[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.Räthselhafte Begegnung. II. fahren zu wollen, legte aber kurz vor deren Buge plötzlich um undsegelte an der Steuerbordseite in etwa funfzig Schritt Entfernung vorbei. Schon von weitem sah man mehrere Chinesen auf dem Vordercastell bunte Fahnen schwenken; das ganze Verdeck war voll Menschen, die auf den Knieen liegend flehende Gebehrden machten und wie es schien nach den kleineren Dschunken zeigten, dabei ganz jämmerlich heulten und schrieen. Wir konnten natürlich nichts verstehen, und Niemand wusste was daraus zu machen wäre. Die Dschunke legte, als sie vorüber war, hinter dem Heck der Fregatte einen Augenblick bei, spannte dann aber plötzlich alle Segel und hielt auf die Küste von Formosa zu. -- Wir setzten unseren Cours fort. Mit den kleineren Dschunken hatten sich noch vier andere von ganz gleicher Bauart vereinigt, die wir vorher zu Steuerbord gehabt hatten; diese zwölf stellten sich ausser Schussweite in einer langen Linie auf und schienen uns zu beobachten. Als wir vorüber waren, liess Capitän Jachmann ab- schlagen. Der ganze Vorgang blieb räthselhaft. Entweder war die Räthselhafte Begegnung. II. fahren zu wollen, legte aber kurz vor deren Buge plötzlich um undsegelte an der Steuerbordseite in etwa funfzig Schritt Entfernung vorbei. Schon von weitem sah man mehrere Chinesen auf dem Vordercastell bunte Fahnen schwenken; das ganze Verdeck war voll Menschen, die auf den Knieen liegend flehende Gebehrden machten und wie es schien nach den kleineren Dschunken zeigten, dabei ganz jämmerlich heulten und schrieen. Wir konnten natürlich nichts verstehen, und Niemand wusste was daraus zu machen wäre. Die Dschunke legte, als sie vorüber war, hinter dem Heck der Fregatte einen Augenblick bei, spannte dann aber plötzlich alle Segel und hielt auf die Küste von Formosa zu. — Wir setzten unseren Cours fort. Mit den kleineren Dschunken hatten sich noch vier andere von ganz gleicher Bauart vereinigt, die wir vorher zu Steuerbord gehabt hatten; diese zwölf stellten sich ausser Schussweite in einer langen Linie auf und schienen uns zu beobachten. Als wir vorüber waren, liess Capitän Jachmann ab- schlagen. Der ganze Vorgang blieb räthselhaft. Entweder war die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0266" n="236"/><fw place="top" type="header">Räthselhafte Begegnung. II.</fw><lb/> fahren zu wollen, legte aber kurz vor deren Buge plötzlich um und<lb/> segelte an der Steuerbordseite in etwa funfzig Schritt Entfernung<lb/> vorbei. 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Geschütze konnten<lb/> wir nicht bemerken; sie waren wohl maskirt, sind auch beim Entern,<lb/> der gewöhnlichen Kampfesart der chinesischen Seeräuber, von ge-<lb/> ringem Nutzen. Wahrscheinlich wurde die Thetis von weitem für<lb/> ein Handelsschiff und somit für gute Beute gehalten, denn Kriegs-<lb/> schiffe ohne Dampfkraft sind längst ein ungewohnter Anblick selbst<lb/> in jenen Meeren. Die grosse Dschunke wollte sich wohl langseit<lb/> legen und entern — darauf deutete ihr Segelmanöver; unserer<lb/> Geschütze aber wurden die Chinesen, die grade auf uns losfuhren,<lb/> erst in grösster Nähe ansichtig, daher ihre flehenden Gebehrden,<lb/> als sie sich vorübersegelnd im Bereiche einer so grimmigen Reihe<lb/> von Feuerschlünden, und durch die offenen Luken die Mannschaft<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [236/0266]
Räthselhafte Begegnung. II.
fahren zu wollen, legte aber kurz vor deren Buge plötzlich um und
segelte an der Steuerbordseite in etwa funfzig Schritt Entfernung
vorbei. Schon von weitem sah man mehrere Chinesen auf dem
Vordercastell bunte Fahnen schwenken; das ganze Verdeck war
voll Menschen, die auf den Knieen liegend flehende Gebehrden
machten und wie es schien nach den kleineren Dschunken zeigten,
dabei ganz jämmerlich heulten und schrieen. Wir konnten natürlich
nichts verstehen, und Niemand wusste was daraus zu machen
wäre. Die Dschunke legte, als sie vorüber war, hinter dem Heck
der Fregatte einen Augenblick bei, spannte dann aber plötzlich
alle Segel und hielt auf die Küste von Formosa zu. — Wir
setzten unseren Cours fort. Mit den kleineren Dschunken hatten
sich noch vier andere von ganz gleicher Bauart vereinigt, die wir
vorher zu Steuerbord gehabt hatten; diese zwölf stellten sich
ausser Schussweite in einer langen Linie auf und schienen uns zu
beobachten. Als wir vorüber waren, liess Capitän Jachmann ab-
schlagen.
Der ganze Vorgang blieb räthselhaft. Entweder war die
grössere Dschunke wirklich von den kleineren angegriffen worden
und suchte Schutz, oder es waren lauter Piraten, und jenes Schein-
gefecht in der Frühe sollte uns aus unserem Course locken. Letzteres
ist wahrscheinlicher, denn wir konnten auf der dicht vorbeisegelnden
Dschunke keine Spur von Zerstörung entdecken und sie selbst sah
höchst verdächtig aus, ein alter verwetterter Kasten mit geflickten
Segeln und zerfressenen Borden, auf allen Seiten mit Netzen dicht
behängt die man wohl für Enternetze ansehen konnte, — denn
eine Fischerdschunke war es nicht, dafür zeugte die starke Be-
mannung, wie sie nur Piraten zu führen pflegen. Geschütze konnten
wir nicht bemerken; sie waren wohl maskirt, sind auch beim Entern,
der gewöhnlichen Kampfesart der chinesischen Seeräuber, von ge-
ringem Nutzen. Wahrscheinlich wurde die Thetis von weitem für
ein Handelsschiff und somit für gute Beute gehalten, denn Kriegs-
schiffe ohne Dampfkraft sind längst ein ungewohnter Anblick selbst
in jenen Meeren. Die grosse Dschunke wollte sich wohl langseit
legen und entern — darauf deutete ihr Segelmanöver; unserer
Geschütze aber wurden die Chinesen, die grade auf uns losfuhren,
erst in grösster Nähe ansichtig, daher ihre flehenden Gebehrden,
als sie sich vorübersegelnd im Bereiche einer so grimmigen Reihe
von Feuerschlünden, und durch die offenen Luken die Mannschaft
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