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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Bevölkerung. Die Chinesen. I.
man rechnet über 50,000 bei einer Gesammtbevölkerung von etwa
80,000 Seelen. Unermüdlich thätig und geduldig ergreifen und betrei-
ben sie Alles, wobei Geld zu gewinnen ist, und erwerben sich als
Kaufleute, Handwerker, Schreiber, Diener, Tagelöhner mit emsigem
Fleisse ihren Unterhalt; der Kleinhandel und die meisten Handwerke
gehören ihnen ganz allein. Den Fremden frappirt ihr gesetztes
selbstbefriedigtes Auftreten, das grell gegen das träge, träumerische
Wesen der Eingeborenen absticht; man sieht, dass man eine fertige
Nation vor sich hat. Der Chinese ist niemals in Verlegenheit, seine
Auffassung des Lebens durchaus materiell und practisch; seine
Tugend ist die Familienliebe, und in ihr vorzüglich mag der thätige
Erwerbsgeist seine Quelle haben. Geistige Genüsse und Bedürfnisse
kennt er nicht, und sein äusseres Wesen ist höchst prosaisch, ge-
wöhnlich. Aber die europäischen Kaufleute, welche die Chinesen
als Kassirer, Compradors, als Buchhalter, Waarenaussucher und
Aufseher gebrauchen, wissen ihren Fleiss, ihre Ehrlichkeit, Treue,
Stätigkeit und Intelligenz nicht genug zu rühmen. Der europäische
Handel lässt sich in diesen Gegenden ohne Chinesen kaum denken,
denn Europäer wären zu vielen von ihnen geleisteten Diensten in
diesem Klima ganz ungeschickt und würden zudem das Zehnfache
kosten, Malaien und Inder aber ganz untauglich. Die wichtigsten
Geschäfte, wie Buchführung und Kassenverwaltung werden ihnen
anvertraut -- die besseren chinesischen Commis lesen und schreiben
das Englische ganz geläufig. Natürlich erstreckt sich das Lob der
Zuverlässigkeit nicht auf die ganze Masse der Bevölkerung, unter
der es viele abgefeimte Spitzbuben giebt, -- aber ein Europäer
nimmt keinen Chinesen in Dienst, der nicht von ansässigen, Achtung
geniessenden Landsleuten empfohlen wäre, was nach chinesischen
Begriffen einer Bürgschaft gleichkommt und volle Sicherheit ge-
währt. Als Handwerker besitzen sie die grösste Geschicklichkeit
im Nachahmen europäischer Erzeugnisse, so namentlich die Schnei-
der, welche vortreffliche Arbeit zu geringen Preisen liefern, wenn
man ihnen gute Muster giebt. Ihre Lebensbedürfnisse sind so be-
scheiden, dass Europäer niemals mit ihnen concurriren können.
Unter den Kaufleuten sind einige sehr wohlhabend und stehen in
grossem Ansehn, so vor Allen der chinesische Grosshändler Wampoa,
welcher sich rühmt, dass seine Wechsel sogar in London Cours
haben. Die ansässigen Europäer verkehren gern mit ihm und be-
suchen seine Feste. Wampoa hat einen Sohn in England erziehen

