hernach von dem Menschen-Sohn selbs, sie werden Ihn sehen. Man wird also zuerst den herrlichen Aufzug, und sodann den König selber sehen: und dieser wird die Seitenhöle nicht vor sich hersenden, sondern sie an seinem heili- gen Leibe selbs sehen lassen.
§ 96.
Als dem Thomas die Jünger die Erschei- nung des auferstandenen HErrn JEsu bezeug- ten, sagte er: Es sey denn u. s. w. Seine Forderung erfüllte der freundliche HErr, so gar mit Wiederholung der Worte Thomä: und da war das Sehen und Betasten der Nägel- maal und der Seite nicht die Sache selbs, sondern das Mittel, ihn zu überzeugen, daß derjenige, den er sahe und betasten durfte, der gecreuzigt-gewesene JEsus sey, daß Er wahr- haftig auferstanden sey, daß die Jünger den Thomam mit der Wahrheit berichtet haben, daß Er des Thomä vorhin bekannter HErr und GOtt sey, welches er viel seliger ohne das Sehen geglaubet hätte. Also ist bey dieser un- aufhörlichen Anführung des Thomä ein Man- gel, daß ich gelinde rede, einer geistlichen Discretion.
§ 97.
Ueberhaupt hat man bey der neumährischen Gemeine die Betrachtung von Christo, dafür, daß man aller seiner Wohlthat geniessen solte, besonder auf das sogenannte Seiten-Höhlgen eine Zeitlang gewendet, als ob wir, wie die
Erde
(Abriß der Brüderg.) G
Vom Blut und Wunden.
hernach von dem Menſchen-Sohn ſelbs, ſie werden Ihn ſehen. Man wird alſo zuerſt den herrlichen Aufzug, und ſodann den Koͤnig ſelber ſehen: und dieſer wird die Seitenhoͤle nicht vor ſich herſenden, ſondern ſie an ſeinem heili- gen Leibe ſelbs ſehen laſſen.
§ 96.
Als dem Thomas die Juͤnger die Erſchei- nung des auferſtandenen HErrn JEſu bezeug- ten, ſagte er: Es ſey denn u. ſ. w. Seine Forderung erfuͤllte der freundliche HErr, ſo gar mit Wiederholung der Worte Thomaͤ: und da war das Sehen und Betaſten der Naͤgel- maal und der Seite nicht die Sache ſelbs, ſondern das Mittel, ihn zu uͤberzeugen, daß derjenige, den er ſahe und betaſten durfte, der gecreuzigt-geweſene JEſus ſey, daß Er wahr- haftig auferſtanden ſey, daß die Juͤnger den Thomam mit der Wahrheit berichtet haben, daß Er des Thomaͤ vorhin bekannter HErr und GOtt ſey, welches er viel ſeliger ohne das Sehen geglaubet haͤtte. Alſo iſt bey dieſer un- aufhoͤrlichen Anfuͤhrung des Thomaͤ ein Man- gel, daß ich gelinde rede, einer geiſtlichen Diſcretion.
§ 97.
