I. Die europäischen Häuser. Die asiatischen Stadtviertel.
Luftzug haben etwas Beunruhigendes, Aufregendes; dem Engländer in Ostindien ist die "Punka" aber zum Lebensbedürfniss geworden, sie haben deren sogar vielfach über ihren Betten angebracht und lassen sich die ganze Nacht durch befächeln. -- Die Fuss- böden der Wohnräume sind mit feinen chinesischen Binsenmatten belegt, die Möbel englischen und amerikanischen Schnittes, -- die Sessel meist zum Liegen eingerichtet. Man befindet sich in diesen Häusern sehr wohl, besonders in den Mittelräumen, welche meist durch das ganze Gebäude gehen und nach beiden Seiten Fenster haben.
Der westliche Theil der Stadt, eine compacte Häusermasse, ge- hört der Handel und Gewerbe treibenden Bevölkerung der Chinesen, Malaien, Inder; dort haben auch die europäischen Kaufleute ihre Waarenlager und Contore. Die Hauptstrassen laufen auch hier dem Meeresstrande parallel, andere schneiden sie im rechten Winkel. Sie sind breit und ziemlich reinlich gehalten, lange einförmige Reihen meist zweistöckiger weisser Häuser mit Colonnaden; unten der Kaufladen oder die Werkstatt, oben die Wohnräume. Die Bauart ist plump und massiv, nur einzelne chinesische Häuser sind sorgfältig gemauert und mit bunten phantastischen Stuckreliefs geschmückt, auf's reichste verziert dagegen die Facaden der chinesischen Tempel und der indi- schen Gotteshäuser, welche hier und da die einförmigen Häuser- reihen unterbrechen. Erstere haben geschweifte Dächer von feinen grauen Ziegeln, Dachfirst, Fries und Giebel strotzen von phantasti- schem vielfarbigem Schnörkelwerk aus glasirten Kacheln, Stuck und geschnitztem Holz; das Mauerwerk ist aus Backsteinen mit wenig Mörtel so fein und sorgfältig gefügt, wie man es im ganzen Occident nicht kennt. -- Die Hindu-Tempel haben reich verzierte Portale und Thürmchen, und zeichnen sich durch eine unruhige Fülle architectonischen Details aus, welchem ungeheuerliche mytho- logische Figuren und grimmige Fratzen verwebt sind. Nirgend findet das Auge einen Ruhepunct. Das Ganze trägt aber ein sehr bestimmtes Gepräge, und ist wohl eine Architectur zu nennen. Die Dimensionen sind klein, wie bei den chinesischen Tempeln in Singapore.
Auf den Strassen wogt eine bunte Menge, grösstentheils langzopfige Chinesen, die sich emsig umhertummeln oder rastlos arbeitend vor ihren Häusern und in den offenen Werkstätten sitzen. Sie bilden die überwiegende Mehrzahl der Einwohner --
I. Die europäischen Häuser. Die asiatischen Stadtviertel.
Luftzug haben etwas Beunruhigendes, Aufregendes; dem Engländer in Ostindien ist die »Punka« aber zum Lebensbedürfniss geworden, sie haben deren sogar vielfach über ihren Betten angebracht und lassen sich die ganze Nacht durch befächeln. — Die Fuss- böden der Wohnräume sind mit feinen chinesischen Binsenmatten belegt, die Möbel englischen und amerikanischen Schnittes, — die Sessel meist zum Liegen eingerichtet. Man befindet sich in diesen Häusern sehr wohl, besonders in den Mittelräumen, welche meist durch das ganze Gebäude gehen und nach beiden Seiten Fenster haben.
