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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Einrichtung des Handels.
einem Arzt, vier Assistenzbeamten, und zwei Matrosen oder Hand-
langern. Das japanisch-holländische Dolmetscher-Collegium zählte
noch in den letzten Jahren funfzig Personen, von denen nur die
höheren Beamten der Classe der Zweischwertigen angehörten. Die
niederen Dolmetscher waren zugleich Makler, Kaufleute, Sprach-
lehrer; die Holländer schildern sie als eine gewinnsüchtige charakter-
lose Rotte. Sie wurden von der japanischen Regierung streng
bewacht, und durften einzeln -- ohne Aufpasser -- bei schwerer
Strafe keinen Holländer besuchen. Das Amt der Dolmetscher war
in bestimmten Familien erblich; sie lernten die Sprache von Jugend
auf und wurden als Knaben vielfach den Holländern zur Bedienung
in ihre Häuser gegeben. Mit Ausnahme der obersten scheinen
die Dolmetscher unter der Controlle der Geldkammer gestanden
und zugleich vielfach als Rechnungs- und Steuerbeamte fungirt
zu haben.

Die Geldkammer verkaufte die von den Holländern erstan-
denen Waaren mit grossem Vortheil an eine Handelsgesellschaft aus
den fünf Reichsstädten, deren Agenten jährlich nach Nangasaki
kamen, und fertigte unter Aufsicht der sogenannten Bürgermeister
die Erlaubnisscheine und Pässe aus, ohne welche die Importartikel
weder aus Desima ausgeführt noch irgendwo im Reiche verkauft
werden durften. Die Statthalter, unter deren Aufsicht der fremde
Handel stand, ferner die Bürgermeister und alle Beamten der Geld-
kammer hatten das Recht, sich nach dem Maasse ihrer Stellung eine
bestimmte Quantität Waaren zu den niedrigsten Preisen auszusuchen.
Die Einfuhr des Gouvernements-Handels bestand in europäischen und
indischen Manufacturen und in Colonialproducten, die des Kambang-
Handels in Gegenständen der Wissenschaft, Kunst und des Luxus,
in Arzneien, Quincaillerien u. s. w. Die Ausfuhr der Regierung
beschränkte sich auf Stabkupfer und Kampher, der Kambang-Handel
umfasste alle übrigen erlaubten Artikel. Die Ein- und Ausfuhr der
Regierung war in den späteren Zeiten frei von allen Steuern; von
den durch den Kambang-Handel eingeführten Waaren, welche
öffentlich verkauft wurden, erhob die Geldkammer eine Steuer von
35 Procent des Ertrages. Trotzdem sollen die holländischen Beamten
durchschnittlich 100 Procent daran gewonnen haben, und als der
Handel verpachtet wurde, stellte sich der Vortheil noch höher. --
Die Geldkammer zahlte der Regierung eine jährliche Pacht im
Werthe von 180,000 Gulden für den ausländischen Handel (den

Einrichtung des Handels.
einem Arzt, vier Assistenzbeamten, und zwei Matrosen oder Hand-
langern. Das japanisch-holländische Dolmetscher-Collegium zählte
noch in den letzten Jahren funfzig Personen, von denen nur die
höheren Beamten der Classe der Zweischwertigen angehörten. Die
niederen Dolmetscher waren zugleich Makler, Kaufleute, Sprach-
lehrer; die Holländer schildern sie als eine gewinnsüchtige charakter-
lose Rotte. Sie wurden von der japanischen Regierung streng
bewacht, und durften einzeln — ohne Aufpasser — bei schwerer
Strafe keinen Holländer besuchen. Das Amt der Dolmetscher war
in bestimmten Familien erblich; sie lernten die Sprache von Jugend
auf und wurden als Knaben vielfach den Holländern zur Bedienung
in ihre Häuser gegeben. Mit Ausnahme der obersten scheinen
die Dolmetscher unter der Controlle der Geldkammer gestanden
und zugleich vielfach als Rechnungs- und Steuerbeamte fungirt
zu haben.

