[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.Dienst der Officiere und Cadetten. Lesewuth. II. und befördern auf See das Singen und im Hafen die theatralischenVorstellungen. Wo ein Musikcorps an Bord ist singt die Mannschaft weniger, da ihrem Bedürfniss von aussen abgeholfen wird; auf der Thetis aber schallte alle Abend lauter Chorgesang aus der Batterie, und vier Unterofficiere mit schönen Stimmen übten sich fleissig im Gesange vierstimmiger Lieder. Sie brachten es darin zu grosser Vollkommenheit, und haben sich später häufig am Lande vor dem Gesandten und seinen Gästen hören lassen müssen. Der Dienst der Officiere und Cadetten ist sehr anstrengend, So ist denn am Bord eines Kriegsschiffes Alles in fortwäh- Dienst der Officiere und Cadetten. Lesewuth. II. und befördern auf See das Singen und im Hafen die theatralischenVorstellungen. Wo ein Musikcorps an Bord ist singt die Mannschaft weniger, da ihrem Bedürfniss von aussen abgeholfen wird; auf der Thetis aber schallte alle Abend lauter Chorgesang aus der Batterie, und vier Unterofficiere mit schönen Stimmen übten sich fleissig im Gesange vierstimmiger Lieder. Sie brachten es darin zu grosser Vollkommenheit, und haben sich später häufig am Lande vor dem Gesandten und seinen Gästen hören lassen müssen. Der Dienst der Officiere und Cadetten ist sehr anstrengend, So ist denn am Bord eines Kriegsschiffes Alles in fortwäh- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0260" n="230"/><fw place="top" type="header">Dienst der Officiere und Cadetten. Lesewuth. II.</fw><lb/> und befördern auf See das Singen und im Hafen die theatralischen<lb/> Vorstellungen. Wo ein Musikcorps an Bord ist singt die Mannschaft<lb/> weniger, da ihrem Bedürfniss von aussen abgeholfen wird; auf der<lb/> Thetis aber schallte alle Abend lauter Chorgesang aus der Batterie,<lb/> und vier Unterofficiere mit schönen Stimmen übten sich fleissig im<lb/> Gesange vierstimmiger Lieder. Sie brachten es darin zu grosser<lb/> Vollkommenheit, und haben sich später häufig am Lande vor dem<lb/> Gesandten und seinen Gästen hören lassen müssen.</p><lb/> <p>Der Dienst der Officiere und Cadetten ist sehr anstrengend,<lb/> auch <hi rendition="#g">sie</hi> haben wenig freie Zeit. Bei schlechtem Wetter und<lb/> in der Nähe der Küsten haben der Capitän und der Observations-<lb/> officier weder bei Tage noch bei Nacht Ruhe; der erste Officier ist<lb/> unablässig mit dem Detail beschäftigt und eigentlich niemals dienst-<lb/> frei, und die übrigen Officiere müssen neben dem Wachtdienst<lb/> für ihre Divisionen sorgen, exerciren, observiren und rechnen —<lb/> zur Controlle des Observationsofficiers, — und ihr Journal schrei-<lb/> ben. Die Cadetten haben ebenfalls viel Dienst und bereiten sich<lb/> nebenbei unter Leitung der Officiere zum Fähnrich-Examen vor;<lb/> die Fähnriche sind am schlimmsten daran: sie geniessen den Rang<lb/> aber nicht die Vortheile der Officiere, essen in der Cadettenmesse<lb/> und haben keine Kammern für sich. Sie avanciren zu Lieutenants<lb/> zur See erst nach einer Anzahl von Jahren Fahrzeit und thun theils<lb/> Cadetten-, theils Officiersdienst.</p><lb/> <p>So ist denn am Bord eines Kriegsschiffes Alles in fortwäh-<lb/> render Thätigkeit bis auf die unseligen »Badegäste«; die Beamten<lb/> und Aerzte haben wenig zu thun und die Passagiere noch weniger.<lb/> Zu geistigen Arbeiten ernster Art sind auf dem Meere nur Wenige<lb/> fähig, die Seeluft und die Bewegung des Schiffes scheinen der<lb/> Gehirnthätigkeit nicht günstig zu sein; dazu kommt die Unruhe im<lb/> Schiffe, die keine Sammlung zulässt, und die Unmöglichkeit sich<lb/> zu isoliren. Leichte Lectüre ist ein Haupterforderniss auf langen<lb/> Seereisen; man verschlingt mit Lust die tollsten Romane, die<lb/> unglaublichsten Reisebeschreibungen, und freut sich die Zeit zu<lb/> betrügen. Die Schiffsbibliotheken liefern — neben wissenschaftlichen<lb/> Werken — reichen Vorrath an derartigen Büchern, denn auch die<lb/> Seeleute, vom Admiral bis zum Schiffsjungen, sind arge Bücher-<lb/> würmer, und ihre Einbildungskraft vielfach in den Thaten und Schick-<lb/> salen merkwürdiger Romanhelden und in wunderbaren Jagd- und<lb/> Reiseabentheuern absorbirt. Diese Erscheinung erklärt sich leicht aus<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [230/0260]
Dienst der Officiere und Cadetten. Lesewuth. II.