Der westliche Theil der Stadt, eine compacte Häusermasse, ge- hört der Handel und Gewerbe treibenden Bevölkerung der Chinesen, Malaien, Inder; dort haben auch die europäischen Kaufleute ihre Waarenlager und Contore. Die Hauptstrassen laufen auch hier dem Meeresstrande parallel, andere schneiden sie im rechten Winkel. Sie sind breit und ziemlich reinlich gehalten, lange einförmige Reihen meist zweistöckiger weisser Häuser mit Colonnaden; unten der Kaufladen oder die Werkstatt, oben die Wohnräume. Die Bauart ist plump und massiv, nur einzelne chinesische Häuser sind sorgfältig gemauert und mit bunten phantastischen Stuckreliefs geschmückt, auf’s reichste verziert dagegen die Façaden der chinesischen Tempel und der indi- schen Gotteshäuser, welche hier und da die einförmigen Häuser- reihen unterbrechen. Erstere haben geschweifte Dächer von feinen grauen Ziegeln, Dachfirst, Fries und Giebel strotzen von phantasti- schem vielfarbigem Schnörkelwerk aus glasirten Kacheln, Stuck und geschnitztem Holz; das Mauerwerk ist aus Backsteinen mit wenig Mörtel so fein und sorgfältig gefügt, wie man es im ganzen Occident nicht kennt. — Die Hindu-Tempel haben reich verzierte Portale und Thürmchen, und zeichnen sich durch eine unruhige Fülle architectonischen Details aus, welchem ungeheuerliche mytho- logische Figuren und grimmige Fratzen verwebt sind. Nirgend findet das Auge einen Ruhepunct. Das Ganze trägt aber ein sehr bestimmtes Gepräge, und ist wohl eine Architectur zu nennen. Die Dimensionen sind klein, wie bei den chinesischen Tempeln in Singapore.
Auf den Strassen wogt eine bunte Menge, grösstentheils langzopfige Chinesen, die sich emsig umhertummeln oder rastlos arbeitend vor ihren Häusern und in den offenen Werkstätten sitzen. Sie bilden die überwiegende Mehrzahl der Einwohner —
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I. Die europäischen Häuser. Die asiatischen Stadtviertel.
Luftzug haben etwas Beunruhigendes, Aufregendes; dem Engländer
in Ostindien ist die »Punka« aber zum Lebensbedürfniss geworden,
sie haben deren sogar vielfach über ihren Betten angebracht
und lassen sich die ganze Nacht durch befächeln. — Die Fuss-
böden der Wohnräume sind mit feinen chinesischen Binsenmatten
belegt, die Möbel englischen und amerikanischen Schnittes, —
die Sessel meist zum Liegen eingerichtet. Man befindet sich in
diesen Häusern sehr wohl, besonders in den Mittelräumen, welche
meist durch das ganze Gebäude gehen und nach beiden Seiten
Fenster haben.
Der westliche Theil der Stadt, eine compacte Häusermasse, ge-
hört der Handel und Gewerbe treibenden Bevölkerung der Chinesen,
Malaien, Inder; dort haben auch die europäischen Kaufleute ihre
Waarenlager und Contore. Die Hauptstrassen laufen auch hier dem
Meeresstrande parallel, andere schneiden sie im rechten Winkel. Sie
sind breit und ziemlich reinlich gehalten, lange einförmige Reihen meist
zweistöckiger weisser Häuser mit Colonnaden; unten der Kaufladen
oder die Werkstatt, oben die Wohnräume. Die Bauart ist plump und
massiv, nur einzelne chinesische Häuser sind sorgfältig gemauert
und mit bunten phantastischen Stuckreliefs geschmückt, auf’s reichste
verziert dagegen die Façaden der chinesischen Tempel und der indi-
schen Gotteshäuser, welche hier und da die einförmigen Häuser-
reihen unterbrechen. Erstere haben geschweifte Dächer von feinen
grauen Ziegeln, Dachfirst, Fries und Giebel strotzen von phantasti-
schem vielfarbigem Schnörkelwerk aus glasirten Kacheln, Stuck
und geschnitztem Holz; das Mauerwerk ist aus Backsteinen mit
wenig Mörtel so fein und sorgfältig gefügt, wie man es im ganzen
Occident nicht kennt. — Die Hindu-Tempel haben reich verzierte
Portale und Thürmchen, und zeichnen sich durch eine unruhige
Fülle architectonischen Details aus, welchem ungeheuerliche mytho-
logische Figuren und grimmige Fratzen verwebt sind. Nirgend
findet das Auge einen Ruhepunct. Das Ganze trägt aber ein sehr
bestimmtes Gepräge, und ist wohl eine Architectur zu nennen. Die
Dimensionen sind klein, wie bei den chinesischen Tempeln in
Singapore.
Auf den Strassen wogt eine bunte Menge, grösstentheils
langzopfige Chinesen, die sich emsig umhertummeln oder rastlos
arbeitend vor ihren Häusern und in den offenen Werkstätten
sitzen. Sie bilden die überwiegende Mehrzahl der Einwohner —
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/227>, abgerufen am 18.07.2024.
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