Die Geldkammer verkaufte die von den Holländern erstan-
denen Waaren mit grossem Vortheil an eine Handelsgesellschaft aus
den fünf Reichsstädten, deren Agenten jährlich nach Naṅgasaki
kamen, und fertigte unter Aufsicht der sogenannten Bürgermeister
die Erlaubnisscheine und Pässe aus, ohne welche die Importartikel
weder aus Desima ausgeführt noch irgendwo im Reiche verkauft
werden durften. Die Statthalter, unter deren Aufsicht der fremde
Handel stand, ferner die Bürgermeister und alle Beamten der Geld-
kammer hatten das Recht, sich nach dem Maasse ihrer Stellung eine
bestimmte Quantität Waaren zu den niedrigsten Preisen auszusuchen.
Die Einfuhr des Gouvernements-Handels bestand in europäischen und
indischen Manufacturen und in Colonialproducten, die des Kambang-
Handels in Gegenständen der Wissenschaft, Kunst und des Luxus,
in Arzneien, Quincaillerien u. s. w. Die Ausfuhr der Regierung
beschränkte sich auf Stabkupfer und Kampher, der Kambang-Handel
umfasste alle übrigen erlaubten Artikel. Die Ein- und Ausfuhr der
Regierung war in den späteren Zeiten frei von allen Steuern; von
den durch den Kambang-Handel eingeführten Waaren, welche
öffentlich verkauft wurden, erhob die Geldkammer eine Steuer von
35 Procent des Ertrages. Trotzdem sollen die holländischen Beamten
durchschnittlich 100 Procent daran gewonnen haben, und als der
Handel verpachtet wurde, stellte sich der Vortheil noch höher. —
Die Geldkammer zahlte der Regierung eine jährliche Pacht im
Werthe von 180,000 Gulden für den ausländischen Handel (den

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[154/0184] Einrichtung des Handels. einem Arzt, vier Assistenzbeamten, und zwei Matrosen oder Hand- langern. Das japanisch-holländische Dolmetscher-Collegium zählte noch in den letzten Jahren funfzig Personen, von denen nur die höheren Beamten der Classe der Zweischwertigen angehörten. Die niederen Dolmetscher waren zugleich Makler, Kaufleute, Sprach- lehrer; die Holländer schildern sie als eine gewinnsüchtige charakter- lose Rotte. Sie wurden von der japanischen Regierung streng bewacht, und durften einzeln — ohne Aufpasser — bei schwerer Strafe keinen Holländer besuchen. Das Amt der Dolmetscher war in bestimmten Familien erblich; sie lernten die Sprache von Jugend auf und wurden als Knaben vielfach den Holländern zur Bedienung in ihre Häuser gegeben. Mit Ausnahme der obersten scheinen die Dolmetscher unter der Controlle der Geldkammer gestanden und zugleich vielfach als Rechnungs- und Steuerbeamte fungirt zu haben. Die Geldkammer verkaufte die von den Holländern erstan- denen Waaren mit grossem Vortheil an eine Handelsgesellschaft aus den fünf Reichsstädten, deren Agenten jährlich nach Naṅgasaki kamen, und fertigte unter Aufsicht der sogenannten Bürgermeister die Erlaubnisscheine und Pässe aus, ohne welche die Importartikel weder aus Desima ausgeführt noch irgendwo im Reiche verkauft werden durften. Die Statthalter, unter deren Aufsicht der fremde Handel stand, ferner die Bürgermeister und alle Beamten der Geld- kammer hatten das Recht, sich nach dem Maasse ihrer Stellung eine bestimmte Quantität Waaren zu den niedrigsten Preisen auszusuchen. Die Einfuhr des Gouvernements-Handels bestand in europäischen und indischen Manufacturen und in Colonialproducten, die des Kambang- Handels in Gegenständen der Wissenschaft, Kunst und des Luxus, in Arzneien, Quincaillerien u. s. w. Die Ausfuhr der Regierung beschränkte sich auf Stabkupfer und Kampher, der Kambang-Handel umfasste alle übrigen erlaubten Artikel. Die Ein- und Ausfuhr der Regierung war in den späteren Zeiten frei von allen Steuern; von den durch den Kambang-Handel eingeführten Waaren, welche öffentlich verkauft wurden, erhob die Geldkammer eine Steuer von 35 Procent des Ertrages. Trotzdem sollen die holländischen Beamten durchschnittlich 100 Procent daran gewonnen haben, und als der Handel verpachtet wurde, stellte sich der Vortheil noch höher. — Die Geldkammer zahlte der Regierung eine jährliche Pacht im Werthe von 180,000 Gulden für den ausländischen Handel (den

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/184>, abgerufen am 23.11.2024.