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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Unzulänglichkeit der Nachrichten.
dermaassen, dass es bis jetzt unmöglich ist, den wirklichen Verlauf
der Begebenheiten herauszufinden.


Harakiru. Yetsizen-no-kami wird der Theilnahme am Morde beschuldigt und
entleibt sich ebenfalls. -- Iye-sado, der Sohn des ermordeten Siogun, wird auf den
Thron erhoben; der erbliche Regent Ikamo-no-kami tritt an die Spitze der Ver-
waltung. Er beruft nach einem schon bei Perry's Ankunft gefassten Beschlusse eine
Versammlung aller Daimio's, die über 50,000 Kok Einkünfte haben, um über die
Zulassung der Fremden Rath zu pflegen. Viele sind dagegen, vor allen der Fürst
von Mito. Der Fürst von Kanga, der reichste von allen, soll die Hand an das
Schwert gelegt haben mit dem Ausruf, man müsse lieber sterben als solche Schmach
dulden. Die Versammlung beschliesst jedoch mit schwacher Majorität, auf Ver-
handlungen einzugehen und einige möglichst geringe Zugeständnisse zu machen, um
den Krieg zu vermeiden. Der Fürst von Mito, welcher als Titularbruder Aussicht
auf den Thron hatte, wenn der Siogun kinderlos starb, verschwört sich mit einer
Parthei mächtiger Lehnsfürsten, ihn zu vergiften. Als die Herren Donker Curtius
und Harris im Winter 1857 -- 58 in Yeddo die neuen Verträge feststellten, soll es
Mito gewesen sein, der die Unterzeichnung hintertrieb. Im Frühjahr 1858 aber
setzte Mr. Harris die Unterzeichnung des amerikanischen Vertrages durch -- und
kurz darauf starb der Siogun Iye-sado eines gewaltsamen Todes. Die Mörder
werden ergriffen, und gestehen von Mito angestiftet zu sein; der Regent verbannt
diesen auf seine Güter, mit dem Bedeuten, dass seine Entfernung vom Hofe nur
vorübergehend sein solle, wenn er sich ohne Weiteres füge, entgegengesetzten Falles
werde er ihn vor dem Reichsrath der Vergiftung des Siogun anklagen, worauf die
Strafe der Kreuzigung steht. Mito sieht sich durch die Entschlossenheit des Re-
genten überwältigt und folgt dem Verbannungsbefehl, Ikamo aber lässt den jungen
Fürsten von Kii, dessen Vater noch lebte, auf den Thron erheben, wodurch die
Linie Mito wieder ausgeschlossen war. Dieser Schritt, durch welchen Ikamo die
Leitung des Staates -- während der Unmündigkeit des Siogun -- in der Hand be-
hielt, wurde ihm von der Gegenparthei als Treubruch und Verrath ausgelegt, und
später durch seine Ermordung gerächt. -- Die Politik des Regenten gegen die Frem-
den ist nie recht klar gewesen. Zu Anfang soll er sich neutral gehalten und
niemals bestimmt weder für noch gegen ihre Zulassung ausgesprochen haben. Nach
Unterzeichnung des zweiten amerikanischen Vertrages (Harris, 1858) aber fanden
grosse Veränderungen im Gorodzio statt: Alle, die mit der Unterzeichnung zu
thun gehabt hatten, wurden abgesetzt oder degradirt. An die Spitze des neuen
Ministeriums trat der durch seine Anhänglichkeit an die alten Institutionen bekannte
Midsuo Tsikungo; der Regent scheint sich nur durch eine Allianz mit der conserva-
tiven Parthei haben halten zu können. Der Drang der Umstände aber zwang dieses
fremdenfeindliche Ministerium gleich nach seinem Eintritt zur Abschliessung des
englischen, französischen, holländischen, russischen Vertrages.
So weit die von Herrn Alcock erzählten Gerüchte, die ohne allen Zweifel viel
Wahres enthalten. Midsuo Tsikungo war bei der Ankunft des preussischen Ge-
schwaders nicht mehr Minister; die damals am Ruder befindlichen Staatsmänner
gehörten zur gemässigten Parthei.

