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Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751.

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Theil I. Cap. III. Satz 33.
" viele Verkündigen, Bücher-schreiben, Weissagen
und Prophezeyen, und sagen: Wir sind itzt in der
letzten Revolutions-Zeit, in dem oder dem Jahr wirds
kommen; und daß man schon Lieder drauf macht,
(wie denn ein und ander Gesangbuch solcher Lie-
der ganz voll ist, die so lauten, als wenns schon da
stünde) das ist die Gelegenheit zu der General-Wie-
drigkeit gegen die Zusammenkünfte. Welche zwar,
auf der einen Seite um des pharisäischen leeren Ge-
schwätzes willen, das darinnen geführet wird, actu
sehr schädlich und seelen-gefährlich sind; auf der
andern Seite aber doch einen realen und nützlichen
Umgang der Kinder GOttes mit einander, zum Zwek
haben. Das wird aber unter einander gemengt, so
wol von denen die nicht Zeit, Lust oder Einsicht
haben, die Sachen zu sondiren und zu beurtheilen,
als von denen, die nicht tetagmenoi sind, sich
solcher Sachen mit einem wahren Segen zu gebrau-
chen.

Es ist also eine mit von den Pflichten einer Ge-
meine JEsu, daß sie sich mit aller Macht gegen das
Prophezeyen, gegen das Weissagen und Zeichen der
Zeit erklären setzt, und daß sies unter die Zeichen-
deuterey rechnet.

Hat der Heiland eine Macht und Erlaubniß von
seinem Vater, seinen Jüngern was zu vertrauen:
hat er Erlaubniß und Macht, nach der Oeconomie,
diesem und jenem seiner Knechte zu erklären, was
er dem Johannes gesagt hat: so ists genug, daß es
der weiß, so ists genug, daß es einer dem andern ge-
legentlich sagt, und daß es eine herzliche Unterre-
dung wird, die so geschwinde vergessen als gefasst
wird; ja, wenns weit gehen soll, es ist genug, wenn
man einen gewissen Plan, den der Heiland einem
zeigt, in der idee behält, damit man nicht dagegen
anstosse, daß man einen gewissen halbdunkeln Begriff
nicht wegwirft, sondern steht dabey stille, damit man
keinen Queerstrich drein macht, und eine unbedungene
Arbeit thut. Das ist alles genug, das ist das äus-
" serste, was von uns gefordert wird; das ist schon

ein

Theil I. Cap. III. Satz 33.
” viele Verkuͤndigen, Buͤcher-ſchreiben, Weiſſagen
und Prophezeyen, und ſagen: Wir ſind itzt in der
letzten Revolutions-Zeit, in dem oder dem Jahr wirds
kommen; und daß man ſchon Lieder drauf macht,
(wie denn ein und ander Geſangbuch ſolcher Lie-
der ganz voll iſt, die ſo lauten, als wenns ſchon da
ſtuͤnde) das iſt die Gelegenheit zu der General-Wie-
drigkeit gegen die Zuſammenkuͤnfte. Welche zwar,
auf der einen Seite um des phariſaͤiſchen leeren Ge-
ſchwaͤtzes willen, das darinnen gefuͤhret wird, actu
ſehr ſchaͤdlich und ſeelen-gefaͤhrlich ſind; auf der
andern Seite aber doch einen realen und nuͤtzlichen
Umgang der Kinder GOttes mit einander, zum Zwek
haben. Das wird aber unter einander gemengt, ſo
wol von denen die nicht Zeit, Luſt oder Einſicht
haben, die Sachen zu ſondiren und zu beurtheilen,
als von denen, die nicht τεταγμένοι ſind, ſich
ſolcher Sachen mit einem wahren Segen zu gebrau-
chen.

