Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Benner, Johann Hermann: Die gegenwärtige Gestalt der Herrnhuterey in ihrer Schalckheit. Bd. 1. Gießen, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite


chender Glaube ohne die Würkung GOt-
tes durchs Gesetz, nicht entstehen kan.
5) Durch die Marter GOttes, ohne Zu-
thun des Gesetzes, den Sünder zu schre-
ken, ist auch deswegen von GOtt nicht ver-
ordnet, weil ein Sünder sich ehe vor einen
losgezehlten von aller Sünde, als vor ei-
nen würklichen Sünder halten würde.
Dann wann ich ihm sage: GOttes Sohn
hat die Strafen aller deiner Sünden, an
deiner stat erduldet; und der Sünder weiß
nichts vom Gesetz, so machte er, wofern
ihm dieser Satz einleuchten könte, hurtig
den Schlus: ich sehe wohl, daß an mir et-
was höchstabscheuliches muß gewesen seyn,
aber der Sohn GOttes hat es auf sich ge-
nommen, und dafür gelitten, mithin mich
würklich davon los gemacht. Solcher Ge-
stalt wird ihm die Marter GOttes zwar
ein bejammernswürdiger Anblik: aber nicht
weiter, als wie man etwa gerühret wird
über ein trauriges Spectakel der Grausam-
keit an einen liebenswürdigen Menschen, der
um Wolthat willen leidet. Die Vorstel-
lung aber, daß der Sohn GOttes alles
herrlich überwunden, und sich zur Rechten
des Vaters, als ein preiswürdigster Kö-
nig gesetzet habe, läst jenen Affect nicht lan-
ge herrschen: wo nicht ein inniges Gefühl
der eigenen Sünden durch das Gesetz erre-
get worden, deme dann freilich, das er-
stau-


chender Glaube ohne die Wuͤrkung GOt-
tes durchs Geſetz, nicht entſtehen kan.
5) Durch die Marter GOttes, ohne Zu-
thun des Geſetzes, den Suͤnder zu ſchre-
ken, iſt auch deswegen von GOtt nicht ver-
ordnet, weil ein Suͤnder ſich ehe vor einen
losgezehlten von aller Suͤnde, als vor ei-
nen wuͤrklichen Suͤnder halten wuͤrde.
Dann wann ich ihm ſage: GOttes Sohn
hat die Strafen aller deiner Suͤnden, an
deiner ſtat erduldet; und der Suͤnder weiß
nichts vom Geſetz, ſo machte er, wofern
ihm dieſer Satz einleuchten koͤnte, hurtig
den Schlus: ich ſehe wohl, daß an mir et-
was hoͤchſtabſcheuliches muß geweſen ſeyn,
aber der Sohn GOttes hat es auf ſich ge-
nommen, und dafuͤr gelitten, mithin mich
wuͤrklich davon los gemacht. Solcher Ge-
ſtalt wird ihm die Marter GOttes zwar
ein bejammernswuͤrdiger Anblik: aber nicht
weiter, als wie man etwa geruͤhret wird
uͤber ein trauriges Spectakel der Grauſam-
keit an einen liebenswuͤrdigen Menſchen, der
um Wolthat willen leidet. Die Vorſtel-
lung aber, daß der Sohn GOttes alles
herrlich uͤberwunden, und ſich zur Rechten
des Vaters, als ein preiswuͤrdigſter Koͤ-
nig geſetzet habe, laͤſt jenen Affect nicht lan-
ge herrſchen: wo nicht ein inniges Gefuͤhl
der eigenen Suͤnden durch das Geſetz erre-
get worden, deme dann freilich, das er-
ſtau-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p>
              <note next="#seg2pn_17_3" xml:id="seg2pn_17_2" prev="#seg2pn_17_1" place="foot" n="(*)"><pb facs="#f0086" n="86"/>
chender Glaube ohne die Wu&#x0364;rkung GOt-<lb/>
tes durchs Ge&#x017F;etz, nicht ent&#x017F;tehen kan.<lb/>
5) Durch die Marter GOttes, ohne Zu-<lb/>
thun des Ge&#x017F;etzes, den Su&#x0364;nder zu &#x017F;chre-<lb/>
ken, i&#x017F;t auch deswegen von GOtt nicht ver-<lb/>
ordnet, weil ein Su&#x0364;nder &#x017F;ich ehe vor einen<lb/>
