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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Das Schreiben König Willem's II.
Der Handel verband alle Länder der Welt, die Abschliessung Japans
und die Stellung der Holländer daselbst war eine Anomalie, ein
Anachronismus geworden. In diesem Gefühl richtete König Willem II
von Holland
ein Schreiben an den Siogun, welches bezweckte, nicht
zunächst eine vortheilhaftere Stellung für die Niederländer zu er-
ringen, sondern die japanische Regierung mit den in der Welt vor-
gehenden Veränderungen vertraut und auf das Gefährliche und
Unhaltbare ihrer Stellung aufmerksam zu machen. Es heisst darin
unter Anderen: "Wir haben dem Laufe der Zeiten eine ernste Auf-
merksamkeit gewidmet: der Verkehr der Völker auf Erden nimmt
mit raschen Schritten zu, eine unwiderstehliche Kraft zieht dieselben
gegenseitig an. Durch die Erfindung von Dampfschiffen werden die
Entfernungen immer geringer; das Volk, das bei dieser allgemeinen
Annäherung sich ausschliessen will, wird mit vielen in Feindschaft
gerathen. Es ist uns bekannt, dass die Gesetze, welche die durch-
lauchtigen Vorfahren Ew. Majestät gegeben, den Verkehr mit fremden
Völkern eng beschränken. Doch der Weise sagt: "wenn die Weis-
heit auf dem Throne sitzt, dann thut sie sich hervor durch Erhal-
tung des Friedens." Wenn alte Gesetze durch strenge Handhabung
Anlass zu Friedensstörung geben, dann gebietet es die Vernunft,
dieselben zu mildern. Dies, Grossmächtiger Kaiser, ist denn auch
unser freundschaftlicher Rath: mildert die Strenge des Gesetzes gegen
den Verkehr mit Fremden, damit das glückliche Japan nicht durch
Kriege verwüstet werde. Wir geben Ew. Majestät diesen Rath in
der besten Absicht, ganz frei von eigenem Staatsinteresse. Wir
hoffen, dass die Weisheit der japanischen Regierung zur Einsicht
gelangt, dass der Frieden nur durch freundschaftliche Beziehungen
erhalten werden kann, und diese nur allein durch den Handels-
verkehr entstehen können." -- Dann folgt eine treffende Schilderung
von der Entwickelung des Welthandels und von der Lage der Dinge
in China, "dessen mächtiger Kaiser nach langem fruchtlosen Wider-
stande endlich der Uebermacht der europäischen Kriegskunst nach-
geben und in dem darauf erfolgten Friedensvertrage Bedingungen
eingehen musste, durch welche die alte chinesische Politik eine
bedeutende Abänderung erlitt, und vermöge deren fünf Seehäfen
von China für den Handel der Europäer eröffnet wurden" 175). --
Die ernste eindringliche Sprache dieses Schreibens, welches die

175) Mitgetheilt von Siebold: Urkundliche Darstellung u. s. w., wo noch andere
Stellen aus dem königlichen Schreiben abgedruckt sind.

Das Schreiben König Willem’s II.
Der Handel verband alle Länder der Welt, die Abschliessung Japans
und die Stellung der Holländer daselbst war eine Anomalie, ein
Anachronismus geworden. In diesem Gefühl richtete König Willem II
von Holland
ein Schreiben an den Siogun, welches bezweckte, nicht
zunächst eine vortheilhaftere Stellung für die Niederländer zu er-
ringen, sondern die japanische Regierung mit den in der Welt vor-
gehenden Veränderungen vertraut und auf das Gefährliche und
Unhaltbare ihrer Stellung aufmerksam zu machen. Es heisst darin
unter Anderen: »Wir haben dem Laufe der Zeiten eine ernste Auf-
merksamkeit gewidmet: der Verkehr der Völker auf Erden nimmt
mit raschen Schritten zu, eine unwiderstehliche Kraft zieht dieselben
gegenseitig an. Durch die Erfindung von Dampfschiffen werden die
Entfernungen immer geringer; das Volk, das bei dieser allgemeinen
Annäherung sich ausschliessen will, wird mit vielen in Feindschaft
gerathen. Es ist uns bekannt, dass die Gesetze, welche die durch-
lauchtigen Vorfahren Ew. Majestät gegeben, den Verkehr mit fremden
Völkern eng beschränken. Doch der Weise sagt: »wenn die Weis-
heit auf dem Throne sitzt, dann thut sie sich hervor durch Erhal-
tung des Friedens.« Wenn alte Gesetze durch strenge Handhabung
Anlass zu Friedensstörung geben, dann gebietet es die Vernunft,
dieselben zu mildern. Dies, Grossmächtiger Kaiser, ist denn auch
unser freundschaftlicher Rath: mildert die Strenge des Gesetzes gegen
den Verkehr mit Fremden, damit das glückliche Japan nicht durch
Kriege verwüstet werde. Wir geben Ew. Majestät diesen Rath in
der besten Absicht, ganz frei von eigenem Staatsinteresse. Wir
hoffen, dass die Weisheit der japanischen Regierung zur Einsicht
gelangt, dass der Frieden nur durch freundschaftliche Beziehungen
erhalten werden kann, und diese nur allein durch den Handels-
verkehr entstehen können.« — Dann folgt eine treffende Schilderung
von der Entwickelung des Welthandels und von der Lage der Dinge
in China, »dessen mächtiger Kaiser nach langem fruchtlosen Wider-
stande endlich der Uebermacht der europäischen Kriegskunst nach-
geben und in dem darauf erfolgten Friedensvertrage Bedingungen
eingehen musste, durch welche die alte chinesische Politik eine
bedeutende Abänderung erlitt, und vermöge deren fünf Seehäfen
von China für den Handel der Europäer eröffnet wurden« 175). —
Die ernste eindringliche Sprache dieses Schreibens, welches die

