Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Theil I. Cap. I. Satz 14.
kan es eine geschwinde, grosse und völlige
Frucht geben: wann aber der Mensch bey der
Göttlichen Lehre aufgewachsen ist, so ist das
selige Moment, da er sich anfänglich GOtte
ergibt, nicht allemal so merklich, ob es schon
auch bey ihm zu einem rechtschaffenen Wesen
kommt. Das eigentlichste ist, daß der im
Sünden-Tode verlohrne Mensch den Genuß
der Gnade GOttes in Christo JEsu bekomme
zum Leben. Daher theilen sich diejenige, de-
nen das Wort GOttes vorgetragen wird,
in zwo Gattungen. Sie sollen entweder erst
noch zum Herzens-Glauben an Christum ge-
bracht werden, oder sie stehen schon darin.

§ 88.

Für beederley Seelen gehört eine besondere
angemessene Anleitung: und doch ist ihnen oft
auch ein einiger Vortrag heilsam, je nach dem sich
die Zueignung dessen, was vorgetragen wird,
bey einem jeden nach seinem Zustand ergibt:
und das um so viel mehr, da an den Seelen
von der ersten Gattung die zuvorkommende
Gnade schon eher arbeitete, und bey denen von
der andern Gattung noch vielerley Mängel
übrig seyn können. Was Paulus denen Lycao-
niern geprediget hat, daraus kan ein gestan-
dener Christ seine Erbauung schöpfen: und was
er an Timotheum geschrieben, das kan auch ei-
nen Heiden herumholen.


§ 89.

Theil I. Cap. I. Satz 14.
kan es eine geſchwinde, groſſe und voͤllige
Frucht geben: wann aber der Menſch bey der
Goͤttlichen Lehre aufgewachſen iſt, ſo iſt das
ſelige Moment, da er ſich anfaͤnglich GOtte
ergibt, nicht allemal ſo merklich, ob es ſchon
auch bey ihm zu einem rechtſchaffenen Weſen
kommt. Das eigentlichſte iſt, daß der im
Suͤnden-Tode verlohrne Menſch den Genuß
der Gnade GOttes in Chriſto JEſu bekomme
zum Leben. Daher theilen ſich diejenige, de-
nen das Wort GOttes vorgetragen wird,
in zwo Gattungen. Sie ſollen entweder erſt
noch zum Herzens-Glauben an Chriſtum ge-
bracht werden, oder ſie ſtehen ſchon darin.

§ 88.

Fuͤr beederley Seelen gehoͤrt eine beſondere
angemeſſene Anleitung: und doch iſt ihnen oft
auch ein einiger Vortrag heilſam, je nach dem ſich
die Zueignung deſſen, was vorgetragen wird,
bey einem jeden nach ſeinem Zuſtand ergibt:
und das um ſo viel mehr, da an den Seelen
von der erſten Gattung die zuvorkommende
Gnade ſchon eher arbeitete, und bey denen von
der andern Gattung noch vielerley Maͤngel
uͤbrig ſeyn koͤnnen. Was Paulus denen Lycao-
niern geprediget hat, daraus kan ein geſtan-
dener Chriſt ſeine Erbauung ſchoͤpfen: und was
er an Timotheum geſchrieben, das kan auch ei-
nen Heiden herumholen.


