Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Theil I. Cap. I. Satz 14.
hörten Affectation vortragen, machen sie ohne
ihr Wissen gemein, und können den dazuschla-
genden manchfaltigen Misbrauch nicht verhü-
ten. Indem sie aus dem Wunden-Blick, oh-
ne das Gesetz, alles herleiten, was man thun
und lassen soll, so machen sie, als ungeschickte
Empirici, so viel an ihnen ist, aus dem theu-
ren Blut Christi ein Opium, womit sie sich
und andere im Gewissen um den Unterschied
dessen, was Recht und Unrecht ist, bringen.

§ 126.

Wann man in einem Saal alle Lichter, bis
auf eines, auslöschet oder beyseit thut, so wer-
den sich alle anwesende zu dem einigen noch
übrigen Lichte wenden, ob schon dieses an sich
selbs keine solche Helle gibt, als alle Lichter zu-
sammen. So ist es, wann man einen eini-
gen Puncten der heilsamen Lehre, zum Exem-
pel, von den blutigen Wunden JEsu, beson-
der preiset, und die übrigen zurücke setzet. Das
wird in der lezten einzelen Rede von der Ein-
falt in Christo
für die Einfalt ausgegeben:
welcher gestalten es Christo selbsten an der Ein-
falt gefehlt haben müsste, (das ferne sey!) als
der seinen Vater immer vor Augen hatte, und
auch mitten in der Creuzes-Schmach auf die
bevorstehende Freude hinsahe. Die wahren
Christen selbs bey der so genannten Creuzge-
meine halten von dem Leiden Christi nicht mehr,
sondern sie treiben nur alle übrige Articul we-
niger, als andere rechtgeübte freye Christen
zu thun pflegen.


§ 127.

Theil I. Cap. I. Satz 14.
hoͤrten Affectation vortragen, machen ſie ohne
ihr Wiſſen gemein, und koͤnnen den dazuſchla-
genden manchfaltigen Misbrauch nicht verhuͤ-
ten. Indem ſie aus dem Wunden-Blick, oh-
ne das Geſetz, alles herleiten, was man thun
und laſſen ſoll, ſo machen ſie, als ungeſchickte
Empirici, ſo viel an ihnen iſt, aus dem theu-
ren Blut Chriſti ein Opium, womit ſie ſich
und andere im Gewiſſen um den Unterſchied
deſſen, was Recht und Unrecht iſt, bringen.

§ 126.

Wann man in einem Saal alle Lichter, bis
auf eines, ausloͤſchet oder beyſeit thut, ſo wer-
den ſich alle anweſende zu dem einigen noch
uͤbrigen Lichte wenden, ob ſchon dieſes an ſich
ſelbs keine ſolche Helle gibt, als alle Lichter zu-
ſammen. So iſt es, wann man einen eini-
gen Puncten der heilſamen Lehre, zum Exem-
pel, von den blutigen Wunden JEſu, beſon-
der preiſet, und die uͤbrigen zuruͤcke ſetzet. Das
wird in der lezten einzelen Rede von der Ein-
falt in Chriſto
fuͤr die Einfalt ausgegeben:
welcher geſtalten es Chriſto ſelbſten an der Ein-
falt gefehlt haben muͤſſte, (das ferne ſey!) als
der ſeinen Vater immer vor Augen hatte, und
auch mitten in der Creuzes-Schmach auf die
bevorſtehende Freude hinſahe. Die wahren
Chriſten ſelbs bey der ſo genannten Creuzge-
meine halten von dem Leiden Chriſti nicht mehr,
ſondern ſie treiben nur alle uͤbrige Articul we-
niger, als andere rechtgeuͤbte freye Chriſten
zu thun pflegen.


