Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Behrens, Georg Henning: Hercynia Curiosa, oder Curiöser Hartz-Wald. Nordhausen, 1703.

Bild:
<< vorherige Seite

Das I Capitel
sceleta von wahrhafften Riesen wären/ welches man zur Gnüge
erweisen könte/ wenn man nicht alleine die Grösse des Kopffes aus
der Geometrischen Proportion betrachtete/ sondern sich auch die
Rechnung von den grossen Zähnen machte/ welches beydes sie sich
auch/ um ihre Meinung zu behaupten/ bedienen wolten: unerachtet
nun ein Zahn von dem größten Menschen nicht viel über ein Quent-
lein wiege/ wie Gesnerus in seiner Historia animalium davor hielte/
und solches die Erfahrung bezeügete/ so solte doch/ damit sich der
Gegen-Theil nicht zu beschweren habe/ ein Zahn vor ein halb Loht
gerechnet/ und davon die Rechnung auf einen sechstehalb pfündigen
Riesen-Zahn gemachet werden/ da denn das Facit heraus käme/
daß solcher Riesen-Zahn/ salvo errore calculi, drey hundert und
sechs und neünzigmahl grösser als der größte ordinaire Menschen-
Zahn wäre; Ferner wolten sie die Höhe eines Menschen auf zehen
Werck-Schuh oder fünf Ellen rechnen/ da doch ordinarie die größte
Person heütiges Tages nicht so hoch sey/ und darauf die Rechnung zie-
hen/ versichrende/ daß die Arithmetica oder Rechen-Kunst gewißlich
darthun werde/ wie ein solcher vermeinter Riese ebenfals drey hundert
und sechs und neünzigmahl grösser als ein zehenschühigter Mensch
müsse gewesen seyn/ und bey zwey hundert und sieben und vierzigmahl
den Og zu Basan an der Länge übertroffen haben/ dergleichen Riesen-
Mensch iemahls auf der Welt und in rerum natura gewesen zu seyn
kein Verständiger verhoffentlich glauben und statuiren werde. Nichts
weniger wollen vor gedachte Autores diejenigen hören/ welche vor-
geben/ daß aus denen in der Sünd-Fluht abgerissenen Spitzen und
Bergen die Hölen entstanden wären; denn hätte es vor der Sünd-
Fluht schon Berge gegeben/ über welche das Gewässer funfzehen
Ellen gegangen/ wie in der Heiligen Schrifft nemlich im 1 Buch
Mosis cap. 7 v. 20 zu ersehen sey/ so würden auch folglich und ohne
allen Zweifel in etlichen derselben natürliche von keines Menschen
Hand gemachte Hölen gewesen/ und nicht erstlich darinnen nach der
Sünd-Fluht geworden seyn. Endlich verwundern sich dieselben/
daß man die Natur vor so ohnmächtig halte/ und nicht zugeben wol-
le/ daß dieselbe an und vor sich selbst vollkömmliche Beine ohne

Zuthun

Das I Capitel
ſceleta von wahrhafften Rieſen waͤren/ welches man zur Gnuͤge
erweiſen koͤnte/ wenn man nicht alleine die Groͤſſe des Kopffes aus
der Geometriſchen Proportion betrachtete/ ſondern ſich auch die
Rechnung von den groſſen Zaͤhnen machte/ welches beydes ſie ſich
auch/ um ihre Meinung zu behaupten/ bedienen wolten: unerachtet
nun ein Zahn von dem groͤßten Menſchen nicht viel uͤber ein Quent-
lein wiege/ wie Gesnerus in ſeiner Hiſtoriâ animalium davor hielte/
und ſolches die Erfahrung bezeuͤgete/ ſo ſolte doch/ damit ſich der
Gegen-Theil nicht zu beſchweren habe/ ein Zahn vor ein halb Loht
gerechnet/ und davon die Rechnung auf einen ſechſtehalb pfuͤndigen
Rieſen-Zahn gemachet werden/ da denn das Facit heraus kaͤme/
daß ſolcher Rieſen-Zahn/ ſalvo errore calculi, drey hundert und
ſechs und neuͤnzigmahl groͤſſer als der groͤßte ordinaire Menſchen-
Zahn waͤre; Ferner wolten ſie die Hoͤhe eines Menſchen auf zehen
Werck-Schuh oder fuͤnf Ellen rechnen/ da doch ordinariè die groͤßte
Perſon heuͤtiges Tages nicht ſo hoch ſey/ und darauf die Rechnung zie-
hen/ verſichrende/ daß die Arithmetica oder Rechen-Kunſt gewißlich
darthun werde/ wie ein ſolcher vermeinter Rieſe ebenfals drey hundert
und ſechs und neuͤnzigmahl groͤſſer als ein zehenſchuͤhigter Menſch
muͤſſe geweſen ſeyn/ und bey zwey hundert und ſieben und vierzigmahl
den Og zu Baſan an der Laͤnge uͤbertroffen haben/ dergleichen Rieſen-
Menſch iemahls auf der Welt und in rerum naturâ geweſen zu ſeyn
kein Verſtaͤndiger verhoffentlich glauben und ſtatuiren werde. Nichts
weniger wollen vor gedachte Autores diejenigen hoͤren/ welche vor-
geben/ daß aus denen in der Suͤnd-Fluht abgeriſſenen Spitzen und
Bergen die Hoͤlen entſtanden waͤren; denn haͤtte es vor der Suͤnd-
Fluht ſchon Berge gegeben/ uͤber welche das Gewaͤſſer funfzehen
Ellen gegangen/ wie in der Heiligen Schrifft nemlich im 1 Buch
Moſis cap. 7 v. 20 zu erſehen ſey/ ſo wuͤrden auch folglich und ohne
allen Zweifel in etlichen derſelben natuͤrliche von keines Menſchen
Hand gemachte Hoͤlen geweſen/ und nicht erſtlich darinnen nach der
Suͤnd-Fluht geworden ſeyn. Endlich verwundern ſich dieſelben/
daß man die Natur vor ſo ohnmaͤchtig halte/ und nicht zugeben wol-
le/ daß dieſelbe an und vor ſich ſelbſt vollkoͤmmliche Beine ohne

