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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Passes in den Hafen von Nangasaki einlaufen. Was die Schiff-
brüchigen betreffe, so möchten die Russen dieselben zurück lassen
oder wieder mitnehmen, wie es ihnen gut dünke, denn den japani-
schen Gesetzen gemäss gehörten sie dem Reiche an, wohin das
Schicksal sie verschlagen habe, und wo ihr Leben vom Untergange
gerettet worden sei. Der in dem russischen Schreiben enthaltenen
Anerbietungen gegenseitigen Freundschafts- und Handelsverkehrs
war in der Antwort gar nicht gedacht. -- Laxmann ging nicht nach
Nangasaki, dagegen sandte Kaiser Alexander I, gestützt auf jenes
japanische Schreiben und den beigefügten Pass, im Jahre 1803 den
mit den Verhältnissen Sibiriens und der Kurilen vertrauten Kammer-
herrn von Resanoff mit ausgedehnten Vollmachten dahin ab. Die
Gesandtschaft war glänzend ausgestattet; Resanoff hatte ein zahl-
reiches Gefolge und überbrachte ein kaiserliches Schreiben nebst
werthvollen Geschenken. Der bekannte Weltumsegeler Capitän
Krusenstern führte ihn nach Nangasaki, wo die Fregatte Nadejda
(Hoffnung) zu Anfang October 1804 vor dem Eingang des Hafens
Anker warf. Das Auftreten des Gesandten war kein glückliches:
seine Weigerung, sich in gewisse unverfängliche Höflichkeitsformen
zu fügen, welche die japanische Sitte forderte, und den bestehenden
Gesetzen gemäss die Waffen des Schiffes auszuliefern, gab den
ersten Anlass zur Verstimmung. Der Statthalter wies sein Ver-
langen, nach Yeddo zu gehen, mit Bestimmtheit zurück, -- Resanoff
musste sich bequemen, das kaiserliche Schreiben den Behörden von
Nangasaki zu überliefern und die Antwort abzuwarten. Man liess
das Schiff in den Hafen bringen, nachdem Pulver und Munition ab-
gegeben waren, stellte es aber unter strenge Bewachung und er-
laubte Niemand an's Land zu kommen. Erst auf die wiederholten
Vorstellungen des Gesandten, dass ein längerer Aufenthalt an Bord
seiner Gesundheit nachtheilig sein würde, liess der Statthalter ein
Desima gegenüber am Meere gelegenes Vorrathshaus für getrock-
nete Fische zu seinem Aufenthalt einrichten, und mit einem starken
Bambuszaun nach allen Seiten absperren. Resanoff wurde in der
Prachtbarke des Fürsten von Fidsen unter russischer Flagge an das
Land gesetzt, und bestand darauf, seine Grenadierwache mitzuneh-
men158). Er brachte mehrere Monate in diesem Gefängnisse zu, und

158) Krusenstern selbst macht auf das Unkluge dieser Maassregel aufmerksam.
Der Gesandte reizte durch sein Benehmen die Japaner auf vielfache Weise, und sie
liessen es ihn entgelten. Auch die Wahl seiner Wohnung am Lande spricht für die

Passes in den Hafen von Naṅgasaki einlaufen. Was die Schiff-
brüchigen betreffe, so möchten die Russen dieselben zurück lassen
oder wieder mitnehmen, wie es ihnen gut dünke, denn den japani-
schen Gesetzen gemäss gehörten sie dem Reiche an, wohin das
Schicksal sie verschlagen habe, und wo ihr Leben vom Untergange
gerettet worden sei. Der in dem russischen Schreiben enthaltenen
Anerbietungen gegenseitigen Freundschafts- und Handelsverkehrs
war in der Antwort gar nicht gedacht. — Laxmann ging nicht nach
Naṅgasaki, dagegen sandte Kaiser Alexander I, gestützt auf jenes
japanische Schreiben und den beigefügten Pass, im Jahre 1803 den
mit den Verhältnissen Sibiriens und der Kurilen vertrauten Kammer-
herrn von Resanoff mit ausgedehnten Vollmachten dahin ab. Die
Gesandtschaft war glänzend ausgestattet; Resanoff hatte ein zahl-
reiches Gefolge und überbrachte ein kaiserliches Schreiben nebst
werthvollen Geschenken. Der bekannte Weltumsegeler Capitän
Krusenstern führte ihn nach Naṅgasaki, wo die Fregatte Nadejda
(Hoffnung) zu Anfang October 1804 vor dem Eingang des Hafens
Anker warf. Das Auftreten des Gesandten war kein glückliches:
seine Weigerung, sich in gewisse unverfängliche Höflichkeitsformen
zu fügen, welche die japanische Sitte forderte, und den bestehenden
Gesetzen gemäss die Waffen des Schiffes auszuliefern, gab den
ersten Anlass zur Verstimmung. Der Statthalter wies sein Ver-
langen, nach Yeddo zu gehen, mit Bestimmtheit zurück, — Resanoff
musste sich bequemen, das kaiserliche Schreiben den Behörden von
Naṅgasaki zu überliefern und die Antwort abzuwarten. Man liess
das Schiff in den Hafen bringen, nachdem Pulver und Munition ab-
gegeben waren, stellte es aber unter strenge Bewachung und er-
laubte Niemand an’s Land zu kommen. Erst auf die wiederholten
Vorstellungen des Gesandten, dass ein längerer Aufenthalt an Bord
seiner Gesundheit nachtheilig sein würde, liess der Statthalter ein
Desima gegenüber am Meere gelegenes Vorrathshaus für getrock-
nete Fische zu seinem Aufenthalt einrichten, und mit einem starken
Bambuszaun nach allen Seiten absperren. Resanoff wurde in der
Prachtbarke des Fürsten von Fidsen unter russischer Flagge an das
Land gesetzt, und bestand darauf, seine Grenadierwache mitzuneh-
men158). Er brachte mehrere Monate in diesem Gefängnisse zu, und