Unzulänglichkeit der Nachrichten.
dermaassen, dass es bis jetzt unmöglich ist, den wirklichen Verlauf
der Begebenheiten herauszufinden.


Harakiru. Yetsizen-no-kami wird der Theilnahme am Morde beschuldigt und
entleibt sich ebenfalls. — Iye-sado, der Sohn des ermordeten Siogun, wird auf den
Thron erhoben; der erbliche Regent Ikamo-no-kami tritt an die Spitze der Ver-
waltung. Er beruft nach einem schon bei Perry’s Ankunft gefassten Beschlusse eine
Versammlung aller Daïmio’s, die über 50,000 Kok Einkünfte haben, um über die
Zulassung der Fremden Rath zu pflegen. Viele sind dagegen, vor allen der Fürst
von Mito. Der Fürst von Kaṅga, der reichste von allen, soll die Hand an das
Schwert gelegt haben mit dem Ausruf, man müsse lieber sterben als solche Schmach
dulden. Die Versammlung beschliesst jedoch mit schwacher Majorität, auf Ver-
handlungen einzugehen und einige möglichst geringe Zugeständnisse zu machen, um
den Krieg zu vermeiden. Der Fürst von Mito, welcher als Titularbruder Aussicht
auf den Thron hatte, wenn der Siogun kinderlos starb, verschwört sich mit einer
Parthei mächtiger Lehnsfürsten, ihn zu vergiften. Als die Herren Donker Curtius
und Harris im Winter 1857 — 58 in Yeddo die neuen Verträge feststellten, soll es
Mito gewesen sein, der die Unterzeichnung hintertrieb. Im Frühjahr 1858 aber
setzte Mr. Harris die Unterzeichnung des amerikanischen Vertrages durch — und
kurz darauf starb der Siogun Iye-sado eines gewaltsamen Todes. Die Mörder
werden ergriffen, und gestehen von Mito angestiftet zu sein; der Regent verbannt
diesen auf seine Güter, mit dem Bedeuten, dass seine Entfernung vom Hofe nur
vorübergehend sein solle, wenn er sich ohne Weiteres füge, entgegengesetzten Falles
werde er ihn vor dem Reichsrath der Vergiftung des Siogun anklagen, worauf die
Strafe der Kreuzigung steht. Mito sieht sich durch die Entschlossenheit des Re-
genten überwältigt und folgt dem Verbannungsbefehl, Ikamo aber lässt den jungen
Fürsten von Kii, dessen Vater noch lebte, auf den Thron erheben, wodurch die
Linie Mito wieder ausgeschlossen war. Dieser Schritt, durch welchen Ikamo die
Leitung des Staates — während der Unmündigkeit des Siogun — in der Hand be-
hielt, wurde ihm von der Gegenparthei als Treubruch und Verrath ausgelegt, und
später durch seine Ermordung gerächt. — Die Politik des Regenten gegen die Frem-
den ist nie recht klar gewesen. Zu Anfang soll er sich neutral gehalten und
niemals bestimmt weder für noch gegen ihre Zulassung ausgesprochen haben. Nach
Unterzeichnung des zweiten amerikanischen Vertrages (Harris, 1858) aber fanden
grosse Veränderungen im Gorodžio statt: Alle, die mit der Unterzeichnung zu
thun gehabt hatten, wurden abgesetzt oder degradirt. An die Spitze des neuen
Ministeriums trat der durch seine Anhänglichkeit an die alten Institutionen bekannte
Midsuo Tsikungo; der Regent scheint sich nur durch eine Allianz mit der conserva-
tiven Parthei haben halten zu können. Der Drang der Umstände aber zwang dieses
fremdenfeindliche Ministerium gleich nach seinem Eintritt zur Abschliessung des
englischen, französischen, holländischen, russischen Vertrages.
So weit die von Herrn Alcock erzählten Gerüchte, die ohne allen Zweifel viel
Wahres enthalten. Midsuo Tsikungo war bei der Ankunft des preussischen Ge-
schwaders nicht mehr Minister; die damals am Ruder befindlichen Staatsmänner
gehörten zur gemässigten Parthei.
