Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751.Theil I. Cap. I. Satz 15. cten recht einschauen, nicht nur die Schuldund die Herrschaft der Sünde getilget und aufgehoben würde, sondern auch die Sünde den Glaubigen nichts mehr von innen zu schaf- fen und zu kämpfen machte. Auf solche Wei- se schlägt eine eigene Rechtfertigung dazu. Dann wo der Schuldner die Obligation viel kleiner machet, da bleibet nicht viel übrig, das er abzubitten, und der HErr zu schenken hät- te. Das Wort, Vergib uns, wird wenig gebraucht: und die Ermahnungen zum Wachs- thum und zur Beständigkeit hält man bey Rechtschaffenen für unnöthig. Aus Luthero und Dippelio wird ein einiges ungereimtes Lehrbild zusammen gebracht. § 139. Dieses alles findet sich leicht ein, wo man Da
Theil I. Cap. I. Satz 15. cten recht einſchauen, nicht nur die Schuldund die Herrſchaft der Suͤnde getilget und aufgehoben wuͤrde, ſondern auch die Suͤnde den Glaubigen nichts mehr von innen zu ſchaf- fen und zu kaͤmpfen machte. Auf ſolche Wei- ſe ſchlaͤgt eine eigene Rechtfertigung dazu. Dann wo der Schuldner die Obligation viel kleiner machet, da bleibet nicht viel uͤbrig, das er abzubitten, und der HErr zu ſchenken haͤt- te. Das Wort, Vergib uns, wird wenig gebraucht: und die Ermahnungen zum Wachſ- thum und zur Beſtaͤndigkeit haͤlt man bey Rechtſchaffenen fuͤr unnoͤthig. Aus Luthero und Dippelio wird ein einiges ungereimtes Lehrbild zuſammen gebracht. § 139. Dieſes alles findet ſich leicht ein, wo man Da
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Theil I. Cap. I. Satz 15.
cten recht einſchauen, nicht nur die Schuld
und die Herrſchaft der Suͤnde getilget und
aufgehoben wuͤrde, ſondern auch die Suͤnde
den Glaubigen nichts mehr von innen zu ſchaf-
fen und zu kaͤmpfen machte. Auf ſolche Wei-
ſe ſchlaͤgt eine eigene Rechtfertigung dazu.
Dann wo der Schuldner die Obligation viel
kleiner machet, da bleibet nicht viel uͤbrig, das
er abzubitten, und der HErr zu ſchenken haͤt-
te. Das Wort, Vergib uns, wird wenig
gebraucht: und die Ermahnungen zum Wachſ-
thum und zur Beſtaͤndigkeit haͤlt man bey
Rechtſchaffenen fuͤr unnoͤthig. Aus Luthero
und Dippelio wird ein einiges ungereimtes
Lehrbild zuſammen gebracht.
§ 139.
Dieſes alles findet ſich leicht ein, wo man
das Geſetz, durch welches die Erkenntniß der
Suͤnde kommt, ſo weit zuruͤcke weiſet. Da
iſt es kein Wunder, wann die Erbſuͤnde, (de-
ren Name bey der neumaͤhriſchen Gemeine
noch vor kurzem nicht geduldet wurde,) und
die wuͤrkliche Suͤnden, bey weitem nicht nach
ihrem leidigen Werth geſchaͤzet werden. Ein
Muſter gibt im Buͤd. N. T. ed. 2. die Anmer-
kung zu Matth. 5, 22. Die Suͤnde ſoll nur
in den Auſſenwerkern des Herzens ihren Sitz
haben: und wo die Tieffe des Schadens nicht
erkannt wird, da geht auch die Cur nicht tief
genug. Die Arzney, der Leidens-Punct,
wird vornemlich auf die Imagination gefuͤhret.
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