Da wird die Gnade und das Evangelium auf vielerley Weise gehindert und geschmälert.
§ 140.
Doch wird hiebey des zur Seelen-Samm- lung erforderten Treibens nicht vergessen. Da der Ordinarius fast von keiner würklichen Sünde redet, so erkläret er doch alles, was nicht treibt, zu peccatis omissionis, zu Ver- säumnissen, die sehr schuldhaft seyen.
§ 141.
Ueberhaupt wird die Lehre von dem, was man thun oder lassen soll, bey demselben theils geschwächet, theils übertrieben, und auch durch das Uebertreiben geschwächet. Beedes ist ge- fährlich: dann wo die Regel des Thuns und Lassens richtig ist, da kan man sich noch immer erholen: wo aber falsche Principia auf kom- men, da ist es viel gefährlicher, und das Sün- digen wird in die Form einer Disciplin ge- bracht. Es gibt einen Gnosticismum, ein Peccatum philosophicum &c. Lose Lehre und lose Werke stimmen miteinander überein, ob auch die leztere nicht gar geschwind ausbrä- chen.
§ 142.
Im Jahr 1746 hielte der Ordinarius zwo Reden, die 29ste unter den 32 einzeln, und die 19de unter denen von Zeyst; in welchen er keine andere Moralitär gelten lässet, als die der An- blick des Heilandes in seiner Menschlichkeit leh-
ret.
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Vom Geſetz u. ſ. w.
Da wird die Gnade und das Evangelium auf vielerley Weiſe gehindert und geſchmaͤlert.
§ 140.
Doch wird hiebey des zur Seelen-Samm- lung erforderten Treibens nicht vergeſſen. Da der Ordinarius faſt von keiner wuͤrklichen Suͤnde redet, ſo erklaͤret er doch alles, was nicht treibt, zu peccatis omiſſionis, zu Ver- ſaͤumniſſen, die ſehr ſchuldhaft ſeyen.
§ 141.
Ueberhaupt wird die Lehre von dem, was man thun oder laſſen ſoll, bey demſelben theils geſchwaͤchet, theils uͤbertrieben, und auch durch das Uebertreiben geſchwaͤchet. Beedes iſt ge- faͤhrlich: dann wo die Regel des Thuns und Laſſens richtig iſt, da kan man ſich noch immer erholen: wo aber falſche Principia auf kom- men, da iſt es viel gefaͤhrlicher, und das Suͤn- digen wird in die Form einer Diſciplin ge- bracht. Es gibt einen Gnoſticiſmum, ein Peccatum philoſophicum &c. Loſe Lehre und loſe Werke ſtimmen miteinander uͤberein, ob auch die leztere nicht gar geſchwind ausbraͤ- chen.
§ 142.
Im Jahr 1746 hielte der Ordinarius zwo Reden, die 29ſte unter den 32 einzeln, und die 19de unter denen von Zeyſt; in welchen er keine andere Moralitaͤr gelten laͤſſet, als die der An- blick des Heilandes in ſeiner Menſchlichkeit leh-
ret.
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Vom Geſetz u. ſ. w.
Da wird die Gnade und das Evangelium auf
vielerley Weiſe gehindert und geſchmaͤlert.
§ 140.
Doch wird hiebey des zur Seelen-Samm-
lung erforderten Treibens nicht vergeſſen. Da
der Ordinarius faſt von keiner wuͤrklichen
Suͤnde redet, ſo erklaͤret er doch alles, was
nicht treibt, zu peccatis omiſſionis, zu Ver-
ſaͤumniſſen, die ſehr ſchuldhaft ſeyen.
§ 141.
Ueberhaupt wird die Lehre von dem, was
man thun oder laſſen ſoll, bey demſelben theils
geſchwaͤchet, theils uͤbertrieben, und auch durch
das Uebertreiben geſchwaͤchet. Beedes iſt ge-
faͤhrlich: dann wo die Regel des Thuns und
Laſſens richtig iſt, da kan man ſich noch immer
erholen: wo aber falſche Principia auf kom-
men, da iſt es viel gefaͤhrlicher, und das Suͤn-
digen wird in die Form einer Diſciplin ge-
bracht. Es gibt einen Gnoſticiſmum, ein
Peccatum philoſophicum &c. Loſe Lehre
und loſe Werke ſtimmen miteinander uͤberein,
ob auch die leztere nicht gar geſchwind ausbraͤ-
chen.
§ 142.
Im Jahr 1746 hielte der Ordinarius zwo
Reden, die 29ſte unter den 32 einzeln, und die
19de unter denen von Zeyſt; in welchen er keine
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Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bengel_abriss01_1751/157>, abgerufen am 16.07.2024.
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