losgezehlten von aller Su&#x0364;nde, als vor ei-<lb/>
nen wu&#x0364;rklichen Su&#x0364;nder halten wu&#x0364;rde.<lb/>
Dann wann ich ihm &#x017F;age: GOttes Sohn<lb/>
hat die Strafen aller deiner Su&#x0364;nden, an<lb/>
deiner &#x017F;tat erduldet; und der Su&#x0364;nder weiß<lb/>
nichts vom Ge&#x017F;etz, &#x017F;o machte er, wofern<lb/>
ihm die&#x017F;er Satz einleuchten ko&#x0364;nte, hurtig<lb/>
den Schlus: ich &#x017F;ehe wohl, daß an mir et-<lb/>
was ho&#x0364;ch&#x017F;tab&#x017F;cheuliches muß gewe&#x017F;en &#x017F;eyn,<lb/>
aber der Sohn GOttes hat es auf &#x017F;ich ge-<lb/>
nommen, und dafu&#x0364;r gelitten, mithin mich<lb/>
wu&#x0364;rklich davon los gemacht. Solcher Ge-<lb/>
&#x017F;talt wird ihm die Marter GOttes zwar<lb/>
ein bejammernswu&#x0364;rdiger Anblik: aber nicht<lb/>
weiter, als wie man etwa geru&#x0364;hret wird<lb/>
u&#x0364;ber ein trauriges Spectakel der Grau&#x017F;am-<lb/>
keit an einen liebenswu&#x0364;rdigen Men&#x017F;chen, der<lb/>
um Wolthat willen leidet. Die Vor&#x017F;tel-<lb/>
lung aber, daß der Sohn GOttes alles<lb/>
herrlich u&#x0364;berwunden, und &#x017F;ich zur Rechten<lb/>
des Vaters, als ein preiswu&#x0364;rdig&#x017F;ter Ko&#x0364;-<lb/>
nig ge&#x017F;etzet habe, la&#x0364;&#x017F;t jenen Affect nicht lan-<lb/>
ge herr&#x017F;chen: wo nicht ein inniges Gefu&#x0364;hl<lb/>
der eigenen Su&#x0364;nden durch das Ge&#x017F;etz erre-<lb/>
get worden, deme dann freilich, das er-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;tau-</fw></note><lb/>
            </p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0086] (*) (*) chender Glaube ohne die Wuͤrkung GOt- tes durchs Geſetz, nicht entſtehen kan. 5) Durch die Marter GOttes, ohne Zu- thun des Geſetzes, den Suͤnder zu ſchre- ken, iſt auch deswegen von GOtt nicht ver- ordnet, weil ein Suͤnder ſich ehe vor einen losgezehlten von aller Suͤnde, als vor ei- nen wuͤrklichen Suͤnder halten wuͤrde. Dann wann ich ihm ſage: GOttes Sohn hat die Strafen aller deiner Suͤnden, an deiner ſtat erduldet; und der Suͤnder weiß nichts vom Geſetz, ſo machte er, wofern ihm dieſer Satz einleuchten koͤnte, hurtig den Schlus: ich ſehe wohl, daß an mir et- was hoͤchſtabſcheuliches muß geweſen ſeyn, aber der Sohn GOttes hat es auf ſich ge- nommen, und dafuͤr gelitten, mithin mich wuͤrklich davon los gemacht. Solcher Ge- ſtalt wird ihm die Marter GOttes zwar ein bejammernswuͤrdiger Anblik: aber nicht weiter, als wie man etwa geruͤhret wird uͤber ein trauriges Spectakel der Grauſam- keit an einen liebenswuͤrdigen Menſchen, der um Wolthat willen leidet. Die Vorſtel- lung aber, daß der Sohn GOttes alles herrlich uͤberwunden, und ſich zur Rechten des Vaters, als ein preiswuͤrdigſter Koͤ- nig geſetzet habe, laͤſt jenen Affect nicht lan- ge herrſchen: wo nicht ein inniges Gefuͤhl der eigenen Suͤnden durch das Geſetz erre- get worden, deme dann freilich, das er- ſtau-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/benner_herrnhuterey01_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/benner_herrnhuterey01_1746/86
Zitationshilfe: Benner, Johann Hermann: Die gegenwärtige Gestalt der Herrnhuterey in ihrer Schalckheit. Bd. 1. Gießen, 1746, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/benner_herrnhuterey01_1746/86>, abgerufen am 22.11.2024.