Es iſt alſo eine mit von den Pflichten einer Ge-
meine JEſu, daß ſie ſich mit aller Macht gegen das
Prophezeyen, gegen das Weiſſagen und Zeichen der
Zeit erklaͤren ſetzt, und daß ſies unter die Zeichen-
deuterey rechnet.

Hat der Heiland eine Macht und Erlaubniß von
ſeinem Vater, ſeinen Juͤngern was zu vertrauen:
hat er Erlaubniß und Macht, nach der Oeconomie,
dieſem und jenem ſeiner Knechte zu erklaͤren, was
er dem Johannes geſagt hat: ſo iſts genug, daß es
der weiß, ſo iſts genug, daß es einer dem andern ge-
legentlich ſagt, und daß es eine herzliche Unterre-
dung wird, die ſo geſchwinde vergeſſen als gefaſſt
wird; ja, wenns weit gehen ſoll, es iſt genug, wenn
man einen gewiſſen Plan, den der Heiland einem
zeigt, in der idée behaͤlt, damit man nicht dagegen
anſtoſſe, daß man einen gewiſſen halbdunkeln Begriff
nicht wegwirft, ſondern ſteht dabey ſtille, damit man
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” ſerſte, was von uns gefordert wird; das iſt ſchon

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[250/0270] Theil I. Cap. III. Satz 33. ” viele Verkuͤndigen, Buͤcher-ſchreiben, Weiſſagen und Prophezeyen, und ſagen: Wir ſind itzt in der letzten Revolutions-Zeit, in dem oder dem Jahr wirds kommen; und daß man ſchon Lieder drauf macht, (wie denn ein und ander Geſangbuch ſolcher Lie- der ganz voll iſt, die ſo lauten, als wenns ſchon da ſtuͤnde) das iſt die Gelegenheit zu der General-Wie- drigkeit gegen die Zuſammenkuͤnfte. Welche zwar, auf der einen Seite um des phariſaͤiſchen leeren Ge- ſchwaͤtzes willen, das darinnen gefuͤhret wird, actu ſehr ſchaͤdlich und ſeelen-gefaͤhrlich ſind; auf der andern Seite aber doch einen realen und nuͤtzlichen Umgang der Kinder GOttes mit einander, zum Zwek haben. Das wird aber unter einander gemengt, ſo wol von denen die nicht Zeit, Luſt oder Einſicht haben, die Sachen zu ſondiren und zu beurtheilen, als von denen, die nicht τεταγμένοι ſind, ſich ſolcher Sachen mit einem wahren Segen zu gebrau- chen. Es iſt alſo eine mit von den Pflichten einer Ge- meine JEſu, daß ſie ſich mit aller Macht gegen das Prophezeyen, gegen das Weiſſagen und Zeichen der Zeit erklaͤren ſetzt, und daß ſies unter die Zeichen- deuterey rechnet. Hat der Heiland eine Macht und Erlaubniß von ſeinem Vater, ſeinen Juͤngern was zu vertrauen: hat er Erlaubniß und Macht, nach der Oeconomie, dieſem und jenem ſeiner Knechte zu erklaͤren, was er dem Johannes geſagt hat: ſo iſts genug, daß es der weiß, ſo iſts genug, daß es einer dem andern ge- legentlich ſagt, und daß es eine herzliche Unterre- dung wird, die ſo geſchwinde vergeſſen als gefaſſt wird; ja, wenns weit gehen ſoll, es iſt genug, wenn man einen gewiſſen Plan, den der Heiland einem zeigt, in der idée behaͤlt, damit man nicht dagegen anſtoſſe, daß man einen gewiſſen halbdunkeln Begriff nicht wegwirft, ſondern ſteht dabey ſtille, damit man keinen Queerſtrich drein macht, und eine unbedungene Arbeit thut. Das iſt alles genug, das iſt das aͤuſ- ” ſerſte, was von uns gefordert wird; das iſt ſchon ein

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Zitationshilfe: Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bengel_abriss01_1751/270>, abgerufen am 24.11.2024.