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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Erweiterung des Verkehrs. Das amerikanische Consulat in Simoda.
wenn Mangel an Rückfrachten wäre, sollten die Einfuhr-Artikel
mit Gold- und Silbermünzen zu bestimmten Wechselcoursen bezahlt
werden; der Zoll auf russische Einfuhr-Artikel sollte in keinem Falle
über 35 Procent betragen, bei allen an die Zollämter selbst ver-
äusserten Waaren aber jede Steuer wegfallen. Zum Einkaufe japa-
nischer Erzeugnisse mussten sich die Russen ähnlichen Papiergeldes
bedienen wie die Holländer; diese ganze Einrichtung erwies sich
aber bald als unzweckmässig und wurde wieder abgeschafft.

So wurden in kurzer Zeit viele lästige Fesseln abgestreift.
Die Regierung zeigte den besten Willen, und das japanische Volk,
von Natur gutmüthig, gastfreundlich und auf alles Ausländische
in hohem Grade begierig, nahm die Fremden mit offenen Armen auf.
Zur Berührung mit den Samrai, den Daimio's und ihrer Trabanten,
welchen die Formlosigkeit und das übermüthige Auftreten der
amerikanischen und europäischen Kaufleute anstössig ist, gab es in
Nangasaki und Hakodade wenig Gelegenheit. Man wusste in jener
Zeit nichts von den blutigen Reibungen, welche nach der Eröffnung
von Kanagava so häufig wurden. --

Bald nach Ratification des Perry'schen Vertrages waren mehr-
fach amerikanische Kaufleute nach den geöffneten Häfen gekommen,
um sich dort niederzulassen und Handel zu treiben, woran die
japanischen Behörden, gestützt auf die ausdrückliche Bestimmung,
dass nur ein vorübergehender (temporary) Aufenthalt gestattet
sein solle, sie durchweg mit Consequenz verhinderten. Man liess
Niemand landen, der sich nicht zuvor über die Dauer des beab-
sichtigten Aufenthaltes genau erklärte. Zudem gab der Vertrag den
japanischen Beamten so viel Einfluss auf die Transactionen des
Waarenaustausches, dass von keinem eigentlichen Handel die Rede
sein konnte, und da die nachher den Holländern gemachten Zu-
geständnisse sich nur auf Nangasaki und Hakodade bezogen, so
blieb der Hafen von Simoda, der überdies bald nach Perry's Abreise
durch ein furchtbares Erdbeben viel von seiner Sicherheit verloren
hatte, fast ganz unbesucht. Dem amerikanischen Consul Mr. Townsend
Harris
, der in Folge des Perry'schen Vertrages im Sommer 1856 dort
eintraf, kam dieser Umstand sehr zu Statten; er trat zu den japa-
nischen Behörden in ein Verhältniss, das bei Anwesenheit der Kauf-
leute und den in Handelsgeschäften unvermeidlichen Misshelligkeiten
und Reibungen kaum so freundschaftlich hätte werden können. Er
blieb oft Monate lang ohne Nachrichten aus der Heimath und war

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Erweiterung des Verkehrs. Das amerikanische Consulat in Simoda.
wenn Mangel an Rückfrachten wäre, sollten die Einfuhr-Artikel
mit Gold- und Silbermünzen zu bestimmten Wechselcoursen bezahlt
werden; der Zoll auf russische Einfuhr-Artikel sollte in keinem Falle
über 35 Procent betragen, bei allen an die Zollämter selbst ver-
äusserten Waaren aber jede Steuer wegfallen. Zum Einkaufe japa-
nischer Erzeugnisse mussten sich die Russen ähnlichen Papiergeldes
bedienen wie die Holländer; diese ganze Einrichtung erwies sich
aber bald als unzweckmässig und wurde wieder abgeschafft.

So wurden in kurzer Zeit viele lästige Fesseln abgestreift.
Die Regierung zeigte den besten Willen, und das japanische Volk,
von Natur gutmüthig, gastfreundlich und auf alles Ausländische
in hohem Grade begierig, nahm die Fremden mit offenen Armen auf.
Zur Berührung mit den Samraï, den Daïmio’s und ihrer Trabanten,
welchen die Formlosigkeit und das übermüthige Auftreten der
amerikanischen und europäischen Kaufleute anstössig ist, gab es in
Naṅgasaki und Hakodade wenig Gelegenheit. Man wusste in jener
Zeit nichts von den blutigen Reibungen, welche nach der Eröffnung
von Kanagava so häufig wurden. —

