für den Geistlichen
sich einen erfreulichen Wirkungskreis zu schaffen. Das Seeleben
ist mühselig, voll Entbehrungen und Gefahren, und entwickelt den
menschlichen Charakter in sehr absonderlicher Weise. Selten wird
der ächte Seemann vom Landmenschen vollkommen verstanden
werden; dieses Gefühl macht ihn verschlossen, und sogar empfindlich
wo er sich unterschätzt glaubt. Seine steten Entbehrungen und
Gefahren geben ihm, halb unbewusst, ein Gefühl seines Werthes
und einer gewissen Grösse den kleinen Interessen des täglichen
Lebens gegenüber; er setzt im Dienste stündlich sein Leben ein,
und fühlt sich zu den Extremen des Genusses berechtigt, wo ihm
eine kurze Ruhe wird. Wer diesem Bedürfniss nicht einige Rech-
nung tragen und etwas nachsichtig sein will, wird sich schwerlich
Eingang verschaffen; um aber recht auf ihn zu wirken, müsste der

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[246/0276] Tropische Nächte. Gottesdienst. III. in mildem Glanze vom Firmament, nicht wie bei uns in kalter trockener Winternacht mit hellem Gefunkel, sondern in sanft leuchtender Pracht. In der südlichen Hemisphäre waren unge- wohnte Sternbilder sichtbar, die strahlenden Centauren, der Scorpion. Das berühmteste Sternbild des Südpols, das südliche Kreuz, zeigt sich in diesen Breiten sehr unscheinbar, sein matter Glanz zieht kaum das Auge auf sich. — Der heimische Polarstern tauchte erst unter 6° n. Br. wieder aus dem Nebel des Horizontes auf. — Im Wasser furchte das Schiff eine breite Bahn, in welcher helle Puncte electrischen Lichtes glänzten. Auch das Seeleuchten ist in diesen Breiten nicht so intensiv als in finsteren nordischen Gewitter- nächten; die leuchtenden Puncte sind minder zahlreich, aber viel grösser und nicht so scharf begrenzt, von einem breiten Kranze milchigen Lichtes umgeben. Am 17. August stellte sich wieder Wind ein, und wurden Segel gesetzt. Den achtzehnten passirten die Schiffe die Inseln Catwick und Ceicer de Mer, in deren Nähe die See von zahlreichen Delphinenschaaren belebt war. — Sonntag den neunzehnten nach der Musterung hielt der Prediger Kreiher Gottesdienst in der Batterie; Liturgie und Choralgesang wurde von dem Musikcorps begleitet. Der Gottesdienst an Bord bei ruhigem Wetter auf hoher See — bei heftigem Winde ist das Geräusch und die Unruhe im Schiffe zu gross — hat etwas besonders Erhebendes, denn die Natur des Meeres ist ernst und feierlich; da ist nichts, was die Andacht stören könnte. Keine Gemeinde ist wohl so eng verbunden als die Mann- schaft eines Schiffes, und doch ist es so schwer für den Geistlichen sich einen erfreulichen Wirkungskreis zu schaffen. Das Seeleben ist mühselig, voll Entbehrungen und Gefahren, und entwickelt den menschlichen Charakter in sehr absonderlicher Weise. Selten wird der ächte Seemann vom Landmenschen vollkommen verstanden werden; dieses Gefühl macht ihn verschlossen, und sogar empfindlich wo er sich unterschätzt glaubt. Seine steten Entbehrungen und Gefahren geben ihm, halb unbewusst, ein Gefühl seines Werthes und einer gewissen Grösse den kleinen Interessen des täglichen Lebens gegenüber; er setzt im Dienste stündlich sein Leben ein, und fühlt sich zu den Extremen des Genusses berechtigt, wo ihm eine kurze Ruhe wird. Wer diesem Bedürfniss nicht einige Rech- nung tragen und etwas nachsichtig sein will, wird sich schwerlich Eingang verschaffen; um aber recht auf ihn zu wirken, müsste der 18. August.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/276>, abgerufen am 24.11.2024.