Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Behrens, Georg Henning: Hercynia Curiosa, oder Curiöser Hartz-Wald. Nordhausen, 1703.

Bild:
<< vorherige Seite

Das IIX Cap. von den Curiositäten derer Berg-
oder/ wie die Berg-Leüthe reden/ getrieben werden. Ein solcher
Geipel ist unten rund/ und oben spitz zu/ wie ein Thurm/ von Holtz
gebauet/ auch mit tannenen Schindeln oder Bretern bedecket. Die
Runde desselben ist neünzig/ und die Weite dreyßig Ellen/ damit die
Pferde Raum zu gehen haben. Mitten in dem Gäpel befindet sich
eine tieffe Grube oder Kessel/ darinnen eine Spille stehet/ die oben
einen Korb hat/ um welchen die Ketten gehen/ daran die mit Ertz und
Berg angefüllte Tonnen aus der Grube gezogen werden. Endlich
gehet quer durch diese Spindel der Schweng Baum/ woran man
die Pferde spannet/ welche die Spille oder Spindel herum treiben.
Wenn denn eine Tonne herauf gewunden/ und ausgestürzet worden/
ruffet der Ausrichter/ oder der Berg-Mann/ so Achtung giebet/ daß
die Tonnen nicht an einander haken/ sondern unverhindert in dem
Schacht auf und nieder gehen: Zaupff! welches das Zeichen ist/
daß der Fuhr-Mann die Pferde zurück treiben soll/ damit die ledige
Tonne wieder hinunter/ und die angefüllte wieder herauf kommen
könne. Ausser diesen Gäbeln giebet es auch Wind-Gäpel/ welche
oben an dem Tache Flügel wie die Wind-Mühlen haben/ und/ an
Statt der Pferde/ von dem Winde umgetrieben werden/ weilen aber
der Wind gemeiniglich unbeständig zu seyn pfleget/ so ist diese Inven-
tion
mehr curieus als nutzbar bey denen Berg-Wercken/ derohalben
sind dieselben auf dem Hartz bald wieder in Abgang gerathen/ und
habe ich noch vor etlichen Jahren einen solchen Wind-Gäpel bey
dem Zeller-Feld/ und dergleichen bey dem Hahnen-Klee/ alwo mein
seliger Vetter Zacharias Harbord/ ein auf dem Hartz/ seiner vor-
treflichen Berg-Wissenschafft und Glückes wegen/ berühmter
Mann/ gewohnet/ in vollem Still-Stande angetroffen. Jch erin-
nere aber eine iede curieuse Person/ daß solche bey der Beschauung
des Geipels und andern Berck-Wercks-Sachen/ die Berg-Leüthe
mit dem Berg-Gruß: Glück auf! anrede; denn so man zu denen-
selben/ wie im Lande gebräuch lich/ Gluck zu! saget/ lachen sie ent-
weder darüber/ oder hören es nicht gerne/ weilen etliche derselben/ aus
Einfalt/ solches vor einen bösen Wunsch halten/ und vermeynen:
wie man ihnen damit wünsche/ daß das Berg-Werck ein- oder

zugehen/

Das IIX Cap. von den Curioſitaͤten derer Berg-
oder/ wie die Berg-Leuͤthe reden/ getrieben werden. Ein ſolcher
Geipel iſt unten rund/ und oben ſpitz zu/ wie ein Thurm/ von Holtz
gebauet/ auch mit tannenen Schindeln oder Bretern bedecket. Die
Runde deſſelben iſt neuͤnzig/ und die Weite dreyßig Ellen/ damit die
Pferde Raum zu gehen haben. Mitten in dem Gaͤpel befindet ſich
eine tieffe Grube oder Keſſel/ darinnen eine Spille ſtehet/ die oben
einen Korb hat/ um welchen die Ketten gehen/ daran die mit Ertz und
Berg angefuͤllte Tonnen aus der Grube gezogen werden. Endlich
gehet quer durch dieſe Spindel der Schweng Baum/ woran man
die Pferde ſpannet/ welche die Spille oder Spindel herum treiben.
Wenn denn eine Tonne herauf gewunden/ und ausgeſtuͤrzet worden/
ruffet der Ausrichter/ oder der Berg-Mann/ ſo Achtung giebet/ daß
die Tonnen nicht an einander haken/ ſondern unverhindert in dem
Schacht auf und nieder gehen: Zaupff! welches das Zeichen iſt/
daß der Fuhr-Mann die Pferde zuruͤck treiben ſoll/ damit die ledige
Tonne wieder hinunter/ und die angefuͤllte wieder herauf kommen
koͤnne. Auſſer dieſen Gaͤbeln giebet es auch Wind-Gaͤpel/ welche
oben an dem Tache Fluͤgel wie die Wind-Muͤhlen haben/ und/ an
Statt der Pferde/ von dem Winde umgetrieben werden/ weilen aber
der Wind gemeiniglich unbeſtaͤndig zu ſeyn pfleget/ ſo iſt dieſe Inven-
tion
mehr curieus als nutzbar bey denen Berg-Wercken/ derohalben
ſind dieſelben auf dem Hartz bald wieder in Abgang gerathen/ und
habe ich noch vor etlichen Jahren einen ſolchen Wind-Gaͤpel bey
dem Zeller-Feld/ und dergleichen bey dem Hahnen-Klee/ alwo mein
ſeliger Vetter Zacharias Harbord/ ein auf dem Hartz/ ſeiner vor-
treflichen Berg-Wiſſenſchafft und Gluͤckes wegen/ beruͤhmter
Mann/ gewohnet/ in vollem Still-Stande angetroffen. Jch erin-
nere aber eine iede curieuſe Perſon/ daß ſolche bey der Beſchauung
des Geipels und andern Berck-Wercks-Sachen/ die Berg-Leuͤthe
mit dem Berg-Gruß: Gluͤck auf! anrede; denn ſo man zu denen-
ſelben/ wie im Lande gebraͤuch lich/ Gluck zu! ſaget/ lachen ſie ent-
weder daruͤber/ oder hoͤren es nicht gerne/ weilen etliche derſelben/ aus
Einfalt/ ſolches vor einen boͤſen Wunſch halten/ und vermeynen:
wie man ihnen damit wuͤnſche/ daß das Berg-Werck ein- oder