und befördern auf See das Singen und im Hafen die theatralischen
Vorstellungen. Wo ein Musikcorps an Bord ist singt die Mannschaft
weniger, da ihrem Bedürfniss von aussen abgeholfen wird; auf der
Thetis aber schallte alle Abend lauter Chorgesang aus der Batterie,
und vier Unterofficiere mit schönen Stimmen übten sich fleissig im
Gesange vierstimmiger Lieder. Sie brachten es darin zu grosser
Vollkommenheit, und haben sich später häufig am Lande vor dem
Gesandten und seinen Gästen hören lassen müssen.
Der Dienst der Officiere und Cadetten ist sehr anstrengend,
auch sie haben wenig freie Zeit. Bei schlechtem Wetter und
in der Nähe der Küsten haben der Capitän und der Observations-
officier weder bei Tage noch bei Nacht Ruhe; der erste Officier ist
unablässig mit dem Detail beschäftigt und eigentlich niemals dienst-
frei, und die übrigen Officiere müssen neben dem Wachtdienst
für ihre Divisionen sorgen, exerciren, observiren und rechnen —
zur Controlle des Observationsofficiers, — und ihr Journal schrei-
ben. Die Cadetten haben ebenfalls viel Dienst und bereiten sich
nebenbei unter Leitung der Officiere zum Fähnrich-Examen vor;
die Fähnriche sind am schlimmsten daran: sie geniessen den Rang
aber nicht die Vortheile der Officiere, essen in der Cadettenmesse
und haben keine Kammern für sich. Sie avanciren zu Lieutenants
zur See erst nach einer Anzahl von Jahren Fahrzeit und thun theils
Cadetten-, theils Officiersdienst.
So ist denn am Bord eines Kriegsschiffes Alles in fortwäh-
render Thätigkeit bis auf die unseligen »Badegäste«; die Beamten
und Aerzte haben wenig zu thun und die Passagiere noch weniger.
Zu geistigen Arbeiten ernster Art sind auf dem Meere nur Wenige
fähig, die Seeluft und die Bewegung des Schiffes scheinen der
Gehirnthätigkeit nicht günstig zu sein; dazu kommt die Unruhe im
Schiffe, die keine Sammlung zulässt, und die Unmöglichkeit sich
zu isoliren. Leichte Lectüre ist ein Haupterforderniss auf langen
Seereisen; man verschlingt mit Lust die tollsten Romane, die
unglaublichsten Reisebeschreibungen, und freut sich die Zeit zu
betrügen. Die Schiffsbibliotheken liefern — neben wissenschaftlichen
Werken — reichen Vorrath an derartigen Büchern, denn auch die
Seeleute, vom Admiral bis zum Schiffsjungen, sind arge Bücher-
würmer, und ihre Einbildungskraft vielfach in den Thaten und Schick-
salen merkwürdiger Romanhelden und in wunderbaren Jagd- und
Reiseabentheuern absorbirt. Diese Erscheinung erklärt sich leicht aus
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