Bevölkerung. Die Chinesen. I.
man rechnet über 50,000 bei einer Gesammtbevölkerung von etwa
80,000 Seelen. Unermüdlich thätig und geduldig ergreifen und betrei-
ben sie Alles, wobei Geld zu gewinnen ist, und erwerben sich als
Kaufleute, Handwerker, Schreiber, Diener, Tagelöhner mit emsigem
Fleisse ihren Unterhalt; der Kleinhandel und die meisten Handwerke
gehören ihnen ganz allein. Den Fremden frappirt ihr gesetztes
selbstbefriedigtes Auftreten, das grell gegen das träge, träumerische
Wesen der Eingeborenen absticht; man sieht, dass man eine fertige
Nation vor sich hat. Der Chinese ist niemals in Verlegenheit, seine
Auffassung des Lebens durchaus materiell und practisch; seine
Tugend ist die Familienliebe, und in ihr vorzüglich mag der thätige
Erwerbsgeist seine Quelle haben. Geistige Genüsse und Bedürfnisse
kennt er nicht, und sein äusseres Wesen ist höchst prosaisch, ge-
wöhnlich. Aber die europäischen Kaufleute, welche die Chinesen
als Kassirer, Compradors, als Buchhalter, Waarenaussucher und
Aufseher gebrauchen, wissen ihren Fleiss, ihre Ehrlichkeit, Treue,
Stätigkeit und Intelligenz nicht genug zu rühmen. Der europäische
Handel lässt sich in diesen Gegenden ohne Chinesen kaum denken,
denn Europäer wären zu vielen von ihnen geleisteten Diensten in
diesem Klima ganz ungeschickt und würden zudem das Zehnfache
kosten, Malaien und Inder aber ganz untauglich. Die wichtigsten
Geschäfte, wie Buchführung und Kassenverwaltung werden ihnen
anvertraut — die besseren chinesischen Commis lesen und schreiben
das Englische ganz geläufig. Natürlich erstreckt sich das Lob der
Zuverlässigkeit nicht auf die ganze Masse der Bevölkerung, unter
der es viele abgefeimte Spitzbuben giebt, — aber ein Europäer
nimmt keinen Chinesen in Dienst, der nicht von ansässigen, Achtung
geniessenden Landsleuten empfohlen wäre, was nach chinesischen
Begriffen einer Bürgschaft gleichkommt und volle Sicherheit ge-
währt. Als Handwerker besitzen sie die grösste Geschicklichkeit
im Nachahmen europäischer Erzeugnisse, so namentlich die Schnei-
der, welche vortreffliche Arbeit zu geringen Preisen liefern, wenn
man ihnen gute Muster giebt. Ihre Lebensbedürfnisse sind so be-
scheiden, dass Europäer niemals mit ihnen concurriren können.
Unter den Kaufleuten sind einige sehr wohlhabend und stehen in
grossem Ansehn, so vor Allen der chinesische Grosshändler Wampoa,
welcher sich rühmt, dass seine Wechsel sogar in London Cours
haben. Die ansässigen Europäer verkehren gern mit ihm und be-
suchen seine Feste. Wampoa hat einen Sohn in England erziehen

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[198/0228] Bevölkerung. Die Chinesen. I. man rechnet über 50,000 bei einer Gesammtbevölkerung von etwa 80,000 Seelen. Unermüdlich thätig und geduldig ergreifen und betrei- ben sie Alles, wobei Geld zu gewinnen ist, und erwerben sich als Kaufleute, Handwerker, Schreiber, Diener, Tagelöhner mit emsigem Fleisse ihren Unterhalt; der Kleinhandel und die meisten Handwerke gehören ihnen ganz allein. Den Fremden frappirt ihr gesetztes selbstbefriedigtes Auftreten, das grell gegen das träge, träumerische Wesen der Eingeborenen absticht; man sieht, dass man eine fertige Nation vor sich hat. Der Chinese ist niemals in Verlegenheit, seine Auffassung des Lebens durchaus materiell und practisch; seine Tugend ist die Familienliebe, und in ihr vorzüglich mag der thätige Erwerbsgeist seine Quelle haben. Geistige Genüsse und Bedürfnisse kennt er nicht, und sein äusseres Wesen ist höchst prosaisch, ge- wöhnlich. Aber die europäischen Kaufleute, welche die Chinesen als Kassirer, Compradors, als Buchhalter, Waarenaussucher und Aufseher gebrauchen, wissen ihren Fleiss, ihre Ehrlichkeit, Treue, Stätigkeit und Intelligenz nicht genug zu rühmen. Der europäische Handel lässt sich in diesen Gegenden ohne Chinesen kaum denken, denn Europäer wären zu vielen von ihnen geleisteten Diensten in diesem Klima ganz ungeschickt und würden zudem das Zehnfache kosten, Malaien und Inder aber ganz untauglich. Die wichtigsten Geschäfte, wie Buchführung und Kassenverwaltung werden ihnen anvertraut — die besseren chinesischen Commis lesen und schreiben das Englische ganz geläufig. Natürlich erstreckt sich das Lob der Zuverlässigkeit nicht auf die ganze Masse der Bevölkerung, unter der es viele abgefeimte Spitzbuben giebt, — aber ein Europäer nimmt keinen Chinesen in Dienst, der nicht von ansässigen, Achtung geniessenden Landsleuten empfohlen wäre, was nach chinesischen Begriffen einer Bürgschaft gleichkommt und volle Sicherheit ge- währt. Als Handwerker besitzen sie die grösste Geschicklichkeit im Nachahmen europäischer Erzeugnisse, so namentlich die Schnei- der, welche vortreffliche Arbeit zu geringen Preisen liefern, wenn man ihnen gute Muster giebt. Ihre Lebensbedürfnisse sind so be- scheiden, dass Europäer niemals mit ihnen concurriren können. Unter den Kaufleuten sind einige sehr wohlhabend und stehen in grossem Ansehn, so vor Allen der chinesische Grosshändler Wampoa, welcher sich rühmt, dass seine Wechsel sogar in London Cours haben. Die ansässigen Europäer verkehren gern mit ihm und be- suchen seine Feste. Wampoa hat einen Sohn in England erziehen

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/228>, abgerufen am 26.11.2024.