158) Krusenstern selbst macht auf das Unkluge dieser Maassregel aufmerksam.
Der Gesandte reizte durch sein Benehmen die Japaner auf vielfache Weise, und sie
liessen es ihn entgelten. Auch die Wahl seiner Wohnung am Lande spricht für die
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[157/0187] Laxmann. Resanoff. Passes in den Hafen von Naṅgasaki einlaufen. Was die Schiff- brüchigen betreffe, so möchten die Russen dieselben zurück lassen oder wieder mitnehmen, wie es ihnen gut dünke, denn den japani- schen Gesetzen gemäss gehörten sie dem Reiche an, wohin das Schicksal sie verschlagen habe, und wo ihr Leben vom Untergange gerettet worden sei. Der in dem russischen Schreiben enthaltenen Anerbietungen gegenseitigen Freundschafts- und Handelsverkehrs war in der Antwort gar nicht gedacht. — Laxmann ging nicht nach Naṅgasaki, dagegen sandte Kaiser Alexander I, gestützt auf jenes japanische Schreiben und den beigefügten Pass, im Jahre 1803 den mit den Verhältnissen Sibiriens und der Kurilen vertrauten Kammer- herrn von Resanoff mit ausgedehnten Vollmachten dahin ab. Die Gesandtschaft war glänzend ausgestattet; Resanoff hatte ein zahl- reiches Gefolge und überbrachte ein kaiserliches Schreiben nebst werthvollen Geschenken. Der bekannte Weltumsegeler Capitän Krusenstern führte ihn nach Naṅgasaki, wo die Fregatte Nadejda (Hoffnung) zu Anfang October 1804 vor dem Eingang des Hafens Anker warf. Das Auftreten des Gesandten war kein glückliches: seine Weigerung, sich in gewisse unverfängliche Höflichkeitsformen zu fügen, welche die japanische Sitte forderte, und den bestehenden Gesetzen gemäss die Waffen des Schiffes auszuliefern, gab den ersten Anlass zur Verstimmung. Der Statthalter wies sein Ver- langen, nach Yeddo zu gehen, mit Bestimmtheit zurück, — Resanoff musste sich bequemen, das kaiserliche Schreiben den Behörden von Naṅgasaki zu überliefern und die Antwort abzuwarten. Man liess das Schiff in den Hafen bringen, nachdem Pulver und Munition ab- gegeben waren, stellte es aber unter strenge Bewachung und er- laubte Niemand an’s Land zu kommen. Erst auf die wiederholten Vorstellungen des Gesandten, dass ein längerer Aufenthalt an Bord seiner Gesundheit nachtheilig sein würde, liess der Statthalter ein Desima gegenüber am Meere gelegenes Vorrathshaus für getrock- nete Fische zu seinem Aufenthalt einrichten, und mit einem starken Bambuszaun nach allen Seiten absperren. Resanoff wurde in der Prachtbarke des Fürsten von Fidsen unter russischer Flagge an das Land gesetzt, und bestand darauf, seine Grenadierwache mitzuneh- men 158). Er brachte mehrere Monate in diesem Gefängnisse zu, und 158) Krusenstern selbst macht auf das Unkluge dieser Maassregel aufmerksam. Der Gesandte reizte durch sein Benehmen die Japaner auf vielfache Weise, und sie liessen es ihn entgelten. Auch die Wahl seiner Wohnung am Lande spricht für die

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/187>, abgerufen am 23.11.2024.