hörten Affectation vortragen, machen sie ohne ihr Wissen gemein, und können den dazuschla- genden manchfaltigen Misbrauch nicht verhü- ten. Indem sie aus dem Wunden-Blick, oh- ne das Gesetz, alles herleiten, was man thun und lassen soll, so machen sie, als ungeschickte Empirici, so viel an ihnen ist, aus dem theu- ren Blut Christi ein Opium, womit sie sich und andere im Gewissen um den Unterschied dessen, was Recht und Unrecht ist, bringen.
§ 126.
Wann man in einem Saal alle Lichter, bis auf eines, auslöschet oder beyseit thut, so wer- den sich alle anwesende zu dem einigen noch übrigen Lichte wenden, ob schon dieses an sich selbs keine solche Helle gibt, als alle Lichter zu- sammen. So ist es, wann man einen eini- gen Puncten der heilsamen Lehre, zum Exem- pel, von den blutigen Wunden JEsu, beson- der preiset, und die übrigen zurücke setzet. Das wird in der lezten einzelen Rede von der Ein- falt in Christo für die Einfalt ausgegeben: welcher gestalten es Christo selbsten an der Ein- falt gefehlt haben müsste, (das ferne sey!) als der seinen Vater immer vor Augen hatte, und auch mitten in der Creuzes-Schmach auf die bevorstehende Freude hinsahe. Die wahren Christen selbs bey der so genannten Creuzge- meine halten von dem Leiden Christi nicht mehr, sondern sie treiben nur alle übrige Articul we- niger, als andere rechtgeübte freye Christen zu thun pflegen.
§ 127.
TheilI.Cap.I.Satz 14.
hoͤrten Affectation vortragen, machen ſie ohne ihr Wiſſen gemein, und koͤnnen den dazuſchla- genden manchfaltigen Misbrauch nicht verhuͤ- ten. Indem ſie aus dem Wunden-Blick, oh- ne das Geſetz, alles herleiten, was man thun und laſſen ſoll, ſo machen ſie, als ungeſchickte Empirici, ſo viel an ihnen iſt, aus dem theu- ren Blut Chriſti ein Opium, womit ſie ſich und andere im Gewiſſen um den Unterſchied deſſen, was Recht und Unrecht iſt, bringen.
§ 126.
Wann man in einem Saal alle Lichter, bis auf eines, ausloͤſchet oder beyſeit thut, ſo wer- den ſich alle anweſende zu dem einigen noch uͤbrigen Lichte wenden, ob ſchon dieſes an ſich ſelbs keine ſolche Helle gibt, als alle Lichter zu- ſammen. So iſt es, wann man einen eini- gen Puncten der heilſamen Lehre, zum Exem- pel, von den blutigen Wunden JEſu, beſon- der preiſet, und die uͤbrigen zuruͤcke ſetzet. Das wird in der lezten einzelen Rede von der Ein- falt in Chriſto fuͤr die Einfalt ausgegeben: welcher geſtalten es Chriſto ſelbſten an der Ein- falt gefehlt haben muͤſſte, (das ferne ſey!) als der ſeinen Vater immer vor Augen hatte, und auch mitten in der Creuzes-Schmach auf die bevorſtehende Freude hinſahe. Die wahren Chriſten ſelbs bey der ſo genannten Creuzge- meine halten von dem Leiden Chriſti nicht mehr, ſondern ſie treiben nur alle uͤbrige Articul we- niger, als andere rechtgeuͤbte freye Chriſten zu thun pflegen.
§ 127.
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Theil I. Cap. I. Satz 14.
hoͤrten Affectation vortragen, machen ſie ohne
ihr Wiſſen gemein, und koͤnnen den dazuſchla-
genden manchfaltigen Misbrauch nicht verhuͤ-
ten. Indem ſie aus dem Wunden-Blick, oh-
ne das Geſetz, alles herleiten, was man thun
und laſſen ſoll, ſo machen ſie, als ungeſchickte
Empirici, ſo viel an ihnen iſt, aus dem theu-
ren Blut Chriſti ein Opium, womit ſie ſich
und andere im Gewiſſen um den Unterſchied
deſſen, was Recht und Unrecht iſt, bringen.
§ 126.
Wann man in einem Saal alle Lichter, bis
auf eines, ausloͤſchet oder beyſeit thut, ſo wer-
den ſich alle anweſende zu dem einigen noch
uͤbrigen Lichte wenden, ob ſchon dieſes an ſich
ſelbs keine ſolche Helle gibt, als alle Lichter zu-
ſammen. So iſt es, wann man einen eini-
gen Puncten der heilſamen Lehre, zum Exem-
pel, von den blutigen Wunden JEſu, beſon-
der preiſet, und die uͤbrigen zuruͤcke ſetzet. Das
wird in der lezten einzelen Rede von der Ein-
falt in Chriſto fuͤr die Einfalt ausgegeben:
welcher geſtalten es Chriſto ſelbſten an der Ein-
falt gefehlt haben muͤſſte, (das ferne ſey!) als
der ſeinen Vater immer vor Augen hatte, und
auch mitten in der Creuzes-Schmach auf die
bevorſtehende Freude hinſahe. Die wahren
Chriſten ſelbs bey der ſo genannten Creuzge-
meine halten von dem Leiden Chriſti nicht mehr,
ſondern ſie treiben nur alle uͤbrige Articul we-
niger, als andere rechtgeuͤbte freye Chriſten
zu thun pflegen.
§ 127.
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Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bengel_abriss01_1751/146>, abgerufen am 26.02.2025.
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