Zuthun
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0064" n="52"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das <hi rendition="#aq">I</hi> Capitel</hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">&#x017F;celeta</hi> von wahrhafften Rie&#x017F;en wa&#x0364;ren/ welches man zur Gnu&#x0364;ge<lb/>
erwei&#x017F;en ko&#x0364;nte/ wenn man nicht alleine die Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e des Kopffes aus<lb/>
der <hi rendition="#aq">Geometr</hi>i&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Proportio</hi>n betrachtete/ &#x017F;ondern &#x017F;ich auch die<lb/>
Rechnung von den gro&#x017F;&#x017F;en Za&#x0364;hnen machte/ welches beydes &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
auch/ um ihre Meinung zu behaupten/ bedienen wolten: unerachtet<lb/>
nun ein Zahn von dem gro&#x0364;ßten Men&#x017F;chen nicht viel u&#x0364;ber ein Quent-<lb/>
lein wiege/ wie <hi rendition="#aq">Gesnerus</hi> in &#x017F;einer <hi rendition="#aq">Hi&#x017F;toriâ animalium</hi> davor hielte/<lb/>
und &#x017F;olches die Erfahrung bezeu&#x0364;gete/ &#x017F;o &#x017F;olte doch/ damit &#x017F;ich der<lb/>
Gegen-Theil nicht zu be&#x017F;chweren habe/ ein Zahn vor ein halb Loht<lb/>
gerechnet/ und davon die Rechnung auf einen &#x017F;ech&#x017F;tehalb pfu&#x0364;ndigen<lb/>
Rie&#x017F;en-Zahn gemachet werden/ da denn das <hi rendition="#aq">Facit</hi> heraus ka&#x0364;me/<lb/>
daß &#x017F;olcher Rie&#x017F;en-Zahn/ <hi rendition="#aq">&#x017F;alvo errore calculi,</hi> drey hundert und<lb/>
&#x017F;echs und neu&#x0364;nzigmahl gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er als der gro&#x0364;ßte <hi rendition="#aq">ordinaire</hi> Men&#x017F;chen-<lb/>
Zahn wa&#x0364;re; Ferner wolten &#x017F;ie die Ho&#x0364;he eines Men&#x017F;chen auf zehen<lb/>
Werck-Schuh oder fu&#x0364;nf Ellen rechnen/ da doch <hi rendition="#aq">ordinariè</hi> die gro&#x0364;ßte<lb/>
Per&#x017F;on heu&#x0364;tiges Tages nicht &#x017F;o hoch &#x017F;ey/ und darauf die Rechnung zie-<lb/>
hen/ ver&#x017F;ichrende/ daß die <hi rendition="#aq">Arithmetica</hi> oder Rechen-Kun&#x017F;t gewißlich<lb/>
darthun werde/ wie ein &#x017F;olcher vermeinter Rie&#x017F;e ebenfals drey hundert<lb/>
und &#x017F;echs und neu&#x0364;nzigmahl gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er als ein zehen&#x017F;chu&#x0364;higter Men&#x017F;ch<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e gewe&#x017F;en &#x017F;eyn/ und bey zwey hundert und &#x017F;ieben und vierzigmahl<lb/>
den <hi rendition="#aq">Og</hi> zu <hi rendition="#aq">Ba&#x017F;an</hi> an der La&#x0364;nge u&#x0364;bertroffen haben/ dergleichen Rie&#x017F;en-<lb/>
Men&#x017F;ch iemahls auf der Welt und <hi rendition="#aq">in rerum naturâ</hi> gewe&#x017F;en zu &#x017F;eyn<lb/>
kein Ver&#x017F;ta&#x0364;ndiger verhoffentlich glauben und <hi rendition="#aq">&#x017F;tatu</hi>iren werde. Nichts<lb/>
weniger wollen vor gedachte <hi rendition="#aq">Autores</hi> diejenigen ho&#x0364;ren/ welche vor-<lb/>
geben/ daß aus denen in der Su&#x0364;nd-Fluht abgeri&#x017F;&#x017F;enen Spitzen und<lb/>
Bergen die Ho&#x0364;len ent&#x017F;tanden wa&#x0364;ren; denn ha&#x0364;tte es vor der Su&#x0364;nd-<lb/>
Fluht &#x017F;chon Berge gegeben/ u&#x0364;ber welche das Gewa&#x0364;&#x017F;&#x017F;er funfzehen<lb/>
