Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751.Von der Wichtigkeit der Sache. der Ordinarius mitten aus der Lehre der evan-gelischen Kirche her, (wie denn auch ein jeder wahrer evangelischer Christ den täglichen seli- gen Genuß von dem allen hat,) und dazu kam unstrittig eine eigene innige Erfahrung. Wäre er nur dabey geblieben! Aber es findet sich reichli- cher und lauterer in seinen ältern, als in seinen neuern Schriften. In den neuern ist das ge- stümmelte Gute mit vielem fremden Zeug überdecket und entkräftet. Das Gemenge des Guten und des Bösen ist bey der so genannten Brüdergemei- ne groß, und dabey werden viele unter ihnen an statt eines mässigen Sinnes in eine solche Aufgeblasenheit gesetzet, daß sie die Höhe, die ihnen vorgemahlet wird, nicht erreichen, und ihnen in schriftmässigen Lehrbüchern und in der Schrift selbst hinfort nichts gut genug ist, ja daß sie über ihrem Gefühl den Unterscheid zwi- schen dem Glauben und Schauen vergessen. Diejenigen, die in der evangelischen Lehre zu- vor eine taugliche Anleitung gehabt haben, können das gesunde von dem ungesunden her- aus lesen. Wer thut aber den armen unbe- richteten Seelen? Für alle ist es sicherer, wann sie sich an die heilige Schrift allein halten. Spricht jemand: Wie ist es möglich, daß die jenigen, die sich auf JEsu Blut allein verlas- sen, und auf seine Wunden zusammen verbun- den haben, hauffenweise in verkehrten Sinn dahingegeben würden, und in die allergrösste Irrthümer hinein geriethen? wer will sich künf- tig zum Heilande bekehren? Antwort: Die Lehr- (Abriß der Brüderg.) L
Von der Wichtigkeit der Sache. der Ordinarius mitten aus der Lehre der evan-geliſchen Kirche her, (wie denn auch ein jeder wahrer evangeliſcher Chriſt den taͤglichen ſeli- gen Genuß von dem allen hat,) und dazu kam unſtrittig eine eigene innige Erfahrung. Waͤre er nur dabey geblieben! Aber es findet ſich reichli- cher und lauterer in ſeinen aͤltern, als in ſeinen neuern Schriften. In den neuern iſt das ge- ſtuͤm̃elte Gute mit vielem fremdẽ Zeug uͤberdecket und entkraͤftet. Das Gemenge des Guten und des Boͤſen iſt bey der ſo genañten Bruͤdergemei- ne groß, und dabey werden viele unter ihnen an ſtatt eines maͤſſigen Sinnes in eine ſolche Aufgeblaſenheit geſetzet, daß ſie die Hoͤhe, die ihnen vorgemahlet wird, nicht erreichen, und ihnen in ſchriftmaͤſſigen Lehrbuͤchern und in der Schrift ſelbſt hinfort nichts gut genug iſt, ja daß ſie uͤber ihrem Gefuͤhl den Unterſcheid zwi- ſchen dem Glauben und Schauen vergeſſen. Diejenigen, die in der evangeliſchen Lehre zu- vor eine taugliche Anleitung gehabt haben, koͤnnen das geſunde von dem ungeſunden her- aus leſen. Wer thut aber den armen unbe- richteten Seelen? Fuͤr alle iſt es ſicherer, wann ſie ſich an die heilige Schrift allein halten. Spricht jemand: Wie iſt es moͤglich, daß die jenigen, die ſich auf JEſu Blut allein verlaſ- ſen, und auf ſeine Wunden zuſammen verbun- den haben, hauffenweiſe in verkehrten Sinn dahingegeben wuͤrden, und in die allergroͤſſte Irrthuͤmer hinein geriethen? wer will ſich kuͤnf- tig zum Heilande bekehren? Antwort: Die Lehr- (Abriß der Bruͤderg.) L
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Von der Wichtigkeit der Sache.
der Ordinarius mitten aus der Lehre der evan-
geliſchen Kirche her, (wie denn auch ein jeder
wahrer evangeliſcher Chriſt den taͤglichen ſeli-
gen Genuß von dem allen hat,) und dazu kam
unſtrittig eine eigene innige Erfahrung. Waͤre
er nur dabey geblieben! Aber es findet ſich reichli-
cher und lauterer in ſeinen aͤltern, als in ſeinen
neuern Schriften. In den neuern iſt das ge-
ſtuͤm̃elte Gute mit vielem fremdẽ Zeug uͤberdecket
und entkraͤftet. Das Gemenge des Guten und
des Boͤſen iſt bey der ſo genañten Bruͤdergemei-
ne groß, und dabey werden viele unter ihnen
an ſtatt eines maͤſſigen Sinnes in eine ſolche
Aufgeblaſenheit geſetzet, daß ſie die Hoͤhe, die
ihnen vorgemahlet wird, nicht erreichen, und
ihnen in ſchriftmaͤſſigen Lehrbuͤchern und in der
Schrift ſelbſt hinfort nichts gut genug iſt, ja
daß ſie uͤber ihrem Gefuͤhl den Unterſcheid zwi-
ſchen dem Glauben und Schauen vergeſſen.
Diejenigen, die in der evangeliſchen Lehre zu-
vor eine taugliche Anleitung gehabt haben,
koͤnnen das geſunde von dem ungeſunden her-
aus leſen. Wer thut aber den armen unbe-
richteten Seelen? Fuͤr alle iſt es ſicherer, wann
ſie ſich an die heilige Schrift allein halten.
Spricht jemand: Wie iſt es moͤglich, daß die
jenigen, die ſich auf JEſu Blut allein verlaſ-
ſen, und auf ſeine Wunden zuſammen verbun-
den haben, hauffenweiſe in verkehrten Sinn
dahingegeben wuͤrden, und in die allergroͤſſte
Irrthuͤmer hinein geriethen? wer will ſich kuͤnf-
tig zum Heilande bekehren? Antwort: Die
Lehr-
(Abriß der Bruͤderg.) L
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