§ 127.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="4">
            <div n="5">
              <p><pb facs="#f0146" n="126"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Theil</hi><hi rendition="#aq">I.</hi><hi rendition="#fr">Cap.</hi><hi rendition="#aq">I.</hi><hi rendition="#fr">Satz</hi> 14.</fw><lb/>
ho&#x0364;rten Affectation vortragen, machen &#x017F;ie ohne<lb/>
ihr Wi&#x017F;&#x017F;en gemein, und ko&#x0364;nnen den dazu&#x017F;chla-<lb/>
genden manchfaltigen Misbrauch nicht verhu&#x0364;-<lb/>
ten. Indem &#x017F;ie aus dem Wunden-Blick, oh-<lb/>
ne das Ge&#x017F;etz, alles herleiten, was man thun<lb/>
und la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;oll, &#x017F;o machen &#x017F;ie, als unge&#x017F;chickte<lb/><hi rendition="#aq">Empirici,</hi> &#x017F;o viel an ihnen i&#x017F;t, aus dem theu-<lb/>
ren Blut Chri&#x017F;ti ein <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Opium,</hi></hi> womit &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
und andere im Gewi&#x017F;&#x017F;en um den Unter&#x017F;chied<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en, was Recht und Unrecht i&#x017F;t, bringen.</p>
            </div><lb/>
            <div n="5">
              <head>§ 126.</head><lb/>
              <p>Wann man in einem Saal alle Lichter, bis<lb/>
auf eines, auslo&#x0364;&#x017F;chet oder bey&#x017F;eit thut, &#x017F;o wer-<lb/>
den &#x017F;ich alle anwe&#x017F;ende zu dem einigen noch<lb/>
u&#x0364;brigen Lichte wenden, ob &#x017F;chon die&#x017F;es an &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elbs keine &#x017F;olche Helle gibt, als alle Lichter zu-<lb/>
&#x017F;ammen. So i&#x017F;t es, wann man einen eini-<lb/>
gen Puncten der heil&#x017F;amen Lehre, zum Exem-<lb/>
pel, von den blutigen Wunden JE&#x017F;u, be&#x017F;on-<lb/>
der prei&#x017F;et, und die u&#x0364;brigen zuru&#x0364;cke &#x017F;etzet. Das<lb/>
wird in der lezten einzelen Rede <hi rendition="#fr">von der Ein-<lb/>
falt in Chri&#x017F;to</hi> fu&#x0364;r die Einfalt ausgegeben:<lb/>
welcher ge&#x017F;talten es Chri&#x017F;to &#x017F;elb&#x017F;ten an der Ein-<lb/>
falt gefehlt haben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;te, (das ferne &#x017F;ey!) als<lb/>
der &#x017F;einen Vater immer vor Augen hatte, und<lb/>
auch mitten in der Creuzes-Schmach auf die<lb/>
bevor&#x017F;tehende Freude hin&#x017F;ahe. Die wahren<lb/>
Chri&#x017F;ten &#x017F;elbs bey der &#x017F;o genannten Creuzge-<lb/>
meine halten von dem Leiden Chri&#x017F;ti nicht mehr,<lb/>
&#x017F;ondern &#x017F;ie treiben nur alle u&#x0364;brige Articul we-<lb/>
niger, als andere rechtgeu&#x0364;bte freye Chri&#x017F;ten<lb/>
zu thun pflegen.</p>
            </div><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">§ 127.</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0146] Theil I. Cap. I. Satz 14. hoͤrten Affectation vortragen, machen ſie ohne ihr Wiſſen gemein, und koͤnnen den dazuſchla- genden manchfaltigen Misbrauch nicht verhuͤ- ten. Indem ſie aus dem Wunden-Blick, oh- ne das Geſetz, alles herleiten, was man thun und laſſen ſoll, ſo machen ſie, als ungeſchickte Empirici, ſo viel an ihnen iſt, aus dem theu- ren Blut Chriſti ein Opium, womit ſie ſich und andere im Gewiſſen um den Unterſchied deſſen, was Recht und Unrecht iſt, bringen. § 126. Wann man in einem Saal alle Lichter, bis auf eines, ausloͤſchet oder beyſeit thut, ſo wer- den ſich alle anweſende zu dem einigen noch uͤbrigen Lichte wenden, ob ſchon dieſes an ſich ſelbs keine ſolche Helle gibt, als alle Lichter zu- ſammen. So iſt es, wann man einen eini- gen Puncten der heilſamen Lehre, zum Exem- pel, von den blutigen Wunden JEſu, beſon- der preiſet, und die uͤbrigen zuruͤcke ſetzet. Das wird in der lezten einzelen Rede von der Ein- falt in Chriſto fuͤr die Einfalt ausgegeben: welcher geſtalten es Chriſto ſelbſten an der Ein- falt gefehlt haben muͤſſte, (das ferne ſey!) als der ſeinen Vater immer vor Augen hatte, und auch mitten in der Creuzes-Schmach auf die bevorſtehende Freude hinſahe. Die wahren Chriſten ſelbs bey der ſo genannten Creuzge- meine halten von dem Leiden Chriſti nicht mehr, ſondern ſie treiben nur alle uͤbrige Articul we- niger, als andere rechtgeuͤbte freye Chriſten zu thun pflegen. § 127.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bengel_abriss01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bengel_abriss01_1751/146
Zitationshilfe: Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bengel_abriss01_1751/146>, abgerufen am 22.12.2024.