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[Beer, Johann]: Jucundi Jucundissimi Wunderliche Lebens-Beschreibung. [s. l.], 1680.

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Kurzweiliger
dahero muste sie mit ihrem Geschrey
eine geraume Zeit anhalten/ und wur-
de doch von Niemand gehöret noch ge-
sehen/ denn allein von mir. Jch hat-
te gleichwol das Herz nicht/ von meinen
Gänsen hinweg zu lauffen/ sondern
ruffte meiner Mutter/ welche auf dem
Gang ihre alte Lappen zusammen gesu-
chet/ so sie diese Woche gewaschen hat-
te/ denn es war des folgenden Tages
ein Feyertag/ und weil zu solchen Zei-
ten gemeiniglich eine Predigt in unse-
rer Dorf-Kirche pflegte gehalten zu
werden/ als wolte sie uns morgen mit
weißen Hemden anziehen/ und mit sich
in die Kirch führen/ so religios war
meine Mutter.

Sie hatte gleich das letzte Paar
Strümpf von der Stange genohmmen/
als ich das lezte mal geruffen/ und ihr zu
verstehen geben/ welcher Gestalten eine
Frau mit einem Pferd auf dem Tschauk-
ker (also hieße der Berg) hielte/ und ge-
gen das Dorf herunter ruffte: damit
gieng sie die Treppe herab und halff der
Frauen/ so viel ihr müglich/ von der Hö-
he/ dann sie hatte sich mit dem Pferd ein

merk-

Kurzweiliger
dahero muſte ſie mit ihrem Geſchrey
eine geraume Zeit anhalten/ und wur-
de doch von Niemand gehoͤret noch ge-
ſehen/ denn allein von mir. Jch hat-
te gleichwol das Herz nicht/ von meinen
Gaͤnſen hinweg zu lauffen/ ſondern
ruffte meiner Mutter/ welche auf dem
Gang ihre alte Lappen zuſammen geſu-
chet/ ſo ſie dieſe Woche gewaſchen hat-
te/ denn es war des folgenden Tages
ein Feyertag/ und weil zu ſolchen Zei-
ten gemeiniglich eine Predigt in unſe-
rer Dorf-Kirche pflegte gehalten zu
werden/ als wolte ſie uns morgen mit
weißen Hemden anziehen/ und mit ſich
in die Kirch fuͤhren/ ſo religios war
meine Mutter.

Sie hatte gleich das letzte Paar
Struͤmpf von der Stange genohm̃en/
als ich das lezte mal geruffen/ und ihr zu
verſtehen geben/ welcher Geſtalten eine
Fꝛau mit einem Pfeꝛd auf dem Tſchauk-
ker (alſo hieße der Berg) hielte/ und ge-
gen das Dorf herunter ruffte: damit
gieng ſie die Treppe herab und halff der
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[8/0016] Kurzweiliger dahero muſte ſie mit ihrem Geſchrey eine geraume Zeit anhalten/ und wur- de doch von Niemand gehoͤret noch ge- ſehen/ denn allein von mir. Jch hat- te gleichwol das Herz nicht/ von meinen Gaͤnſen hinweg zu lauffen/ ſondern ruffte meiner Mutter/ welche auf dem Gang ihre alte Lappen zuſammen geſu- chet/ ſo ſie dieſe Woche gewaſchen hat- te/ denn es war des folgenden Tages ein Feyertag/ und weil zu ſolchen Zei- ten gemeiniglich eine Predigt in unſe- rer Dorf-Kirche pflegte gehalten zu werden/ als wolte ſie uns morgen mit weißen Hemden anziehen/ und mit ſich in die Kirch fuͤhren/ ſo religios war meine Mutter. Sie hatte gleich das letzte Paar Struͤmpf von der Stange genohm̃en/ als ich das lezte mal geruffen/ und ihr zu verſtehen geben/ welcher Geſtalten eine Fꝛau mit einem Pfeꝛd auf dem Tſchauk- ker (alſo hieße der Berg) hielte/ und ge- gen das Dorf herunter ruffte: damit gieng ſie die Treppe herab und halff der Frauen/ ſo viel ihr muͤglich/ von der Hoͤ- he/ dann ſie hatte ſich mit dem Pferd ein merk-

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Zitationshilfe: [Beer, Johann]: Jucundi Jucundissimi Wunderliche Lebens-Beschreibung. [s. l.], 1680, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beer_lebensbeschreibung_1680/16>, abgerufen am 26.11.2024.