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Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860.

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Auf die Lufterneuerung, auf gute regelmäßige Lüftung muß
ein besonderes Augenmerk gerichtet werden in neuen Häusern
und in alten Häusern, die beständig feucht sind. Eine feuchte
Wohnung ist ein gefährlicher Feind. Wir haben schon gesehen,
wie die so nöthige Ausscheidung des Wassers aus dem Blute
durch die Lunge mangelhaft geschehe in feuchter, schon Wasser
enthaltender Luft, und wie es uns deßhalb schlecht sei und wie
natürlich darunter die Gesundheit, das Leben leide. Dieser
Feuchtigkeit der Wohnungen kann auf keiner Weise besser ent-
gegengearbeitet werden, diese Feuchtigkeit kann auf keine Weise
noch am meisten unschädlich gemacht werden, als wenn fleißig,
als wenn beständig frische trockene Luft herbei geführt wird.

Soll nun aber unser unabsichtliches, absichtliches und gar
künstliches Lüften unserer Zimmer seinen Zweck erreichen, so
sind zweierlei Dinge erforderlich. Erstens muß die Luft auf
Gängen und Treppen und zweitens auch außerhalb des
Hauses rein und gesund sein. Die Hausgänge und Treppen
sind die Luftkanäle, eine Art Luftröhre für das Haus; durch
sie strömt die Luft in die Zimmer und aus den Zim-
mern; oben öffnen sie sich in's Dach, unten durch die Thüre
auf die Straße. Diese Luft auf Gängen und Treppen muß
frisch sein; wenn vom Abtritte, aus Kellern, Küchen, Speise-
kammern nur verpestete Luft weht, hilft das Oeffnen der Zimmer-
thüre und selbst das Drahtgitter in der Thüre nichts. Aber
auch die Luft außerhalb des Hauses muß rein sein. Wenn
unter meinem Fenster ein Misthaufen, eine Abtrittgrube, eine
Gerberei ist, oder alte Schuhe zu Salmiak destilliert werden, so
hilft mein Fensteröffnen nichts. Da wäre es dann besser, statt
auf eine Ventilation zu sinnen, darüber zu studieren: Wie mag
ein Haus am besten luftdicht verschlossen werden, so, daß der
Eigenthümer drin doch nicht erstickt. Hier muß denn die Ge-
meinde, der Staat nachhelfen. Das Dorf, die Stadt muß
dafür sorgen, daß durch weite Gassen frische Luft strömen kann,
daß gewisse Lokale, gewisse Geschäfte nicht in der Nähe der
Wohnungen sein dürfen. Der Staat hat dazu das Recht und
die Pflicht. So gut er Pulvermagazine in der Nähe der Woh-
nungen nicht duldet, kann er auch andere, dem Leben der Bürger

Auf die Lufterneuerung, auf gute regelmäßige Lüftung muß
ein beſonderes Augenmerk gerichtet werden in neuen Häuſern
und in alten Häuſern, die beſtändig feucht ſind. Eine feuchte
Wohnung iſt ein gefährlicher Feind. Wir haben ſchon geſehen,
wie die ſo nöthige Ausſcheidung des Waſſers aus dem Blute
durch die Lunge mangelhaft geſchehe in feuchter, ſchon Waſſer
enthaltender Luft, und wie es uns deßhalb ſchlecht ſei und wie
natürlich darunter die Geſundheit, das Leben leide. Dieſer
Feuchtigkeit der Wohnungen kann auf keiner Weiſe beſſer ent-
gegengearbeitet werden, dieſe Feuchtigkeit kann auf keine Weiſe
noch am meiſten unſchädlich gemacht werden, als wenn fleißig,
als wenn beſtändig friſche trockene Luft herbei geführt wird.