zugehen/
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0184" n="172"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das</hi><hi rendition="#aq">IIX</hi><hi rendition="#b">Cap. von den</hi><hi rendition="#aq">Curio&#x017F;it</hi><hi rendition="#b">a&#x0364;ten derer Berg-</hi></fw><lb/>
oder/ wie die Berg-Leu&#x0364;the reden/ getrieben werden. Ein &#x017F;olcher<lb/>
Geipel i&#x017F;t unten rund/ und oben &#x017F;pitz zu/ wie ein Thurm/ von Holtz<lb/>
gebauet/ auch mit tannenen Schindeln oder Bretern bedecket. Die<lb/>
Runde de&#x017F;&#x017F;elben i&#x017F;t neu&#x0364;nzig/ und die Weite dreyßig Ellen/ damit die<lb/>
Pferde Raum zu gehen haben. Mitten in dem Ga&#x0364;pel befindet &#x017F;ich<lb/>
eine tieffe Grube oder Ke&#x017F;&#x017F;el/ darinnen eine Spille &#x017F;tehet/ die oben<lb/>
einen Korb hat/ um welchen die Ketten gehen/ daran die mit Ertz und<lb/>
Berg angefu&#x0364;llte Tonnen aus der Grube gezogen werden. Endlich<lb/>
gehet quer durch die&#x017F;e Spindel der Schweng Baum/ woran man<lb/>
die Pferde &#x017F;pannet/ welche die Spille oder Spindel herum treiben.<lb/>
Wenn denn eine Tonne herauf gewunden/ und ausge&#x017F;tu&#x0364;rzet worden/<lb/>
ruffet der Ausrichter/ oder der Berg-Mann/ &#x017F;o Achtung giebet/ daß<lb/>
die Tonnen nicht an einander haken/ &#x017F;ondern unverhindert in dem<lb/>
Schacht auf und nieder gehen: Zaupff! welches das Zeichen i&#x017F;t/<lb/>
daß der Fuhr-Mann die Pferde zuru&#x0364;ck treiben &#x017F;oll/ damit die ledige<lb/>
Tonne wieder hinunter/ und die angefu&#x0364;llte wieder herauf kommen<lb/>
ko&#x0364;nne. Au&#x017F;&#x017F;er die&#x017F;en Ga&#x0364;beln giebet es auch Wind-Ga&#x0364;pel/ welche<lb/>
oben an dem Tache Flu&#x0364;gel wie die Wind-Mu&#x0364;hlen haben/ und/ an<lb/>
Statt der Pferde/ von dem Winde umgetrieben werden/ weilen aber<lb/>
der Wind gemeiniglich unbe&#x017F;ta&#x0364;ndig zu &#x017F;eyn pfleget/ &#x017F;o i&#x017F;t die&#x017F;e <hi rendition="#aq">Inven-<lb/>
tion</hi> mehr <hi rendition="#aq">curieus</hi> als nutzbar bey denen Berg-Wercken/ derohalben<lb/>
&#x017F;ind die&#x017F;elben auf dem Hartz bald wieder in Abgang gerathen/ und<lb/>
habe ich noch vor etlichen Jahren einen &#x017F;olchen Wind-Ga&#x0364;pel bey<lb/>
dem Zeller-Feld/ und dergleichen bey dem Hahnen-Klee/ alwo mein<lb/>
&#x017F;eliger Vetter Zacharias Harbord/ ein auf dem Hartz/ &#x017F;einer vor-<lb/>
treflichen Berg-Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft und Glu&#x0364;ckes wegen/ beru&#x0364;hmter<lb/>
Mann/ gewohnet/ in vollem Still-Stande angetroffen. Jch erin-<lb/>
nere aber eine iede <hi rendition="#aq">curieu&#x017F;</hi>e Per&#x017F;on/ daß &#x017F;olche bey der Be&#x017F;chauung<lb/>
des Geipels und andern Berck-Wercks-Sachen/ die Berg-Leu&#x0364;the<lb/>
mit dem Berg-Gruß: Glu&#x0364;ck auf! anrede; denn &#x017F;o man zu denen-<lb/>
&#x017F;elben/ wie im Lande gebra&#x0364;uch lich/ Gluck zu! &#x017F;aget/ lachen &#x017F;ie ent-<lb/>