175) Mitgetheilt von Siebold: Urkundliche Darstellung u. s. w., wo noch andere
Stellen aus dem königlichen Schreiben abgedruckt sind.
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[172/0202] Das Schreiben König Willem’s II. Der Handel verband alle Länder der Welt, die Abschliessung Japans und die Stellung der Holländer daselbst war eine Anomalie, ein Anachronismus geworden. In diesem Gefühl richtete König Willem II von Holland ein Schreiben an den Siogun, welches bezweckte, nicht zunächst eine vortheilhaftere Stellung für die Niederländer zu er- ringen, sondern die japanische Regierung mit den in der Welt vor- gehenden Veränderungen vertraut und auf das Gefährliche und Unhaltbare ihrer Stellung aufmerksam zu machen. Es heisst darin unter Anderen: »Wir haben dem Laufe der Zeiten eine ernste Auf- merksamkeit gewidmet: der Verkehr der Völker auf Erden nimmt mit raschen Schritten zu, eine unwiderstehliche Kraft zieht dieselben gegenseitig an. Durch die Erfindung von Dampfschiffen werden die Entfernungen immer geringer; das Volk, das bei dieser allgemeinen Annäherung sich ausschliessen will, wird mit vielen in Feindschaft gerathen. Es ist uns bekannt, dass die Gesetze, welche die durch- lauchtigen Vorfahren Ew. Majestät gegeben, den Verkehr mit fremden Völkern eng beschränken. Doch der Weise sagt: »wenn die Weis- heit auf dem Throne sitzt, dann thut sie sich hervor durch Erhal- tung des Friedens.« Wenn alte Gesetze durch strenge Handhabung Anlass zu Friedensstörung geben, dann gebietet es die Vernunft, dieselben zu mildern. Dies, Grossmächtiger Kaiser, ist denn auch unser freundschaftlicher Rath: mildert die Strenge des Gesetzes gegen den Verkehr mit Fremden, damit das glückliche Japan nicht durch Kriege verwüstet werde. Wir geben Ew. Majestät diesen Rath in der besten Absicht, ganz frei von eigenem Staatsinteresse. Wir hoffen, dass die Weisheit der japanischen Regierung zur Einsicht gelangt, dass der Frieden nur durch freundschaftliche Beziehungen erhalten werden kann, und diese nur allein durch den Handels- verkehr entstehen können.« — Dann folgt eine treffende Schilderung von der Entwickelung des Welthandels und von der Lage der Dinge in China, »dessen mächtiger Kaiser nach langem fruchtlosen Wider- stande endlich der Uebermacht der europäischen Kriegskunst nach- geben und in dem darauf erfolgten Friedensvertrage Bedingungen eingehen musste, durch welche die alte chinesische Politik eine bedeutende Abänderung erlitt, und vermöge deren fünf Seehäfen von China für den Handel der Europäer eröffnet wurden« 175). — Die ernste eindringliche Sprache dieses Schreibens, welches die 175) Mitgetheilt von Siebold: Urkundliche Darstellung u. s. w., wo noch andere Stellen aus dem königlichen Schreiben abgedruckt sind.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/202>, abgerufen am 23.11.2024.