Beer, Michael: Der Paria. Stuttgart u. a., 1829. Benascar. Und Du, Unglückliche, Du lebst? Gadhi. Entsetzlicher! klagst Du sie an, Daß sie des Daseyns allgewalt'gem Ruf, Dem ew'gen Trieb gehorcht der ird'schen Brust? Durchspähe die Natur: welch ein Geschöpf Verläugnete in wüthender Verblendung Der Selbsterhaltung angeborne Wehr? -- Sie kam in jener Nacht, ein bleiches Bild Des blühenden Entsetzens. Dunkle Locken, Gelöst von der Verzweiflung Schreckenshand, Umschlugen Geißeln ähnlich ihr die Brust, Und hoch auf wallte der empörte Busen, Und schlug im Wettstreit mit den frechen Lüften Zurück des Hauptes fessellose Zier. Das glüh'nde Auge starrte kalt und todt In die erhellte Nacht, und lautlos zuckten Die bleichen Lippen -- da erblickt sie mich, Und plötzlich in gewalt'gen Jammerschrey Löst sich der starre Schmerz -- "Mein Gatte starb!" Ruft die Unglückliche -- "und ich, Geliebter, Ich sterbe mit ihm!" (zu Benascar). Zücke deinen Dolch, Benascar. Und Du, Ungluͤckliche, Du lebſt? Gadhi. Entſetzlicher! klagſt Du ſie an, Daß ſie des Daſeyns allgewalt’gem Ruf, Dem ew’gen Trieb gehorcht der ird’ſchen Bruſt? Durchſpaͤhe die Natur: welch ein Geſchoͤpf Verlaͤugnete in wuͤthender Verblendung Der Selbſterhaltung angeborne Wehr? — Sie kam in jener Nacht, ein bleiches Bild Des bluͤhenden Entſetzens. Dunkle Locken, Geloͤst von der Verzweiflung Schreckenshand, Umſchlugen Geißeln aͤhnlich ihr die Bruſt, Und hoch auf wallte der empoͤrte Buſen, Und ſchlug im Wettſtreit mit den frechen Luͤften Zuruͤck des Hauptes feſſelloſe Zier. Das gluͤh’nde Auge ſtarrte kalt und todt In die erhellte Nacht, und lautlos zuckten Die bleichen Lippen — da erblickt ſie mich, Und ploͤtzlich in gewalt’gen Jammerſchrey Loͤst ſich der ſtarre Schmerz — „Mein Gatte ſtarb!“ Ruft die Ungluͤckliche — „und ich, Geliebter, Ich ſterbe mit ihm!“ (zu Benascar). Zuͤcke deinen Dolch, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0049" n="39"/> <sp who="#BEN"> <speaker><hi rendition="#g">Benascar</hi>.</speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">Und Du, Ungluͤckliche,</hi><lb/> Du lebſt?</p> </sp><lb/> <sp who="#GAD"> <speaker><hi rendition="#g">Gadhi</hi>.</speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">Entſetzlicher! klagſt Du ſie an,</hi><lb/> Daß ſie des Daſeyns allgewalt’gem Ruf,<lb/> Dem ew’gen Trieb gehorcht der ird’ſchen Bruſt?<lb/> Durchſpaͤhe die Natur: welch ein Geſchoͤpf<lb/> Verlaͤugnete in wuͤthender Verblendung<lb/> Der Selbſterhaltung angeborne Wehr? —<lb/> Sie kam in jener Nacht, ein bleiches Bild<lb/> Des bluͤhenden Entſetzens. Dunkle Locken,<lb/> Geloͤst von der Verzweiflung Schreckenshand,<lb/> Umſchlugen Geißeln aͤhnlich ihr die Bruſt,<lb/> Und hoch auf wallte der empoͤrte Buſen,<lb/> Und ſchlug im Wettſtreit mit den frechen Luͤften<lb/> Zuruͤck des Hauptes feſſelloſe Zier.<lb/> Das gluͤh’nde Auge ſtarrte kalt und todt<lb/> In die erhellte Nacht, und lautlos zuckten<lb/> Die bleichen Lippen — da erblickt ſie mich,<lb/> Und ploͤtzlich in gewalt’gen Jammerſchrey<lb/> Loͤst ſich der ſtarre Schmerz — „Mein Gatte ſtarb!“<lb/> Ruft die Ungluͤckliche — „und ich, Geliebter,<lb/> Ich ſterbe mit ihm!“</p><lb/> <stage>(zu <hi rendition="#g">Benascar</hi>).</stage><lb/> <p> <hi rendition="#et">Zuͤcke deinen Dolch,</hi><lb/> </p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [39/0049]
Benascar.
Und Du, Ungluͤckliche,
Du lebſt?
Gadhi.
Entſetzlicher! klagſt Du ſie an,
Daß ſie des Daſeyns allgewalt’gem Ruf,
Dem ew’gen Trieb gehorcht der ird’ſchen Bruſt?
Durchſpaͤhe die Natur: welch ein Geſchoͤpf
Verlaͤugnete in wuͤthender Verblendung
Der Selbſterhaltung angeborne Wehr? —
Sie kam in jener Nacht, ein bleiches Bild
Des bluͤhenden Entſetzens. Dunkle Locken,
Geloͤst von der Verzweiflung Schreckenshand,
Umſchlugen Geißeln aͤhnlich ihr die Bruſt,
Und hoch auf wallte der empoͤrte Buſen,
Und ſchlug im Wettſtreit mit den frechen Luͤften
Zuruͤck des Hauptes feſſelloſe Zier.
Das gluͤh’nde Auge ſtarrte kalt und todt
In die erhellte Nacht, und lautlos zuckten
Die bleichen Lippen — da erblickt ſie mich,
Und ploͤtzlich in gewalt’gen Jammerſchrey
Loͤst ſich der ſtarre Schmerz — „Mein Gatte ſtarb!“
Ruft die Ungluͤckliche — „und ich, Geliebter,
Ich ſterbe mit ihm!“
(zu Benascar).
Zuͤcke deinen Dolch,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/beer_paria_1829 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/beer_paria_1829/49 |
Zitationshilfe: | Beer, Michael: Der Paria. Stuttgart u. a., 1829, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beer_paria_1829/49>, abgerufen am 05.02.2025. |