weder daru&#x0364;ber/ oder ho&#x0364;ren es nicht gerne/ weilen etliche der&#x017F;elben/ aus<lb/>
Einfalt/ &#x017F;olches vor einen bo&#x0364;&#x017F;en Wun&#x017F;ch halten/ und vermeynen:<lb/>
wie man ihnen damit wu&#x0364;n&#x017F;che/ daß das Berg-Werck ein- oder<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zugehen/</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0184] Das IIX Cap. von den Curioſitaͤten derer Berg- oder/ wie die Berg-Leuͤthe reden/ getrieben werden. Ein ſolcher Geipel iſt unten rund/ und oben ſpitz zu/ wie ein Thurm/ von Holtz gebauet/ auch mit tannenen Schindeln oder Bretern bedecket. Die Runde deſſelben iſt neuͤnzig/ und die Weite dreyßig Ellen/ damit die Pferde Raum zu gehen haben. Mitten in dem Gaͤpel befindet ſich eine tieffe Grube oder Keſſel/ darinnen eine Spille ſtehet/ die oben einen Korb hat/ um welchen die Ketten gehen/ daran die mit Ertz und Berg angefuͤllte Tonnen aus der Grube gezogen werden. Endlich gehet quer durch dieſe Spindel der Schweng Baum/ woran man die Pferde ſpannet/ welche die Spille oder Spindel herum treiben. Wenn denn eine Tonne herauf gewunden/ und ausgeſtuͤrzet worden/ ruffet der Ausrichter/ oder der Berg-Mann/ ſo Achtung giebet/ daß die Tonnen nicht an einander haken/ ſondern unverhindert in dem Schacht auf und nieder gehen: Zaupff! welches das Zeichen iſt/ daß der Fuhr-Mann die Pferde zuruͤck treiben ſoll/ damit die ledige Tonne wieder hinunter/ und die angefuͤllte wieder herauf kommen koͤnne. Auſſer dieſen Gaͤbeln giebet es auch Wind-Gaͤpel/ welche oben an dem Tache Fluͤgel wie die Wind-Muͤhlen haben/ und/ an Statt der Pferde/ von dem Winde umgetrieben werden/ weilen aber der Wind gemeiniglich unbeſtaͤndig zu ſeyn pfleget/ ſo iſt dieſe Inven- tion mehr curieus als nutzbar bey denen Berg-Wercken/ derohalben ſind dieſelben auf dem Hartz bald wieder in Abgang gerathen/ und habe ich noch vor etlichen Jahren einen ſolchen Wind-Gaͤpel bey dem Zeller-Feld/ und dergleichen bey dem Hahnen-Klee/ alwo mein ſeliger Vetter Zacharias Harbord/ ein auf dem Hartz/ ſeiner vor- treflichen Berg-Wiſſenſchafft und Gluͤckes wegen/ beruͤhmter Mann/ gewohnet/ in vollem Still-Stande angetroffen. Jch erin- nere aber eine iede curieuſe Perſon/ daß ſolche bey der Beſchauung des Geipels und andern Berck-Wercks-Sachen/ die Berg-Leuͤthe mit dem Berg-Gruß: Gluͤck auf! anrede; denn ſo man zu denen- ſelben/ wie im Lande gebraͤuch lich/ Gluck zu! ſaget/ lachen ſie ent- weder daruͤber/ oder hoͤren es nicht gerne/ weilen etliche derſelben/ aus Einfalt/ ſolches vor einen boͤſen Wunſch halten/ und vermeynen: wie man ihnen damit wuͤnſche/ daß das Berg-Werck ein- oder zugehen/

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/behrens_hercynia_1703
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/behrens_hercynia_1703/184
Zitationshilfe: Behrens, Georg Henning: Hercynia Curiosa, oder Curiöser Hartz-Wald. Nordhausen, 1703, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/behrens_hercynia_1703/184>, abgerufen am 22.11.2024.