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Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751.

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Mar. Predig.
ein besonderer character, ein departement, das ist "
weder der Kinder GOttes noch der Jünger affaire
zu suchen, und das theilt der Geist aus, wem er will,
und grade an die, denen am wenigsten daran gele-
gen; gewiß an niemand, ders begehrt, sondern alle-
mal an Leute, die da sagen: HErr, verschone
mich doch, und sage es, wem du willst.
Denn
zu den andern heissts: Du begehrest dir grosse
Dinge, begehrs nicht, etc.
Jerem. 45, 5.

Wenn wir das so vest setzen, und darum von Her-
zen bezeugen gegen jedermann, daß die Gemeine
JEsu Christi damit nichts zu thun hat; daß sie vors
erste und überhaupt die Lehre gar nicht gläubt, die in
der Augspurgischen Confession zum Irrthum gemachet
worden, daß einmal die Kinder GOttes in der Welt
regieren, und die Gottlosen vertilgen sollen: sondern
daß sie das würklich für eine falsche Lehre hält, für
eine falsche, ungegründete idee, weil sie der Creuz-
Reichs-Sache nicht convenient ist. Denn ich weiß in
aller Welt nicht, liebes Geschwister! was wir solten
mit einem solchen Regiment machen, wenn der Hei-
land uns nun heute, so wie wir da wären, den einen
zum Regenten in dem Lande, den andern zum Regen-
ten in einem andern Lande, den dritten zum Fürsten
da oder dort machte: es würde uns ja nicht anders
seyn, als wenn wir zum Besten gehabt wären, was
solte uns das helfen? was solte da heraus kommen?
Es ist ja nicht unsre Sache. Man dankt ja dem Hei-
land auf den Knien, wenn man nichts ist, wenn man
nichts seyn darf, daß man von dieser grossen Zeit-
Versäumniß privilegirt ist. Es wäre eine schlechte
Erhöhung, wenn uns der Heiland zum recompense
und Belohnung, daß wir an seinen Wunden und an
seinem Creuze mit Leib und Seele gehangen, auf die
Thronen der Erden setzte, daß wir uns den Kopf zer-
brechen müssten, wie wir mit dem und jenem bedenk-
lichen Nachbar, wie wir mit dem und jenem aufsäz-
zigen Vasallen zurechte kämen, und liesse uns keinen
frölichen und keinen ruhigen Tag mehr in der Welt
haben. Das sind gar nicht unsere Sachen: dazu hat
der HErr seine eigene Knechte, die respectire ich alle- "

" mal;

Mar. Predig.
ein beſonderer character, ein departement, das iſt ”
weder der Kinder GOttes noch der Juͤnger affaire
zu ſuchen, und das theilt der Geiſt aus, wem er will,
und grade an die, denen am wenigſten daran gele-
gen; gewiß an niemand, ders begehrt, ſondern alle-
mal an Leute, die da ſagen: HErr, verſchone
mich doch, und ſage es, wem du willſt.
Denn
zu den andern heiſſts: Du begehreſt dir groſſe
Dinge, begehrs nicht, ꝛc.
Jerem. 45, 5.