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[185/0215] Unzulänglichkeit der Nachrichten. dermaassen, dass es bis jetzt unmöglich ist, den wirklichen Verlauf der Begebenheiten herauszufinden. 180) 180) Harakiru. Yetsizen-no-kami wird der Theilnahme am Morde beschuldigt und entleibt sich ebenfalls. — Iye-sado, der Sohn des ermordeten Siogun, wird auf den Thron erhoben; der erbliche Regent Ikamo-no-kami tritt an die Spitze der Ver- waltung. Er beruft nach einem schon bei Perry’s Ankunft gefassten Beschlusse eine Versammlung aller Daïmio’s, die über 50,000 Kok Einkünfte haben, um über die Zulassung der Fremden Rath zu pflegen. Viele sind dagegen, vor allen der Fürst von Mito. Der Fürst von Kaṅga, der reichste von allen, soll die Hand an das Schwert gelegt haben mit dem Ausruf, man müsse lieber sterben als solche Schmach dulden. Die Versammlung beschliesst jedoch mit schwacher Majorität, auf Ver- handlungen einzugehen und einige möglichst geringe Zugeständnisse zu machen, um den Krieg zu vermeiden. Der Fürst von Mito, welcher als Titularbruder Aussicht auf den Thron hatte, wenn der Siogun kinderlos starb, verschwört sich mit einer Parthei mächtiger Lehnsfürsten, ihn zu vergiften. Als die Herren Donker Curtius und Harris im Winter 1857 — 58 in Yeddo die neuen Verträge feststellten, soll es Mito gewesen sein, der die Unterzeichnung hintertrieb. Im Frühjahr 1858 aber setzte Mr. Harris die Unterzeichnung des amerikanischen Vertrages durch — und kurz darauf starb der Siogun Iye-sado eines gewaltsamen Todes. Die Mörder werden ergriffen, und gestehen von Mito angestiftet zu sein; der Regent verbannt diesen auf seine Güter, mit dem Bedeuten, dass seine Entfernung vom Hofe nur vorübergehend sein solle, wenn er sich ohne Weiteres füge, entgegengesetzten Falles werde er ihn vor dem Reichsrath der Vergiftung des Siogun anklagen, worauf die Strafe der Kreuzigung steht. Mito sieht sich durch die Entschlossenheit des Re- genten überwältigt und folgt dem Verbannungsbefehl, Ikamo aber lässt den jungen Fürsten von Kii, dessen Vater noch lebte, auf den Thron erheben, wodurch die Linie Mito wieder ausgeschlossen war. Dieser Schritt, durch welchen Ikamo die Leitung des Staates — während der Unmündigkeit des Siogun — in der Hand be- hielt, wurde ihm von der Gegenparthei als Treubruch und Verrath ausgelegt, und später durch seine Ermordung gerächt. — Die Politik des Regenten gegen die Frem- den ist nie recht klar gewesen. Zu Anfang soll er sich neutral gehalten und niemals bestimmt weder für noch gegen ihre Zulassung ausgesprochen haben. Nach Unterzeichnung des zweiten amerikanischen Vertrages (Harris, 1858) aber fanden grosse Veränderungen im Gorodžio statt: Alle, die mit der Unterzeichnung zu thun gehabt hatten, wurden abgesetzt oder degradirt. An die Spitze des neuen Ministeriums trat der durch seine Anhänglichkeit an die alten Institutionen bekannte Midsuo Tsikungo; der Regent scheint sich nur durch eine Allianz mit der conserva- tiven Parthei haben halten zu können. Der Drang der Umstände aber zwang dieses fremdenfeindliche Ministerium gleich nach seinem Eintritt zur Abschliessung des englischen, französischen, holländischen, russischen Vertrages. So weit die von Herrn Alcock erzählten Gerüchte, die ohne allen Zweifel viel Wahres enthalten. Midsuo Tsikungo war bei der Ankunft des preussischen Ge- schwaders nicht mehr Minister; die damals am Ruder befindlichen Staatsmänner gehörten zur gemässigten Parthei.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/215>, abgerufen am 25.11.2024.