Ueberhaupt hat man bey der neumaͤhriſchen Gemeine die Betrachtung von Chriſto, dafuͤr, daß man aller ſeiner Wohlthat genieſſen ſolte, beſonder auf das ſogenannte Seiten-Hoͤhlgen eine Zeitlang gewendet, als ob wir, wie die
Erde
(Abriß der Bruͤderg.) G
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0117"n="97"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#fr">Vom Blut und Wunden.</hi></fw><lb/>
hernach von dem Menſchen-Sohn ſelbs, <hirendition="#fr">ſie<lb/>
werden Ihn ſehen.</hi> Man wird alſo zuerſt<lb/>
den herrlichen Aufzug, und ſodann den Koͤnig<lb/>ſelber ſehen: und dieſer wird die Seitenhoͤle nicht<lb/>
vor ſich herſenden, ſondern ſie an ſeinem heili-<lb/>
gen Leibe ſelbs ſehen laſſen.</p></div><lb/><divn="5"><head>§ 96.</head><lb/><p>Als dem <hirendition="#fr">Thomas</hi> die Juͤnger die Erſchei-<lb/>
nung des auferſtandenen HErrn JEſu bezeug-<lb/>
ten, ſagte er: <hirendition="#fr">Es ſey denn</hi> u. ſ. w. Seine<lb/>
Forderung erfuͤllte der freundliche HErr, ſo gar<lb/>
mit Wiederholung der Worte Thomaͤ: und da<lb/>
war <hirendition="#fr">das Sehen und Betaſten der Naͤgel-<lb/>
maal und der Seite</hi> nicht die Sache ſelbs,<lb/>ſondern das <hirendition="#fr">Mittel,</hi> ihn zu uͤberzeugen, daß<lb/>
derjenige, den er ſahe und betaſten durfte, der<lb/>
gecreuzigt-geweſene JEſus ſey, daß Er wahr-<lb/>
haftig auferſtanden ſey, daß die Juͤnger den<lb/>
Thomam mit der Wahrheit berichtet haben,<lb/>
daß Er des Thomaͤ vorhin bekannter HErr<lb/>
und GOtt ſey, welches er viel ſeliger ohne das<lb/>
Sehen geglaubet haͤtte. Alſo iſt bey dieſer un-<lb/>
aufhoͤrlichen Anfuͤhrung des Thomaͤ ein Man-<lb/>
gel, daß ich gelinde rede, einer geiſtlichen<lb/>
Diſcretion.</p></div><lb/><divn="5"><head>§ 97.</head><lb/><p>Ueberhaupt hat man bey der neumaͤhriſchen<lb/>
Gemeine die Betrachtung von Chriſto, dafuͤr,<lb/>
daß man aller ſeiner Wohlthat genieſſen ſolte,<lb/>
beſonder auf das ſogenannte <hirendition="#fr">Seiten-Hoͤhlgen</hi><lb/>
eine Zeitlang gewendet, als ob wir, wie die<lb/><fwplace="bottom"type="sig">(<hirendition="#fr">Abriß der Bruͤderg.</hi>) G</fw><fwplace="bottom"type="catch">Erde</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[97/0117]
Vom Blut und Wunden.
hernach von dem Menſchen-Sohn ſelbs, ſie
werden Ihn ſehen. Man wird alſo zuerſt
den herrlichen Aufzug, und ſodann den Koͤnig
ſelber ſehen: und dieſer wird die Seitenhoͤle nicht
vor ſich herſenden, ſondern ſie an ſeinem heili-
gen Leibe ſelbs ſehen laſſen.
§ 96.
Als dem Thomas die Juͤnger die Erſchei-
nung des auferſtandenen HErrn JEſu bezeug-
ten, ſagte er: Es ſey denn u. ſ. w. Seine
Forderung erfuͤllte der freundliche HErr, ſo gar
mit Wiederholung der Worte Thomaͤ: und da
war das Sehen und Betaſten der Naͤgel-
maal und der Seite nicht die Sache ſelbs,
ſondern das Mittel, ihn zu uͤberzeugen, daß
derjenige, den er ſahe und betaſten durfte, der
gecreuzigt-geweſene JEſus ſey, daß Er wahr-
haftig auferſtanden ſey, daß die Juͤnger den
Thomam mit der Wahrheit berichtet haben,
daß Er des Thomaͤ vorhin bekannter HErr
und GOtt ſey, welches er viel ſeliger ohne das
Sehen geglaubet haͤtte. Alſo iſt bey dieſer un-
aufhoͤrlichen Anfuͤhrung des Thomaͤ ein Man-
gel, daß ich gelinde rede, einer geiſtlichen
Diſcretion.
§ 97.
Ueberhaupt hat man bey der neumaͤhriſchen
Gemeine die Betrachtung von Chriſto, dafuͤr,
daß man aller ſeiner Wohlthat genieſſen ſolte,
beſonder auf das ſogenannte Seiten-Hoͤhlgen
eine Zeitlang gewendet, als ob wir, wie die
Erde
(Abriß der Bruͤderg.) G
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bengel_abriss01_1751/117>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.