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Behrens, Georg Henning: Hercynia Curiosa, oder Curiöser Hartz-Wald. Nordhausen, 1703.

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Das I Capitel
Hunnen nichts anders als Kinder oder Zwerge geschienen/ für wel-
chen sie sich auch dieserwegen sehr gefürchtet/ und in dergleichen Löcher
wie die armen Mäuslein verkrochen und verborgen hätten/ zumahl
da die Hunnen etliche Leüthe geschunden und gebraten/ auch sonst
auf andere Weise sehr unmenschlich und greülich mit denenselben
umgangen wären. Ob nun schon bewuster massen man von allen
alten Dingen nicht allezeit genugsamen Bericht geben/ und die rechte
Ursache aller alten Historien oder Geschichte vollkömmlich darthun
kan; dennoch so halte unmasgeblich davor/ daß beyde Parteyen auf
gewisse masse recht geredet haben/ und man derselben Meinung leicht
vereinigen könne: Denn was die Zwerge anbetrifft/ so weiß man
zwar wohl/ daß unter andern Strabo in seiner Geographie libr. 2
gäntzlich geleügnet habe/ daß iemahls Zwerg Völcker und Familien
in der Welt wären gefunden worden: Es ist aber derselbe auf solche
Meinung deswegen kommen/ weilen davon die Poeten/ sonderlich
Homerus iliad. libr. 1 Ovidius libr. 6 Metamorph. und Juvenalis
Satyr.
13 viele wunderliche und unglaubliche Sachen fabuliret oder
gedichtet haben/ denen auch die Historien-Schreiber getreülich nach-
gefolget sind/ wie denn Münsterus in seiner Cosmographia von de-
nen Zwergen schreibet/ daß solche im 3 oder 5 Jahr Kinder zeügeten/
im 7/ 8 oder 9 aber stürben/ und mit denen Kranichen oder Störchen
beständig Kriege führeten/ auch ihre Nester oder Häuselein von Lei-
men/ Federn und Eyer-Schalen erbauet hätten/ auch was derglei-
chen Fabel-Werck mehr ist; Wodurch ebenfalls Albertus Magnus
bewogen worden/ nicht zu glauben/ daß es vormahls rechte kleine
Zwerg-Menschen gegeben habe/ massen er gäntzlich davor hält/ daß
alle diejenigen Creaturen/ welche die Autores vor Zwerge ausgege-
geben hätten/ nichts anders als eine Gattung Affen wären; Allein
es ist auch dessen ohngeachtet denen Gelehrten zur Gnüge bekannt/
daß es viel mehr Autores gebe/ die das Gegen-Theil statuiren/ und
gäntzlich vermeinen/ daß vor Alters dergleichen Zwerg-Menschen
angetroffen worden/ ja es finden sich hierunter etliche/ die gar davor
halten/ daß es noch heütiges Tages solche kleine Völcker und Fami-
li
en gebe/ ob dieselben schon rar wären/ wovon Caspar. Schottus in

seiner

Das I Capitel
Hunnen nichts anders als Kinder oder Zwerge geſchienen/ fuͤr wel-
chen ſie ſich auch dieſerwegen ſehr gefuͤrchtet/ und in dergleichen Loͤcher
wie die armen Maͤuslein verkrochen und verborgen haͤtten/ zumahl
da die Hunnen etliche Leuͤthe geſchunden und gebraten/ auch ſonſt
auf andere Weiſe ſehr unmenſchlich und greuͤlich mit denenſelben
umgangen waͤren. Ob nun ſchon bewuſter maſſen man von allen
alten Dingen nicht allezeit genugſamen Bericht geben/ und die rechte
Urſache aller alten Hiſtorien oder Geſchichte vollkoͤmmlich darthun
kan; dennoch ſo halte unmasgeblich davor/ daß beyde Parteyen auf
gewiſſe maſſe recht geredet haben/ und man derſelben Meinung leicht
vereinigen koͤnne: Denn was die Zwerge anbetrifft/ ſo weiß man
zwar wohl/ daß unter andern Strabo in ſeiner Geographie libr. 2
gaͤntzlich geleuͤgnet habe/ daß iemahls Zwerg Voͤlcker und Familien
in der Welt waͤren gefunden worden: Es iſt aber derſelbe auf ſolche
Meinung deswegen kommen/ weilen davon die Poeten/ ſonderlich
Homerus iliad. libr. 1 Ovidius libr. 6 Metamorph. und Juvenalis
Satyr.
13 viele wunderliche und unglaubliche Sachen fabuliret oder
gedichtet haben/ denen auch die Hiſtorien-Schreiber getreuͤlich nach-
gefolget ſind/ wie denn Münſterus in ſeiner Cosmographia von de-
nen Zwergen ſchreibet/ daß ſolche im 3 oder 5 Jahr Kinder zeuͤgeten/
im 7/ 8 oder 9 aber ſtuͤrben/ und mit denen Kranichen oder Stoͤrchen
beſtaͤndig Kriege fuͤhreten/ auch ihre Neſter oder Haͤuſelein von Lei-
men/ Federn und Eyer-Schalen erbauet haͤtten/ auch was derglei-
chen Fabel-Werck mehr iſt; Wodurch ebenfalls Albertus Magnus
bewogen worden/ nicht zu glauben/ daß es vormahls rechte kleine
Zwerg-Menſchen gegeben habe/ maſſen er gaͤntzlich davor haͤlt/ daß
alle diejenigen Creaturen/ welche die Autores vor Zwerge ausgege-
geben haͤtten/ nichts anders als eine Gattung Affen waͤren; Allein
es iſt auch deſſen ohngeachtet denen Gelehrten zur Gnuͤge bekannt/
daß es viel mehr Autores gebe/ die das Gegen-Theil ſtatuiren/ und
gaͤntzlich vermeinen/ daß vor Alters dergleichen Zwerg-Menſchen
angetroffen worden/ ja es finden ſich hierunter etliche/ die gar davor
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en gebe/ ob dieſelben ſchon rar waͤren/ wovon Caſpar. Schottus in