Bald nach Ratification des Perry’schen Vertrages waren mehr-
fach amerikanische Kaufleute nach den geöffneten Häfen gekommen,
um sich dort niederzulassen und Handel zu treiben, woran die
japanischen Behörden, gestützt auf die ausdrückliche Bestimmung,
dass nur ein vorübergehender (temporary) Aufenthalt gestattet
sein solle, sie durchweg mit Consequenz verhinderten. Man liess
Niemand landen, der sich nicht zuvor über die Dauer des beab-
sichtigten Aufenthaltes genau erklärte. Zudem gab der Vertrag den
japanischen Beamten so viel Einfluss auf die Transactionen des
Waarenaustausches, dass von keinem eigentlichen Handel die Rede
sein konnte, und da die nachher den Holländern gemachten Zu-
geständnisse sich nur auf Naṅgasaki und Hakodade bezogen, so
blieb der Hafen von Simoda, der überdies bald nach Perry’s Abreise
durch ein furchtbares Erdbeben viel von seiner Sicherheit verloren
hatte, fast ganz unbesucht. Dem amerikanischen Consul Mr. Townsend
Harris
, der in Folge des Perry’schen Vertrages im Sommer 1856 dort
eintraf, kam dieser Umstand sehr zu Statten; er trat zu den japa-
nischen Behörden in ein Verhältniss, das bei Anwesenheit der Kauf-
leute und den in Handelsgeschäften unvermeidlichen Misshelligkeiten
und Reibungen kaum so freundschaftlich hätte werden können. Er
blieb oft Monate lang ohne Nachrichten aus der Heimath und war

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[179/0209] Erweiterung des Verkehrs. Das amerikanische Consulat in Simoda. wenn Mangel an Rückfrachten wäre, sollten die Einfuhr-Artikel mit Gold- und Silbermünzen zu bestimmten Wechselcoursen bezahlt werden; der Zoll auf russische Einfuhr-Artikel sollte in keinem Falle über 35 Procent betragen, bei allen an die Zollämter selbst ver- äusserten Waaren aber jede Steuer wegfallen. Zum Einkaufe japa- nischer Erzeugnisse mussten sich die Russen ähnlichen Papiergeldes bedienen wie die Holländer; diese ganze Einrichtung erwies sich aber bald als unzweckmässig und wurde wieder abgeschafft. So wurden in kurzer Zeit viele lästige Fesseln abgestreift. Die Regierung zeigte den besten Willen, und das japanische Volk, von Natur gutmüthig, gastfreundlich und auf alles Ausländische in hohem Grade begierig, nahm die Fremden mit offenen Armen auf. Zur Berührung mit den Samraï, den Daïmio’s und ihrer Trabanten, welchen die Formlosigkeit und das übermüthige Auftreten der amerikanischen und europäischen Kaufleute anstössig ist, gab es in Naṅgasaki und Hakodade wenig Gelegenheit. Man wusste in jener Zeit nichts von den blutigen Reibungen, welche nach der Eröffnung von Kanagava so häufig wurden. — Bald nach Ratification des Perry’schen Vertrages waren mehr- fach amerikanische Kaufleute nach den geöffneten Häfen gekommen, um sich dort niederzulassen und Handel zu treiben, woran die japanischen Behörden, gestützt auf die ausdrückliche Bestimmung, dass nur ein vorübergehender (temporary) Aufenthalt gestattet sein solle, sie durchweg mit Consequenz verhinderten. Man liess Niemand landen, der sich nicht zuvor über die Dauer des beab- sichtigten Aufenthaltes genau erklärte. Zudem gab der Vertrag den japanischen Beamten so viel Einfluss auf die Transactionen des Waarenaustausches, dass von keinem eigentlichen Handel die Rede sein konnte, und da die nachher den Holländern gemachten Zu- geständnisse sich nur auf Naṅgasaki und Hakodade bezogen, so blieb der Hafen von Simoda, der überdies bald nach Perry’s Abreise durch ein furchtbares Erdbeben viel von seiner Sicherheit verloren hatte, fast ganz unbesucht. Dem amerikanischen Consul Mr. Townsend Harris, der in Folge des Perry’schen Vertrages im Sommer 1856 dort eintraf, kam dieser Umstand sehr zu Statten; er trat zu den japa- nischen Behörden in ein Verhältniss, das bei Anwesenheit der Kauf- leute und den in Handelsgeschäften unvermeidlichen Misshelligkeiten und Reibungen kaum so freundschaftlich hätte werden können. Er blieb oft Monate lang ohne Nachrichten aus der Heimath und war 12*

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/209>, abgerufen am 28.11.2024.