Ellen gegangen/ wie in der Heiligen Schrifft nemlich im 1 Buch<lb/><hi rendition="#aq">Mo&#x017F;is cap. 7 v.</hi> 20 zu er&#x017F;ehen &#x017F;ey/ &#x017F;o wu&#x0364;rden auch folglich und ohne<lb/>
allen Zweifel in etlichen der&#x017F;elben natu&#x0364;rliche von keines Men&#x017F;chen<lb/>
Hand gemachte Ho&#x0364;len gewe&#x017F;en/ und nicht er&#x017F;tlich darinnen nach der<lb/>
Su&#x0364;nd-Fluht geworden &#x017F;eyn. Endlich verwundern &#x017F;ich die&#x017F;elben/<lb/>
daß man die Natur vor &#x017F;o ohnma&#x0364;chtig halte/ und nicht zugeben wol-<lb/>
le/ daß die&#x017F;elbe an und vor &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t vollko&#x0364;mmliche Beine ohne<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Zuthun</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0064] Das I Capitel ſceleta von wahrhafften Rieſen waͤren/ welches man zur Gnuͤge erweiſen koͤnte/ wenn man nicht alleine die Groͤſſe des Kopffes aus der Geometriſchen Proportion betrachtete/ ſondern ſich auch die Rechnung von den groſſen Zaͤhnen machte/ welches beydes ſie ſich auch/ um ihre Meinung zu behaupten/ bedienen wolten: unerachtet nun ein Zahn von dem groͤßten Menſchen nicht viel uͤber ein Quent- lein wiege/ wie Gesnerus in ſeiner Hiſtoriâ animalium davor hielte/ und ſolches die Erfahrung bezeuͤgete/ ſo ſolte doch/ damit ſich der Gegen-Theil nicht zu beſchweren habe/ ein Zahn vor ein halb Loht gerechnet/ und davon die Rechnung auf einen ſechſtehalb pfuͤndigen Rieſen-Zahn gemachet werden/ da denn das Facit heraus kaͤme/ daß ſolcher Rieſen-Zahn/ ſalvo errore calculi, drey hundert und ſechs und neuͤnzigmahl groͤſſer als der groͤßte ordinaire Menſchen- Zahn waͤre; Ferner wolten ſie die Hoͤhe eines Menſchen auf zehen Werck-Schuh oder fuͤnf Ellen rechnen/ da doch ordinariè die groͤßte Perſon heuͤtiges Tages nicht ſo hoch ſey/ und darauf die Rechnung zie- hen/ verſichrende/ daß die Arithmetica oder Rechen-Kunſt gewißlich darthun werde/ wie ein ſolcher vermeinter Rieſe ebenfals drey hundert und ſechs und neuͤnzigmahl groͤſſer als ein zehenſchuͤhigter Menſch muͤſſe geweſen ſeyn/ und bey zwey hundert und ſieben und vierzigmahl den Og zu Baſan an der Laͤnge uͤbertroffen haben/ dergleichen Rieſen- Menſch iemahls auf der Welt und in rerum naturâ geweſen zu ſeyn kein Verſtaͤndiger verhoffentlich glauben und ſtatuiren werde. Nichts weniger wollen vor gedachte Autores diejenigen hoͤren/ welche vor- geben/ daß aus denen in der Suͤnd-Fluht abgeriſſenen Spitzen und Bergen die Hoͤlen entſtanden waͤren; denn haͤtte es vor der Suͤnd- Fluht ſchon Berge gegeben/ uͤber welche das Gewaͤſſer funfzehen Ellen gegangen/ wie in der Heiligen Schrifft nemlich im 1 Buch Moſis cap. 7 v. 20 zu erſehen ſey/ ſo wuͤrden auch folglich und ohne allen Zweifel in etlichen derſelben natuͤrliche von keines Menſchen Hand gemachte Hoͤlen geweſen/ und nicht erſtlich darinnen nach der Suͤnd-Fluht geworden ſeyn. Endlich verwundern ſich dieſelben/ daß man die Natur vor ſo ohnmaͤchtig halte/ und nicht zugeben wol- le/ daß dieſelbe an und vor ſich ſelbſt vollkoͤmmliche Beine ohne Zuthun

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/behrens_hercynia_1703
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/behrens_hercynia_1703/64
Zitationshilfe: Behrens, Georg Henning: Hercynia Curiosa, oder Curiöser Hartz-Wald. Nordhausen, 1703, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/behrens_hercynia_1703/64>, abgerufen am 28.11.2024.