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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Verbannung. Hausgefängniss.

Die zur Verbannung verurtheilten schickt man entweder auf
entlegene Bergfesten, in die Kupferbergwerke oder nach einsamen
Felseninseln 129). Diese Strafe scheint nicht entehrend zu sein,
ebensowenig die des Hausgefängnisses, welche auch gegen Leute
der höchsten Stände und gewöhnlich auf 50 bis 100 Tage verhängt
wird. Das Haus des Inculpaten wird, nachdem er sich und die
Seinen hinreichend mit Lebensmitteln versehen hat, auf allen Seiten
mit Brettern vernagelt; der Schuldige darf sich während der Straf-
zeit weder Bart noch Haare scheeren und tritt in den von den
Japanern so verabscheuten Zustand der Unreinheit. -- Die öffent-
lichen Gefängnisse sollen meist reinlich und luftig sein; es giebt
aber eine Art unterirdischer Kerker für gemeine Verbrecher, welche
Höllen genannt werden und ein wahrer Aufenthalt des Grauens
sein müssen. Dort werden die Missethäter bei vollständiger Aus-
schliessung von Licht und frischer Luft in grosser Anzahl zusammen
in ein enges Behältniss gesperrt, in das man nur einmal täglich
die schlechte Nahrung durch eine kleine Oeffnung hineinreicht.
Es ist den Verwandten des Verbrechers erlaubt, ihm bessere Lebens-
mittel zu bringen, aber nur unter der Bedingung, dass alle seine
Mitgefangenen daran Theil nehmen.

In allen diesen Strafen giebt es vielfache Modificationen und
Abstufungen, -- namentlich in Bezug auf die Mitleidenschaft der Ver-
wandten, -- und eine ganz bestimmte Gradation. Das Strafmaass
wird um eine Stufe gemildert, wenn Jemand sich freiwillig angiebt.
Leichtere Vergehungen der Beamten ahndet die Regierung mit Ver-
setzung, Degradirung, mit ganzem oder theilweisem Vermögens-
verlust 130). Im Uebrigen halten die Japaner Geldstrafen für ungerecht
und unzulässig, weil sie auf dem Armen so ungleich schwerer lasten
als auf dem Reichen.

Ueber die Organisation des Priesterthumes, seine Rechte
und seine Stellung weiss man wenig Genaues. Nominell stehen die

129) Caron, Kämpfer und Andere berichten, dass höhere Staatsverbrecher nach
der südlich von Nippon im Stillen Ocean gelegenen Insel Fatsisio verbannt werden,
wo sie sich mit dem Weben ausnehmend kunstreicher und kostbarer Seidenstoffe
beschäftigen. Die Küsten dieser Insel sollen ganz hafenlos und so unzugänglich
sein, dass die dort ankommenden Dschunken vermittelst starker Taue auf das hohe
Felsenufer gewunden werden müssen, da man auf andere Weise nicht landen kann.
130) Vormals wurde das Vermögen aller Verbrecher eingezogen, und floss in
eine Kasse, die zum Tempel-, Brücken- und Strassenbau diente. S. Caron.
Verbannung. Hausgefängniss.

Die zur Verbannung verurtheilten schickt man entweder auf
entlegene Bergfesten, in die Kupferbergwerke oder nach einsamen
Felseninseln 129). Diese Strafe scheint nicht entehrend zu sein,
ebensowenig die des Hausgefängnisses, welche auch gegen Leute
der höchsten Stände und gewöhnlich auf 50 bis 100 Tage verhängt
wird. Das Haus des Inculpaten wird, nachdem er sich und die
Seinen hinreichend mit Lebensmitteln versehen hat, auf allen Seiten
mit Brettern vernagelt; der Schuldige darf sich während der Straf-
zeit weder Bart noch Haare scheeren und tritt in den von den
Japanern so verabscheuten Zustand der Unreinheit. — Die öffent-
lichen Gefängnisse sollen meist reinlich und luftig sein; es giebt
aber eine Art unterirdischer Kerker für gemeine Verbrecher, welche
Höllen genannt werden und ein wahrer Aufenthalt des Grauens
sein müssen. Dort werden die Missethäter bei vollständiger Aus-
schliessung von Licht und frischer Luft in grosser Anzahl zusammen
in ein enges Behältniss gesperrt, in das man nur einmal täglich
die schlechte Nahrung durch eine kleine Oeffnung hineinreicht.
Es ist den Verwandten des Verbrechers erlaubt, ihm bessere Lebens-
mittel zu bringen, aber nur unter der Bedingung, dass alle seine
Mitgefangenen daran Theil nehmen.