§ 89.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="4">
            <div n="5">
              <p><pb facs="#f0112" n="92"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Theil</hi><hi rendition="#aq">I.</hi><hi rendition="#fr">Cap.</hi><hi rendition="#aq">I.</hi><hi rendition="#fr">Satz 14.</hi></fw><lb/>
kan es eine ge&#x017F;chwinde, gro&#x017F;&#x017F;e und vo&#x0364;llige<lb/>
Frucht geben: wann aber der Men&#x017F;ch bey der<lb/>
Go&#x0364;ttlichen Lehre aufgewach&#x017F;en i&#x017F;t, &#x017F;o i&#x017F;t das<lb/>
&#x017F;elige Moment, da er &#x017F;ich anfa&#x0364;nglich GOtte<lb/>
ergibt, nicht allemal &#x017F;o merklich, ob es &#x017F;chon<lb/>
auch bey ihm zu einem recht&#x017F;chaffenen We&#x017F;en<lb/>
kommt. Das eigentlich&#x017F;te i&#x017F;t, daß der im<lb/>
Su&#x0364;nden-Tode verlohrne Men&#x017F;ch den Genuß<lb/>
der Gnade GOttes in Chri&#x017F;to JE&#x017F;u bekomme<lb/>
zum Leben. Daher theilen &#x017F;ich diejenige, de-<lb/>
nen das Wort GOttes vorgetragen wird,<lb/>
in zwo Gattungen. Sie &#x017F;ollen entweder er&#x017F;t<lb/>
noch zum Herzens-Glauben an Chri&#x017F;tum ge-<lb/>
bracht werden, oder &#x017F;ie &#x017F;tehen &#x017F;chon darin.</p>
            </div><lb/>
            <div n="5">
              <head>§ 88.</head><lb/>
              <p>Fu&#x0364;r beederley Seelen geho&#x0364;rt eine be&#x017F;ondere<lb/>
angeme&#x017F;&#x017F;ene Anleitung: und doch i&#x017F;t ihnen oft<lb/>
auch ein einiger Vortrag heil&#x017F;am, je nach dem &#x017F;ich<lb/>
die Zueignung de&#x017F;&#x017F;en, was vorgetragen wird,<lb/>
bey einem jeden nach &#x017F;einem Zu&#x017F;tand ergibt:<lb/>
und das um &#x017F;o viel mehr, da an den Seelen<lb/>
von der er&#x017F;ten Gattung die zuvorkommende<lb/>
Gnade &#x017F;chon eher arbeitete, und bey denen von<lb/>
der andern Gattung noch vielerley Ma&#x0364;ngel<lb/>
u&#x0364;brig &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen. Was Paulus denen Lycao-<lb/>
niern geprediget hat, daraus kan ein ge&#x017F;tan-<lb/>
dener Chri&#x017F;t &#x017F;eine Erbauung &#x017F;cho&#x0364;pfen: und was<lb/>
er an Timotheum ge&#x017F;chrieben, das kan auch ei-<lb/>
nen Heiden herumholen.</p>
            </div><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">§ 89.</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0112] Theil I. Cap. I. Satz 14. kan es eine geſchwinde, groſſe und voͤllige Frucht geben: wann aber der Menſch bey der Goͤttlichen Lehre aufgewachſen iſt, ſo iſt das ſelige Moment, da er ſich anfaͤnglich GOtte ergibt, nicht allemal ſo merklich, ob es ſchon auch bey ihm zu einem rechtſchaffenen Weſen kommt. Das eigentlichſte iſt, daß der im Suͤnden-Tode verlohrne Menſch den Genuß der Gnade GOttes in Chriſto JEſu bekomme zum Leben. Daher theilen ſich diejenige, de- nen das Wort GOttes vorgetragen wird, in zwo Gattungen. Sie ſollen entweder erſt noch zum Herzens-Glauben an Chriſtum ge- bracht werden, oder ſie ſtehen ſchon darin. § 88. Fuͤr beederley Seelen gehoͤrt eine beſondere angemeſſene Anleitung: und doch iſt ihnen oft auch ein einiger Vortrag heilſam, je nach dem ſich die Zueignung deſſen, was vorgetragen wird, bey einem jeden nach ſeinem Zuſtand ergibt: und das um ſo viel mehr, da an den Seelen von der erſten Gattung die zuvorkommende Gnade ſchon eher arbeitete, und bey denen von der andern Gattung noch vielerley Maͤngel uͤbrig ſeyn koͤnnen. Was Paulus denen Lycao- niern geprediget hat, daraus kan ein geſtan- dener Chriſt ſeine Erbauung ſchoͤpfen: und was er an Timotheum geſchrieben, das kan auch ei- nen Heiden herumholen. § 89.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bengel_abriss01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bengel_abriss01_1751/112
Zitationshilfe: Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bengel_abriss01_1751/112>, abgerufen am 20.11.2024.