Soll nun aber unſer unabſichtliches, abſichtliches und gar
künſtliches Lüften unſerer Zimmer ſeinen Zweck erreichen, ſo
ſind zweierlei Dinge erforderlich. Erſtens muß die Luft auf
Gängen und Treppen und zweitens auch außerhalb des
Hauſes rein und geſund ſein. Die Hausgänge und Treppen
ſind die Luftkanäle, eine Art Luftröhre für das Haus; durch
ſie ſtrömt die Luft in die Zimmer und aus den Zim-
mern; oben öffnen ſie ſich in's Dach, unten durch die Thüre
auf die Straße. Dieſe Luft auf Gängen und Treppen muß
friſch ſein; wenn vom Abtritte, aus Kellern, Küchen, Speiſe-
kammern nur verpeſtete Luft weht, hilft das Oeffnen der Zimmer-
thüre und ſelbſt das Drahtgitter in der Thüre nichts. Aber
auch die Luft außerhalb des Hauſes muß rein ſein. Wenn
unter meinem Fenſter ein Miſthaufen, eine Abtrittgrube, eine
Gerberei iſt, oder alte Schuhe zu Salmiak deſtilliert werden, ſo
hilft mein Fenſteröffnen nichts. Da wäre es dann beſſer, ſtatt
auf eine Ventilation zu ſinnen, darüber zu ſtudieren: Wie mag
ein Haus am beſten luftdicht verſchloſſen werden, ſo, daß der
Eigenthümer drin doch nicht erſtickt. Hier muß denn die Ge-
meinde, der Staat nachhelfen. Das Dorf, die Stadt muß
dafür ſorgen, daß durch weite Gaſſen friſche Luft ſtrömen kann,
daß gewiſſe Lokale, gewiſſe Geſchäfte nicht in der Nähe der
Wohnungen ſein dürfen. Der Staat hat dazu das Recht und
die Pflicht. So gut er Pulvermagazine in der Nähe der Woh-
nungen nicht duldet, kann er auch andere, dem Leben der Bürger

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[54/0054] Auf die Lufterneuerung, auf gute regelmäßige Lüftung muß ein beſonderes Augenmerk gerichtet werden in neuen Häuſern und in alten Häuſern, die beſtändig feucht ſind. Eine feuchte Wohnung iſt ein gefährlicher Feind. Wir haben ſchon geſehen, wie die ſo nöthige Ausſcheidung des Waſſers aus dem Blute durch die Lunge mangelhaft geſchehe in feuchter, ſchon Waſſer enthaltender Luft, und wie es uns deßhalb ſchlecht ſei und wie natürlich darunter die Geſundheit, das Leben leide. Dieſer Feuchtigkeit der Wohnungen kann auf keiner Weiſe beſſer ent- gegengearbeitet werden, dieſe Feuchtigkeit kann auf keine Weiſe noch am meiſten unſchädlich gemacht werden, als wenn fleißig, als wenn beſtändig friſche trockene Luft herbei geführt wird. Soll nun aber unſer unabſichtliches, abſichtliches und gar künſtliches Lüften unſerer Zimmer ſeinen Zweck erreichen, ſo ſind zweierlei Dinge erforderlich. Erſtens muß die Luft auf Gängen und Treppen und zweitens auch außerhalb des Hauſes rein und geſund ſein. Die Hausgänge und Treppen ſind die Luftkanäle, eine Art Luftröhre für das Haus; durch ſie ſtrömt die Luft in die Zimmer und aus den Zim- mern; oben öffnen ſie ſich in's Dach, unten durch die Thüre auf die Straße. Dieſe Luft auf Gängen und Treppen muß friſch ſein; wenn vom Abtritte, aus Kellern, Küchen, Speiſe- kammern nur verpeſtete Luft weht, hilft das Oeffnen der Zimmer- thüre und ſelbſt das Drahtgitter in der Thüre nichts. Aber auch die Luft außerhalb des Hauſes muß rein ſein. Wenn unter meinem Fenſter ein Miſthaufen, eine Abtrittgrube, eine Gerberei iſt, oder alte Schuhe zu Salmiak deſtilliert werden, ſo hilft mein Fenſteröffnen nichts. Da wäre es dann beſſer, ſtatt auf eine Ventilation zu ſinnen, darüber zu ſtudieren: Wie mag ein Haus am beſten luftdicht verſchloſſen werden, ſo, daß der Eigenthümer drin doch nicht erſtickt. Hier muß denn die Ge- meinde, der Staat nachhelfen. Das Dorf, die Stadt muß dafür ſorgen, daß durch weite Gaſſen friſche Luft ſtrömen kann, daß gewiſſe Lokale, gewiſſe Geſchäfte nicht in der Nähe der Wohnungen ſein dürfen. Der Staat hat dazu das Recht und die Pflicht. So gut er Pulvermagazine in der Nähe der Woh- nungen nicht duldet, kann er auch andere, dem Leben der Bürger

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Zitationshilfe: Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becker_arbeiter_1860/54>, abgerufen am 22.11.2024.