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[76/0088] Das I Capitel Hunnen nichts anders als Kinder oder Zwerge geſchienen/ fuͤr wel- chen ſie ſich auch dieſerwegen ſehr gefuͤrchtet/ und in dergleichen Loͤcher wie die armen Maͤuslein verkrochen und verborgen haͤtten/ zumahl da die Hunnen etliche Leuͤthe geſchunden und gebraten/ auch ſonſt auf andere Weiſe ſehr unmenſchlich und greuͤlich mit denenſelben umgangen waͤren. Ob nun ſchon bewuſter maſſen man von allen alten Dingen nicht allezeit genugſamen Bericht geben/ und die rechte Urſache aller alten Hiſtorien oder Geſchichte vollkoͤmmlich darthun kan; dennoch ſo halte unmasgeblich davor/ daß beyde Parteyen auf gewiſſe maſſe recht geredet haben/ und man derſelben Meinung leicht vereinigen koͤnne: Denn was die Zwerge anbetrifft/ ſo weiß man zwar wohl/ daß unter andern Strabo in ſeiner Geographie libr. 2 gaͤntzlich geleuͤgnet habe/ daß iemahls Zwerg Voͤlcker und Familien in der Welt waͤren gefunden worden: Es iſt aber derſelbe auf ſolche Meinung deswegen kommen/ weilen davon die Poeten/ ſonderlich Homerus iliad. libr. 1 Ovidius libr. 6 Metamorph. und Juvenalis Satyr. 13 viele wunderliche und unglaubliche Sachen fabuliret oder gedichtet haben/ denen auch die Hiſtorien-Schreiber getreuͤlich nach- gefolget ſind/ wie denn Münſterus in ſeiner Cosmographia von de- nen Zwergen ſchreibet/ daß ſolche im 3 oder 5 Jahr Kinder zeuͤgeten/ im 7/ 8 oder 9 aber ſtuͤrben/ und mit denen Kranichen oder Stoͤrchen beſtaͤndig Kriege fuͤhreten/ auch ihre Neſter oder Haͤuſelein von Lei- men/ Federn und Eyer-Schalen erbauet haͤtten/ auch was derglei- chen Fabel-Werck mehr iſt; Wodurch ebenfalls Albertus Magnus bewogen worden/ nicht zu glauben/ daß es vormahls rechte kleine Zwerg-Menſchen gegeben habe/ maſſen er gaͤntzlich davor haͤlt/ daß alle diejenigen Creaturen/ welche die Autores vor Zwerge ausgege- geben haͤtten/ nichts anders als eine Gattung Affen waͤren; Allein es iſt auch deſſen ohngeachtet denen Gelehrten zur Gnuͤge bekannt/ daß es viel mehr Autores gebe/ die das Gegen-Theil ſtatuiren/ und gaͤntzlich vermeinen/ daß vor Alters dergleichen Zwerg-Menſchen angetroffen worden/ ja es finden ſich hierunter etliche/ die gar davor halten/ daß es noch heuͤtiges Tages ſolche kleine Voͤlcker und Fami- lien gebe/ ob dieſelben ſchon rar waͤren/ wovon Caſpar. Schottus in ſeiner

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Zitationshilfe: Behrens, Georg Henning: Hercynia Curiosa, oder Curiöser Hartz-Wald. Nordhausen, 1703, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/behrens_hercynia_1703/88>, abgerufen am 28.11.2024.