In allen diesen Strafen giebt es vielfache Modificationen und
Abstufungen, — namentlich in Bezug auf die Mitleidenschaft der Ver-
wandten, — und eine ganz bestimmte Gradation. Das Strafmaass
wird um eine Stufe gemildert, wenn Jemand sich freiwillig angiebt.
Leichtere Vergehungen der Beamten ahndet die Regierung mit Ver-
setzung, Degradirung, mit ganzem oder theilweisem Vermögens-
verlust 130). Im Uebrigen halten die Japaner Geldstrafen für ungerecht
und unzulässig, weil sie auf dem Armen so ungleich schwerer lasten
als auf dem Reichen.

Ueber die Organisation des Priesterthumes, seine Rechte
und seine Stellung weiss man wenig Genaues. Nominell stehen die

129) Caron, Kämpfer und Andere berichten, dass höhere Staatsverbrecher nach
der südlich von Nippon im Stillen Ocean gelegenen Insel Fatsisio verbannt werden,
wo sie sich mit dem Weben ausnehmend kunstreicher und kostbarer Seidenstoffe
beschäftigen. Die Küsten dieser Insel sollen ganz hafenlos und so unzugänglich
sein, dass die dort ankommenden Dschunken vermittelst starker Taue auf das hohe
Felsenufer gewunden werden müssen, da man auf andere Weise nicht landen kann.
130) Vormals wurde das Vermögen aller Verbrecher eingezogen, und floss in
eine Kasse, die zum Tempel-, Brücken- und Strassenbau diente. S. Caron.
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[127/0157] Verbannung. Hausgefängniss. Die zur Verbannung verurtheilten schickt man entweder auf entlegene Bergfesten, in die Kupferbergwerke oder nach einsamen Felseninseln 129). Diese Strafe scheint nicht entehrend zu sein, ebensowenig die des Hausgefängnisses, welche auch gegen Leute der höchsten Stände und gewöhnlich auf 50 bis 100 Tage verhängt wird. Das Haus des Inculpaten wird, nachdem er sich und die Seinen hinreichend mit Lebensmitteln versehen hat, auf allen Seiten mit Brettern vernagelt; der Schuldige darf sich während der Straf- zeit weder Bart noch Haare scheeren und tritt in den von den Japanern so verabscheuten Zustand der Unreinheit. — Die öffent- lichen Gefängnisse sollen meist reinlich und luftig sein; es giebt aber eine Art unterirdischer Kerker für gemeine Verbrecher, welche Höllen genannt werden und ein wahrer Aufenthalt des Grauens sein müssen. Dort werden die Missethäter bei vollständiger Aus- schliessung von Licht und frischer Luft in grosser Anzahl zusammen in ein enges Behältniss gesperrt, in das man nur einmal täglich die schlechte Nahrung durch eine kleine Oeffnung hineinreicht. Es ist den Verwandten des Verbrechers erlaubt, ihm bessere Lebens- mittel zu bringen, aber nur unter der Bedingung, dass alle seine Mitgefangenen daran Theil nehmen. In allen diesen Strafen giebt es vielfache Modificationen und Abstufungen, — namentlich in Bezug auf die Mitleidenschaft der Ver- wandten, — und eine ganz bestimmte Gradation. Das Strafmaass wird um eine Stufe gemildert, wenn Jemand sich freiwillig angiebt. Leichtere Vergehungen der Beamten ahndet die Regierung mit Ver- setzung, Degradirung, mit ganzem oder theilweisem Vermögens- verlust 130). Im Uebrigen halten die Japaner Geldstrafen für ungerecht und unzulässig, weil sie auf dem Armen so ungleich schwerer lasten als auf dem Reichen. Ueber die Organisation des Priesterthumes, seine Rechte und seine Stellung weiss man wenig Genaues. Nominell stehen die 129) Caron, Kämpfer und Andere berichten, dass höhere Staatsverbrecher nach der südlich von Nippon im Stillen Ocean gelegenen Insel Fatsisio verbannt werden, wo sie sich mit dem Weben ausnehmend kunstreicher und kostbarer Seidenstoffe beschäftigen. Die Küsten dieser Insel sollen ganz hafenlos und so unzugänglich sein, dass die dort ankommenden Dschunken vermittelst starker Taue auf das hohe Felsenufer gewunden werden müssen, da man auf andere Weise nicht landen kann. 130) Vormals wurde das Vermögen aller Verbrecher eingezogen, und floss in eine Kasse, die zum Tempel-, Brücken- und Strassenbau diente. S. Caron.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/157>, abgerufen am 23.11.2024.