Wenn wir das ſo veſt ſetzen, und darum von Her-
zen bezeugen gegen jedermann, daß die Gemeine
JEſu Chriſti damit nichts zu thun hat; daß ſie vors
erſte und uͤberhaupt die Lehre gar nicht glaͤubt, die in
der Augſpurgiſchen Confeſſion zum Irrthum gemachet
worden, daß einmal die Kinder GOttes in der Welt
regieren, und die Gottloſen vertilgen ſollen: ſondern
daß ſie das wuͤrklich fuͤr eine falſche Lehre haͤlt, fuͤr
eine falſche, ungegruͤndete idée, weil ſie der Creuz-
Reichs-Sache nicht convenient iſt. Denn ich weiß in
aller Welt nicht, liebes Geſchwiſter! was wir ſolten
mit einem ſolchen Regiment machen, wenn der Hei-
land uns nun heute, ſo wie wir da waͤren, den einen
zum Regenten in dem Lande, den andern zum Regen-
ten in einem andern Lande, den dritten zum Fuͤrſten
da oder dort machte: es wuͤrde uns ja nicht anders
ſeyn, als wenn wir zum Beſten gehabt waͤren, was
ſolte uns das helfen? was ſolte da heraus kommen?
Es iſt ja nicht unſre Sache. Man dankt ja dem Hei-
land auf den Knien, wenn man nichts iſt, wenn man
nichts ſeyn darf, daß man von dieſer groſſen Zeit-
Verſaͤumniß privilegirt iſt. Es waͤre eine ſchlechte
Erhoͤhung, wenn uns der Heiland zum recompenſe
und Belohnung, daß wir an ſeinen Wunden und an
ſeinem Creuze mit Leib und Seele gehangen, auf die
Thronen der Erden ſetzte, daß wir uns den Kopf zer-
brechen muͤſſten, wie wir mit dem und jenem bedenk-
lichen Nachbar, wie wir mit dem und jenem aufſaͤz-
zigen Vaſallen zurechte kaͤmen, und lieſſe uns keinen
froͤlichen und keinen ruhigen Tag mehr in der Welt
haben. Das ſind gar nicht unſere Sachen: dazu hat
der HErr ſeine eigene Knechte, die reſpectire ich alle- ”

” mal;
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[251/0271] Mar. Predig. ein beſonderer character, ein departement, das iſt ” weder der Kinder GOttes noch der Juͤnger affaire zu ſuchen, und das theilt der Geiſt aus, wem er will, und grade an die, denen am wenigſten daran gele- gen; gewiß an niemand, ders begehrt, ſondern alle- mal an Leute, die da ſagen: HErr, verſchone mich doch, und ſage es, wem du willſt. Denn zu den andern heiſſts: Du begehreſt dir groſſe Dinge, begehrs nicht, ꝛc. Jerem. 45, 5. Wenn wir das ſo veſt ſetzen, und darum von Her- zen bezeugen gegen jedermann, daß die Gemeine JEſu Chriſti damit nichts zu thun hat; daß ſie vors erſte und uͤberhaupt die Lehre gar nicht glaͤubt, die in der Augſpurgiſchen Confeſſion zum Irrthum gemachet worden, daß einmal die Kinder GOttes in der Welt regieren, und die Gottloſen vertilgen ſollen: ſondern daß ſie das wuͤrklich fuͤr eine falſche Lehre haͤlt, fuͤr eine falſche, ungegruͤndete idée, weil ſie der Creuz- Reichs-Sache nicht convenient iſt. Denn ich weiß in aller Welt nicht, liebes Geſchwiſter! was wir ſolten mit einem ſolchen Regiment machen, wenn der Hei- land uns nun heute, ſo wie wir da waͤren, den einen zum Regenten in dem Lande, den andern zum Regen- ten in einem andern Lande, den dritten zum Fuͤrſten da oder dort machte: es wuͤrde uns ja nicht anders ſeyn, als wenn wir zum Beſten gehabt waͤren, was ſolte uns das helfen? was ſolte da heraus kommen? Es iſt ja nicht unſre Sache. Man dankt ja dem Hei- land auf den Knien, wenn man nichts iſt, wenn man nichts ſeyn darf, daß man von dieſer groſſen Zeit- Verſaͤumniß privilegirt iſt. Es waͤre eine ſchlechte Erhoͤhung, wenn uns der Heiland zum recompenſe und Belohnung, daß wir an ſeinen Wunden und an ſeinem Creuze mit Leib und Seele gehangen, auf die Thronen der Erden ſetzte, daß wir uns den Kopf zer- brechen muͤſſten, wie wir mit dem und jenem bedenk- lichen Nachbar, wie wir mit dem und jenem aufſaͤz- zigen Vaſallen zurechte kaͤmen, und lieſſe uns keinen froͤlichen und keinen ruhigen Tag mehr in der Welt haben. Das ſind gar nicht unſere Sachen: dazu hat der HErr ſeine eigene Knechte, die reſpectire ich alle- ” ” mal;

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Zitationshilfe: Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bengel_abriss01_1751/271>, abgerufen am 24.11.2024.